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"Ich will von meiner Arbeit leben"

Santiago Uprimny ist Architekt und arbeitet im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Herr Uprimny, Sie sind seit Oktober 2020 im Ministerium tätig und damit befasst, Bauvorhaben von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Universitäten zu prüfen und zu genehmigen. Wie ist es Ihnen bei der Arbeitssuche ergangen?

Das war sehr schwierig. Ich bin in Kolumbien aufgewachsen und habe in Bogota studiert. Dort habe ich acht Jahre als Architekt gearbeitet und auch einige Preise gewonnen. Aber meine Ausbildung wird in Österreich leider nicht anerkannt, denn diese spezielle Ausbildung gibt es hier nicht.

Im Jahr 2010 sind Sie nach Österreich gekommen, um an der Donau-Universität Krems ein Masterstudium zu absolvieren. Wieso haben Sie sich für Österreich entschieden?

In Krems habe ich einen Master in Sanieren und Revitalisieren gemacht, in einem Bereich der Architektur, der mich schon lange interessiert. Und ich habe mich für Krems entschieden, da ich sowohl die kolumbianische wie auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Das hat mit meinem Opa zu tun. Er war Jude und ist in Wien aufgewachsen. In der Nazizeit sind fast alle aus seiner Familie umgekommen. Er konnte nach Kolumbien fliehen und hat dort eine Familie gegründet. Als sein Nachfahre habe ich die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen. Nach dem Studium in Krems habe ich einige Jahre gearbeitet. Zuerst bei einem Steinmetz, danach in einem Architekturbüro. Dann wurde ich arbeitslos. Ich habe über 100 Bewerbungen abgeschickt, wurde aber nur zu zwei Vorstellungsgesprächen eingeladen. Mein AMS-Berater hat mich an die Berufliche Assistenz des Blinden- und Sehbehindertenverbands verwiesen. Ich habe eine erblich bedingte Netzhauterkrankung. Mein Opa ist im Alter von 50 Jahren erblindet, auch einige Onkel und ein Cousin haben diese Augenerkrankung.

Wie wurden Sie von der Beruflichen Assistenz bei der Arbeitssuche unterstützt?

Mein Arbeitsassistent ist mit mir meine Bewerbungsunterlagen durchgegangen. Er hat mir empfohlen, den Grad meiner Behinderung feststellen zu lassen, dieser liegt bei 80 Prozent. Er hat auch in Erfahrung gebracht, dass es diese Stelle im Ministerium gibt. Es wurde ein Jurist gesucht, der sich für Architektur interessiert oder ein Architekt, der sich gerne mit juristischen Fragen beschäftigt. Ich bin Architekt und komme aus einer Familie von Juristen. Mein Opa war Rechtsanwalt, mein Vater ist Rechtsanwalt, und sechs seiner neun Geschwister sind ebenfalls Juristen. Ich teile diese Vorliebe für Normen und logisches Denken.

Was waren die nächsten Schritte?

Mein Arbeitsassistent hat Kontakt zum Ministerium aufgenommen und mich dabei unterstützt, alle erforderlichen Dokumente zu erstellen. Im Sommer 2020 war ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen und im Oktober habe ich zu arbeiten begonnen.

Benötigen Sie an Ihrem Arbeitsplatz ein Hilfsmittel?

Ja, auch dabei wurde ich von der Beruflichen Assistenz  unterstützt. Ich verwende eine elektronische Lupe. Dieses Gerät hat eine Kamera und ist ungefähr so groß wie ein Laptop. So kann ich kleingeschriebene Texte und Pläne gut lesen. Zusätzlich benutze ich noch eine Lupe in der Größe eines Mobiltelefons.

War Ihnen die deutsche Sprache bereits vertraut als Sie nach Österreich gekommen sind?

Nein. Ich habe erst hier die Sprache erlernt und muss sie noch besser lernen. Denn es ist wichtig, dass ich mich bei Besprechungen, aber auch in meinen E-Mails und Berichten korrekt und klar ausdrücke. Deshalb nehme ich Privatstunden und lese sehr viel. Ich lerne sehr gerne, das macht mir große Freude.  

Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit ganz besonders?

Ich habe erst im Jahr 2015 erfahren, dass ich diese Netzhauterkrankung habe und dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ich erblinde. Das macht mich sehr traurig. Alles was ich gut kann und wofür ich ausgebildet bin, hat mit den Augen zu tun. Aber bei meiner jetzigen Arbeit im Ministerium geht es auch um juristische Belange. Ich habe also die Möglichkeit, mir neue Arbeitsbereiche zu erschließen, sollte mein Sehvermögen noch stärker abnehmen. Denn ich will arbeiten und mich selbst erhalten können. Ich fühle mich gut, wenn ich arbeite. Manchmal vergesse ich alles rund um mich herum, so vertieft bin ich in meine Tätigkeit. Außerdem schätze ich das gute Arbeitsklima. Meine Kolleginnen und Kollegen waren in der ersten Zeit sehr hilfreich und geduldig. Inzwischen bin ich gut eingearbeitet. Wir sind ein gutes Team. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Job mit Hilfe der Beruflichen Assistenz gefunden habe.

Sie waren ungefähr ein Jahr auf Arbeitssuche. Was brauchen Menschen mit Behinderung, die einen Job suchen?

Geduld und eine Chance. Ich erinnere mich an meinen ersten Arbeitgeber. Ich konnte sehr wenig Deutsch, aber ich habe meine Arbeit sehr gut gemacht. Mein Chef war geduldig und offen, er hat mir eine Chance gegeben. Genau darum geht es. Denn wenn man diese Chance erhält, gibt man alles, um den Job zu behalten. Bei mir ist es so, aber ich glaube, bei den allermeisten anderen ist es auch so.

Die Unterstützung, die Santiago Uprimny von der Beruflichen Assistenz und der BAABSV GmbH erhielt, wurde vom Sozialministeriumservice finanziert.

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