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„Ich wollte schon immer studieren.“

Interview mit Philipp Huber

Philipp Huber erfüllt sich diesen Wunsch, nachdem er sechs Jahre berufstätig war. Im Herbst 2021 beginnt er an der Fachhochschule Campus Wien zu studieren.

Sie haben sich für Soziale Arbeit entschieden. Wie geht es Ihnen beim Studieren, Herr Huber?

Sehr gut. Ich war an der HTL in Weiz und habe nach der Matura zu arbeiten begonnen. Aber im technischen Bereich ist es sehr schwierig, wenn man eine Behinderung hat, es wird einem wenig zugetraut. Dann hat sich mein Sehvermögen stark verschlechtert und meine Arbeit ist für mich sehr anstrengend geworden. Ich habe über den Behindertensport Leute kennengelernt, die Soziale Arbeit studiert haben. Da habe ich gemerkt, wie sehr mich dieses Studium interessiert. Und ich muss sagen, ich habe es nicht bereut. Es ist total meins.

Sie sind in einem kleinen Ort in der Obersteiermark aufgewachsen. Aufgrund einer genetisch bedingten Netzhauterkrankung hat sich Ihr Sehvermögen seit dem achten Lebensjahr kontinuierlich verringert. Inzwischen liegt es bei einem Prozent. Haben Sie angegeben, dass Sie eine Sehbehinderung haben, wie Sie sich für den Studiengang Soziale Arbeit beworben haben?

Wie ich mich online angemeldet habe, habe ich hinzugefügt, dass ich blind bin. Das habe ich auch in meinem Motivationsschreiben angeführt, weil es ja für ein Studium der Sozialen Arbeit durchaus ein fördernder Faktor ist. Ich habe nach dem Bewerbungsprozess erfahren, dass ich zu jenen Studierenden gehöre, die von der FH gesucht werden. Weil ich nicht direkt von der Schule gekommen bin, weil ich bereits berufstätig war, schon ein bisschen älter bin und selbst Erfahrung mit einer Behinderung habe.

Nach der online Bewerbung müssen sich alle einem Aufnahmeverfahren stellen und auf der FH einen Wissenstest absolvieren, außerdem einen Logik- bzw. Intelligenztest sowie einen Belastbarkeitstest. Schließlich folgt noch ein persönliches Gespräch mit einer der Lehrkräfte. Wer blind ist, kann aber keinen gängigen Intelligenztest am PC machen. Die FH Campus Wien, die größte FH Österreichs, kooperiert jedoch mit der Beruflichen Assistenz & Akademie BSV GmbH (BAABSV GmbH). Diese Kooperation ermöglicht es Menschen mit einer Sehbehinderung, überhaupt am Aufnahmeverfahren teilnehmen zu können.

Die Berufliche Assistenz hat für mich eine barrierefreie Version des Intelligenztests vorbereitet und es war dann auch jemand da, der mit mir diese Tests durchgeführt hat. Diese Person hat mir zum Beispiel Zahlenreihen und Zahlen-Buchstabenreihen mit vier bis zwölf Stellen vorgelesen, die ich vorwärts und rückwärts wiederholen musste. Dann hat sie mir Texte vorgelesen und ich musste die Fragen dazu beantworten. Schließlich musste ich Muster erkennen. Es gab ein Brett mit vier mal vier quadratischen Feldern. Auf diesen Feldern wurden Muster aufgebaut, die ich fühlen konnte. Die einzelnen Teile waren entweder glatt, rau oder halb glatt, halb rau. Das Muster wurde dann weggenommen und ich musste es wiederherstellen. Mir wurden dabei die Augen verbunden. Den Wissenstest, den die anderen am Papier gemacht haben, habe ich als Word Dokument bekommen und jemand hat mich beobachtet, ob ich eh nicht schummle. Also alle Tests beim Aufnahmeverfahren, die ich aufgrund meiner Sehbehinderung gar nicht hätte machen können, wurden mir in einer barrierefreien Version zur Verfügung gestellt. Sonst wäre ich bereits am Aufnahmeverfahren gescheitert.

Sie wurden aufgenommen und sind von der Steiermark nach Wien gezogen. Wie haben Sie sich auf Ihr neues Leben als Student in einer fremden Stadt vorbereitet und in welcher Weise wurden Sie dabei von der BAABSV GmbH unterstützt?

Ich bin auf vielfältige Weise von der BAABSV GmbH unterstützt worden. Erst seit ich mich für das Studium an der FH entschieden habe, bin ich gänzlich auf blindenspezifische Techniken und Hilfsmittel umgestiegen. So bin ich schon im Mai nach Wien gezogen, obwohl das Studium erst im September begonnen hat. Ich habe den ganzen Sommer hindurch Kurse gemacht. Bei diesen Kursen habe ich meine Kenntnisse in Brailleschrift aufgefrischt und gelernt, mit der Braillezeile umzugehen. Außerdem wurde ich geschult, den kostenfreien, quelloffenen Screenreader NVDA effektiv zu bedienen. Ich habe im Sommer auch ein Stocktraining bekommen und Orientierungs- und Mobilitätstraining (O&M) gemacht. Ich wollte möglichst gut vorbereitet sein, wenn das Semester beginnt, damit ich mich dann ganz aufs Studium konzentrieren kann.

Sie haben vor Beginn des Studiums auch das FH Angebot Barrierefrei studieren in Anspruch genommen und sich von der zuständigen Person informieren lassen.

Wir haben darüber gesprochen, wie die Lernunterlagen für mich ausschauen und die Prüfungen ablaufen müssen. Dass ich bei Prüfungen eine Zeitverlängerung bekomme und dass meine Lehrkräfte informiert werden, dass ich blind bin. Ich bin aber selber auch noch auf die Lehrenden zugegangen, weil es doch etwas anderes ist, wenn man sich persönlich kennt. Außerdem habe ich mich darum gekümmert, dass ich für einige Stunden pro Woche eine Persönliche Assistenz bekomme. Sie ist vor allem sehr hilfreich, wenn ich Dokumente aufbereiten oder etwas recherchieren muss. An der FH bemüht man sich zwar, die Dokumente möglichst barrierefrei zur Verfügung zu stellen, aber es sind trotzdem immer wieder eingescannte Passagen dabei, die ich selbst aufbereiten muss, weil der Screenreader nicht funktioniert, wenn etwas eingescannt ist.

Das Gebäude, wo Sie studieren, ist mit Leitsystemen ausgestattet und die Türen sind in Braille beschriftet. Die Lehrkräfte sind informiert und aufgeschlossen. Wie geht es Ihnen mit Ihren Kolleg:innen?

Sie sind sehr offen und hilfsbereit, wenn ich etwas brauche. Wenn zum Beispiel im Unterricht ein Video mit Untertiteln gezeigt wird, dann liest mir die Person, die neben mir sitzt, das von sich aus vor. Oder die Leute sagen ihren Namen, wenn sie auf mich zukommen. Und wenn ich in einen Hörsaal hineingehe, redet mich meistens wer an und sag: „Hi Phi, da ist frei, magst dich hersetzen?“ Also ich fühle mich sehr wohl und habe einige sehr gute Freund:innen gefunden.

Haben Sie bereits berufliche Pläne?

In der Sozialarbeit gibt es zum Glück viele verschiedene Möglichkeiten. Schön finde ich auch, dass ich bereits während des Studiums von einigen Stellen umworben werde, ob ich nicht da oder dort anfangen möchte. Es ist ein extrem gutes Gefühl, wenn du erlebst, dass deine Expertise wirklich geschätzt wird und du nicht darum kämpfen musst, anerkannt zu werden.

Die Unterstützung, die Philipp Huber von der BAABSV erhielt, wurde vom Sozialministeriumservice (SMS) finanziert.

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