„Meine Arbeit macht mich stark“
Interview mit Mira Juric
Mira Juric, die in Wirklichkeit anders heißt, aber anonym bleiben möchte, arbeitet in einem Billa Plus, ehemals Merkur Markt.
Frau Juric, bei Ihnen wurde mit Ende zwanzig eine Netzhauterkrankung festgestellt. Knapp zehn Jahre nach der Diagnose wussten Sie nicht, wie es beruflich weitergehen sollte. Sie haben sich zunächst beim AMS arbeitssuchend gemeldet.
Ja, ich wollte unbedingt arbeiten. Aber damals habe ich gedacht, dass man keinen Job bekommt, wenn man so schlecht sieht wie ich. Ich sehe ungefähr zehn Prozent. Meine Befunde habe ich zu meinem AMS-Termin mitgebracht und von dort hat man mich zur Beruflichen Assistenz der BAABSV GmbH geschickt.
Mit Ihrer Beraterin von der Beruflichen Assistenz haben Sie Ihre beruflichen Interessen und Ihre persönliche Situation besprochen. Ihr Sehvermögen wurde genau abgeklärt, ebenso ob Sie sich im Straßenverkehr sicher bewegen können. Sie haben sich dann für ein Arbeitstraining bei einem Billa Plus entschieden.
Ja, ich habe als Regalbetreuerin begonnen. Und zwar bei dem Markt, der in der Nähe meiner Wohnung ist und den ich bereits sehr gut gekannt habe. Ich bin dort seit vielen Jahren Kundin und weiß genau, wo alle Sachen sind. Das war ein großes Glück für mich. Beim Arbeitstraining hat alles gut funktioniert. Aber leider gab es in diesem Markt keine freie Stelle als Regalbetreuerin. Ich hätte in einen anderen wechseln können, aber das wollte ich nicht. Jeder Markt ist anders. Außerdem ist es ein großer Vorteil, wenn ich in der Nähe meiner Wohnung arbeiten kann. Denn ich bin leider geschieden und für meine beiden Kinder allein verantwortlich. Beide waren noch in der Volksschule wie ich zu arbeiten begonnen habe.
Ihre Marktleiterin hat Ihnen angeboten, in den Backshop zu wechseln. Dort werden ungefähr 100 verschiedene Brot- und Gebäcksorten gebacken und angeboten. Zu den weiteren Aufgaben zählen, Kund:innen zu beraten und zu bedienen, Brot zu schneiden, Gebäck zu schlichten und zu präsentieren.
Ich wollte zuerst gar nicht in den Backshop. Ich habe mich gefragt, ob ich das überhaupt schaffen werde und es war am Anfang wirklich sehr schwer für mich. Ich konnte die Liste, wo alle Brot- und Gebäcksorten mit Namen und Nummern verzeichnet sind, gar nicht lesen. Meine Arbeitsassistentin hat diese Liste vergrößert und aufgehängt. Ich hatte Angst, dass ich mir die vielen Nummern und Namen nicht merken werde. Aber ich habe jeden Tag geübt und probiert. Ich hatte überhaupt große Angst, Fehler zu machen.
Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Angst zu überwinden?
Meine Arbeitsassistentin ist immer wieder zu mir gekommen und hat mich ermutigt. Sie hat mich gefragt, wie es mir bei der Arbeit geht und ob ich etwas brauche. Das war für mich sehr wichtig. Sie hat öfters mit meiner Chefin geredet, auch über meine Situation als alleinerziehende Mutter. Sie war dabei, wenn ich mit ihr ein Gespräch hatte. Und sie hat mit meinen Kolleginnen geredet. Man merkt mir nicht an, dass ich schlecht sehe, an meinen Augen erkennt man das nicht. Die Mitarbeiterinnen verstehen vielleicht nicht, warum ich etwas nicht kann. Sie denken vielleicht, ich will nicht arbeiten.
Der Beruflichen Assistenz ist es ein großes Anliegen, die Belegschaft darüber zu informieren und aufzuklären, wie sich eine Augenerkrankung auswirkt und was es bedeutet, mit einer bestimmten Sehbehinderung zu arbeiten. Deshalb werden in den Betrieben Workshops durchgeführt, um die Kolleg:innen zu sensibilisieren.
Ich bin sehr froh, ich habe gute Kolleginnen und sie haben mir am Anfang geholfen. Ich wollte aber alles lernen und ich habe mir gesagt, ich kann das und ich will das. Jetzt müssen sie mir nicht mehr helfen. Ich kenne alle Brot- und Gebäcksorten, alle Namen und die dazugehörigen Nummern. Ich kann den Backofen bedienen. Und es macht mir Freude, die Kund:innen zu beraten. Jetzt kann ich meine Arbeit alleine machen. Das ist mir wichtig, das macht mich stark und ich bin sehr stolz darauf. Es ist für mich als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern sehr wichtig, dass ich eine Arbeit habe. Ich fühle mich gut, wenn ich arbeite und für meine Kinder ist es auch wichtig, dass sie erleben, dass die Mama arbeitet. Meine Kinder sind stolz darauf, dass ich im Backshop bin. Ich bin sehr glücklich, dass ich das machen kann und ich wünsche mir, dass ich hier bleiben kann. Meine Chefin ist mit meiner Arbeit zufrieden und ich liebe meine Arbeit. Ohne meine Arbeitsassistentin hätte ich das nicht geschafft. Für diese Hilfe, für diese Arbeit sage ich danke.
Die Berufliche Assistenz der BAABSV GmbH führt mit REWE das Projekt „Arbeitssicherung macht Sinn“ durch. Im Rahmen dieses Projekts wurde Mira Juric, nachdem sie das Arbeitstraining erfolgreich absolviert hatte, angestellt. Die Unterstützung, die sie von der BAABSV GmbH erhielt, wurde vom Sozialministeriumservice finanziert.