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„Ich kommuniziere und organisiere gerne.“

Interview mit Fatih Yüksel

Fatih Yüksel arbeitet seit 2017 als Disponent bei Gebrüder Weiss, einem internationalen Transportunternehmen.

Ein Disponent, auch Tourenplaner genannt, nimmt Transportaufträge entgegen, koordiniert Liefertermine und plant nationale wie internationale Transporte. Herr Yüksel, Sie üben eine verantwortungsvolle wie abwechslungsreiche Tätigkeit aus.  

Meine Arbeit in meiner Abteilung hat sich im Laufe der Jahre mehrmals verändert. Anfangs war ich für die Planung zuständig, später nur für die Kund:innen. Das heißt, ich habe überprüft, ob die Ladung termingerecht und unversehrt angekommen ist. Ob es unterwegs Staus, Unfälle oder andere Komplikationen gab und jemand verständigt werden musste. Das alles musste ich für mehrere hundert LKWs am Tag am Bildschirm überprüfen. Und seit ungefähr zwei Jahren arbeite ich wieder im Planungsteam. Da disponiere ich die Frächter und Subfrächter für Destinationen in unterschiedlichen europäischen Ländern.

Wie häufig kommt es vor, dass Ihre Planung über den Haufen geworfen wird, weil etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommt?

Das passiert immer wieder. Es kann sein, dass mich ein Kunde anruft und sagt, dass er die Lieferung doch nicht zur ausgemachten Zeit annehmen kann. Ein anderer storniert die Ladungen oder es kommt ein dringender Auftrag, der extrem rasch erledigt werden soll. Dann muss ich umplanen. Dann muss alles sehr schnell gehen, im Transportgeschäft ändert sich immer wieder etwas.

Für diese Tätigkeit ist es vorteilhaft, wenn man auch in stressigen Situationen Ruhe bewahren kann. Was gefällt Ihnen an Ihrem Job?

Ich kommuniziere gerne mit anderen. Und organisiere gerne. Ich bin kein Kontrollfreak, aber es gefällt mir, die Dinge möglichst effizient zu planen und bestmöglich zu erledigen.

Sie haben eine seltene genetisch bedingte Netzhautstörung, die mit Farbblindheit einhergeht, mit extremer Lichtempfindlichkeit und einer stark verringerten Sehschärfe. Ihr Sehvermögen liegt zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Wie gestalten Sie Ihre Arbeit im Büro?

Mein Arbeitsplatz ist mit speziellen Bildschirmen und einem speziellen Programm ausgestattet. Wenn ich am PC sitze, brauche ich eine starke Vergrößerung und ich ziehe den Bildschirm ganz nahe an meine Augen heran. So geht’s. Außerdem brauche ich eine spezielle Bildschirmbrille, weil ich extrem lichtempfindlich bin und keine Farben sehe.

Sie arbeiten bereits einige Jahre im Unternehmen. Wie geht es Ihnen mit Ihren Kolleg:innen?

Ich bin ein praktisch veranlagter Mensch. Wenn ich etwas nicht lesen kann, zoome ich. Und ich bin ein kommunikativer Mensch und kann mich mit jedem unterhalten. Ich glaube, die meisten vergessen, dass ich eine Sehbehinderung habe.

Sie sind in Pottendorf in Niederösterreich aufgewachsen, aber es ist kaum machbar, von Ihrem Zuhause öffentlich zum Arbeitsplatz in Maria Lanzendorf zu fahren.

Ja, ich musste umziehen. Zum Glück haben wir in Moosbrunn ein Ferienhaus, dort bin ich hingezogen. Jetzt steige ich praktisch vor meiner Haustür in den Bus ein und direkt vor der Firma aus dem Bus aus. Die Busverbindungen sind relativ gut. Nur beim Spätdienst, der von elf bis 19 Uhr dauert, kann es knapp werden, wenn bei der Arbeit noch etwas in letzter Minute anfällt. Aber Herr Kiefl, mein Vorgesetzter, hat allen gesagt, dass es immer möglich sein muss, dass ich den letzten Bus erreiche.

Sie haben die Handelsakademie in Wiener Neustadt besucht. Hatten Sie bereits während Ihrer Schulzeit die Hilfsmittel, die Sie benötigen?

Nein, leider nicht. Ich bin aber in der zweiten oder dritten Klasse Handelsakademie zufällig zum Tag der offenen Tür des Blinden- und Sehbehindertenverbands gekommen. Dort habe ich den Tipp erhalten, mich an die Arbeitsassistenz zu wenden. Das habe ich gemacht und das hat alles verändert. Erst dadurch habe ich erfahren, dass es eine Organisation gibt, die sich um Menschen kümmert, die eine Sehbehinderung haben und wo ich informiert werde, welche Hilfsmittel es für mich gibt. Dafür bin ich sehr dankbar. Bis dahin dachte ich, man muss alles selber organisieren. Das war ein ganz großes Aha-Erlebnis für mich.

Ab diesem Zeitpunkt wurden Sie von der Arbeitsassistenz begleitet. Wie wurden Sie, abgesehen von den Hilfsmitteln, sonst noch unterstützt?

Wir haben schon während meiner Schulzeit Tests gemacht und Profile erstellt. Wir haben darüber gesprochen, was ich arbeiten möchte. Ich habe Bewerbungsunterlagen erstellt und erste Bewerbungen verschickt. Auch nach der Matura bin ich bei meiner Arbeitssuche unterstützt worden. Nach vielen Absagen habe ich einen Anruf von der Personalmanagerin von Gebrüder Weiss bekommen. Sie wollte mich kennenlernen.

Haben Sie Ihre angeborene Seheinschränkung bereits bei Ihrer schriftlichen Bewerbung, die Sie an Gebrüder Weiss geschickt haben, thematisiert?

Ja, das habe ich gemacht. Frau Klozyk, die HR-Managerin und Herr Kiefl, mein späterer Vorgesetzter waren von Anfang an informiert, das war mir wichtig.

Frau Klozyk, ist es dem Unternehmen, ist es Ihnen als HR-Managerin ein Anliegen, dass Themen wie Einschränkung, Behinderung oder Krankheit offen kommuniziert werden?

Iris Klozyk: Ja, auf jeden Fall. Das macht es uns leichter, dass potentielle Mitarbeiter:innen einen guten Platz finden und ihre Aufgaben gut erfüllen können. Wir haben ja Fatihs Bewerbung entnommen, dass er die Handelsakademie gemacht und maturiert hat und dass er mit den entsprechenden Hilfsmitteln seine Aufgaben gut bewältigen kann. Es ist wichtig, dass beide Seiten offen kommunizieren. Nur so lassen sich gute Lösungen finden. Bei Fatihs zweitem Bewerbungsgespräch war auch die Arbeitsassistenz dabei. Nach der zweiten Runde haben wir entschieden, dass wir Fatih gerne bei uns aufnehmen wollen. Wir haben abgeklärt, welche Hilfsmittel benötigt werden, denn wir wollten Fatih den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern und zeigen, dass wir voll dahinterstehen.

Das Unternehmen hat sowohl für die spezielle Bildschirmbrille wie auch für die spezielle PC-Ausstattung die Kosten übernommen. Haben Sie, Herr Kiefl, als unmittelbarer Vorgesetzter noch weitere Maßnahmen getroffen?

Peter Kiefl: Wir haben die Kolleg:innen informiert, dass Fatih eine Sehbehinderung hat, dass er deshalb ein eigenes Equipment braucht und immer auf seinem Arbeitsplatz arbeiten muss. Wir hatten auch mehrmals Kontakt mit der Arbeitsassistenz, sie hat nachgefragt, ob es etwas zu besprechen oder abzuklären gibt. Ansonsten ist Fatih wie alle anderen Mitarbeiter:innen eingestellt und eingeschult worden. Wir haben da keinen Unterschied gemacht.

Die Unterstützung, die Fatih Yüksel von der BAABSV GmbH erhielt, wurde vom Sozialministeriumservice (SMS) finanziert.

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