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Portraits

Eine junge Frau sitzt auf einer Mauer, hinter ihr erstreckt sich ein großer Platz, auf dem sich bei strahlendem Sonnenschein Menschen tummeln.
Bildinfo: Melanie Prehsegger arbeitet in der Behindertenanwaltschaft. Für Arbeit ist gesorgt, denn die Probleme von Menschen mit Behinderungen werden nicht weniger. Schon gar nicht in Zeiten der Pandemie. © BSVWNB/Ursula Müller

"Afrika hat mich sehr geprägt …"

… erzählt Melanie Prehsegger beim Interview. Die junge sehbehinderte Kärntnerin lebt seit kurzem in Wien und arbeitet bei der Behindertenanwaltschaft.

Interview mit Melanie Prehsegger

Sie lebt gerne hier, es gibt vieles, das sie überaus schätzt, gleichzeitig bleibt die Sehnsucht nach Afrika, nach der Ferne.

Ein Praktikum mit Folgen

Während ihres Studiums der Sozialen Arbeit macht Melanie Prehsegger ein Praktikum in Tansania und verbringt vier Monate in diesem bevölkerungsreichen ostafrikanischen Land. Gemeinsam mit einer Kollegin von der Fachhochschule (FH) arbeitet sie in einer großen Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Die Studentinnen verbringen mit ihnen Zeit und legen Gemüsebeete an. Sie reden mit den Mädchen, viele von ihnen sind beschnitten, über Themen wie Menstruation, Schwangerschaft und Sexualität. Ihre Erfahrungen reflektiert die junge Kärntnerin in einer der beiden Abschlussarbeiten, die sie für ihr Studium verfassen muss. Und sie geht darin auch ganz allgemein auf die Situation von Menschen mit Behinderungen in Tansania ein.

Glücklich seufzend, erinnert sie sich:

„Das war eine wunderschöne Zeit und ich liebe Afrika. Aber ich stehe meinem Praktikum auch sehr kritisch gegenüber. Ich habe dort tolle Erfahrungen gemacht, die mich in meinem Werdegang geprägt haben. Trotzdem würde ich nicht mehr als Praktikantin in Tansania, in Afrika arbeiten wollen.“

Das hat vor allem damit zu tun, dass jeder Mensch von seiner Kultur geprägt ist und dass vieles, was den Einheimischen als selbstverständlich gilt, Fremden, die ins Land kommen, verschlossen bleibt oder kaum zugänglich ist.

Das Praktikum wird über die FH organisiert, von einem der Professoren, der schon seit vielen Jahren mit Einrichtungen in Afrika zusammenarbeitet. Die Praktikantinnen werden vor ihrer Reise nach Tansania zwar auf das Land und die örtlichen Gegebenheiten vorbereitet und machen auch einen Sprachkurs in Swahili, in Suaheli. Doch vieles lernen sie erst im Land und in der jeweiligen Situation kennen. So wie damals, als sie in einen Dalla-Dalla einsteigen. Bei diesen, zu Kleinbussen umfunktionierten PKW, wird jeder Zentimeter Platz ausgenützt. Der Kleinbus ist randvoll, da steigt eine füllige Frau mit drei Wickelkindern ein, kommt auf die beiden Studentinnen zu, drückt ihnen alle drei Kleinkinder in die Arme und steigt sofort wieder aus.

Verdutzt und überfordert sitzen die beiden jungen Frauen mit den brüllenden Kleinen im Bus. „Wir haben überhaupt nicht verstanden, wieso die Frau wieder aussteigt. Erst später sind wir draufgekommen, dass sie für unseren Bus viel zu schwer gewesen wäre und dass sie deshalb den nächsten Bus genommen hat, der eh gleich hinter unserem gefahren ist. Und dass das ganz normal ist, dass man seine Kinder einfach jemandem mitgibt. Bei uns ist so etwas undenkbar. Bei uns wird man angezeigt, wenn man seine Kinder einer wildfremden Person in die Hand drückt und weggeht. Also, wir haben echt blöd geschaut, wie wir plötzlich die drei schreienden Babys auf dem Schoß hatten.“


So weit, so fremd. Was aber hat die abenteuerlustige junge Frau so fasziniert an Tansania und den Menschen dort? Das Leben ist viel langsamer, das gefällt ihr. „Bei uns ist alles so schnell. Ich bin auch schnell, will genügen, will alles perfekt machen. Und am besten zehn Sachen auf einmal. Ich arbeite am PC, das Telefon läutet, jemand klopft an der Tür und will etwas von mir. Alles soll gleichzeitig gemacht werden. Inzwischen versuche ich aber, mich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist.“ Und noch etwas hat sie sich aus Afrika mitgenommen: Die anderen zu nehmen wie sie sind, sie sein zu lassen. Sie selbst sei schon der Typ, der gern helfe und unterstütze. Der stets versuche, zu tun und zu machen.

„Aber es geht ja nicht um mich und meine Bedürfnisse. In der Sozialarbeit spricht man von den KlientInnen, die selbst bestimmen müssen, was sie wollen und was sie tun. Dass man keinem Menschen etwas aufzwingen kann, auch wenn es manchmal weh tut. Dass jeder seinen eigenen Weg finden muss.“

Das ist oft leichter gesagt als getan, vor allem in der unmittelbaren Arbeit mit Jugendlichen und Menschen, die keine Wohnung haben. In der Behindertenanwaltschaft ist ihr Aufgabenbereich anders, da beantwortet sie viele Anfragen telefonisch oder per E-Mail. Sei es zum Thema Arbeit, Kündigung, Reisen oder einer Heimunterbringung, um nur einige zu nennen. Immer wieder geht es dabei um die Frage, ob eine Person aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert wird. Es rufen auch Menschen an, die von vielen verschiedenen Problemen bedrängt werden und sich nicht mehr hinaussehen. „Meine Aufgabe besteht dann darin, zu strukturieren. Zu schauen, welches Problem zuerst gelöst werden muss, was wirklich wichtig ist. Erst dann kann man die anderen Dinge angehen. Wenn’s brennt, bin ich so quasi die Super-Nanny.“ (lacht)

Mithalten und bloß nicht auffallen

Melanie Prehsegger wächst mit ihrer jüngeren Schwester in einem kleinen Ort in der Nähe von Klagenfurt auf. Die Eltern lassen sich scheiden, als sie acht Jahre alt ist, die Mutter zieht mit ihren beiden Töchtern vom Land in die Stadt. Zwei Jahre später stirbt der Vater. Als die Mutter wieder heiratet, bringt der Stiefvater seine Tochter in die Familie mit, sie ist gleich alt wie Melanies Schwester. Die Patchworkfamilie stellt alle vor Herausforderungen, insbesondere die beiden gleichaltrigen Mädchen. „Ich war die älteste von uns drei, ich glaub, ich habe bereits damals meine sozialarbeiterische Rolle eingenommen.“ Und selbstironisch stellt sie fest, dass es nicht von ungefähr komme, dass sie Soziale Arbeit studiert habe. In ihrer zweiten Bachelorarbeit beschäftigt sie sich mit der Situation von Geschwistern, die eine Schwester oder einen Bruder mit einer Behinderung haben.


Melanies Familie meistert die schwierige Aufgabe, als Patchworkfamilie zusammenzuwachsen, „es hat gepasst“, sagt Melanie. Gepasst habe auch, wie die Eltern von Anfang an mit der Sehbehinderung ihrer Tochter umgegangen sind, die von Geburt an bloß über einen kleinen Sehrest auf einem Auge verfügt. Von der Volksschule bis zur Matura besucht das Mädchen die Regelschule, während der Pflichtschule in einer Integrationsklasse. In der Volksschule funktioniert es gut, die Lehrerin ist sehr engagiert. Doch schon in der Hauptschule wird es schwierig. Der Integrationslehrer kümmert sich in erster Linie um jene in der Klasse, die sich beim Lernen besonders schwertun. Für Melanie bleibt da keine Zeit. In den Fächern Mathematik und Geometrisches Zeichen wird das Mädchen vier Stunden pro Woche von einer ausgebildeten Lehrkraft für sehbehinderte Kinder unterstützt.

„Mir hat das sehr geholfen, auch wenn es nur wenige Stunden waren. Leider gibt es in Kärnten nur wenige Blinden- und SehbehindertenlehrerInnen. Sie müssen alle Kinder im ganzen Bundesland versorgen. Ich bin sehr dafür, dass man alle Kinder gemeinsam unterrichtet. Aber dann muss man auch die Voraussetzungen dafür schaffen.“

Melanie versucht trotz alledem, mit den anderen mitzuhalten, ihr Bestes zu geben, nicht aufzufallen. Denn welcher Teenager wolle schon mit seiner Behinderung auffallen?! Es sei immer eine Gratwanderung, in der Schule, beim Studium, bei der Arbeit. „Wie behindert will man sein? Ich sage das bewusst so. Wie viel will ich von meiner Behinderung zeigen, was will ich einfordern? Du musst dich selber um deine Sachen kümmern. Sonst gehst du unter. Wenn du eine Behinderung hast, musst du dich zuerst bewähren, musst noch viel mehr arbeiten und kämpfen als andere, erst dann kannst du etwas einfordern.“

Die Eltern gehen offen mit Melanies Sehbehinderung um und erziehen sie zu einem selbstständigen Menschen. Die Mutter ermutigt ihre Tochter, sich auf die Füße zu stellen und sich zu wehren, wenn sich andere Kinder gemein und gehässig über ihre Sehbehinderung äußern. Und sie fordert sie auf, ihre Talente zu leben. „Meine Mutter hat mir immer gesagt, du hast so viele Fähigkeiten, du musst deine Qualitäten nutzen und in den Vordergrund stellen.“ Bei ihrem Aufenthalt in Tansania macht die Studentin eine ganz neue Erfahrung, die sie sehr berührt: Ihre Sehbehinderung spielt für die anderen keine Rolle. Niemand spricht sie auf ihre Augen an.

„Dort hat es keinen gejuckt, ob ich was hab oder nicht. Das war allen wurscht. Denn es hatte ja eh jeder irgendetwas.“


Viel gewagt, viel erreicht

Melanie Prehsegger ist sich bewusst, welche Rolle ihre Familie in ihrem Leben spielt. Dass sie von klein auf gefördert, aber auch gefordert wird. Dass sie eine sehr gute Ausbildung erhält, dass sie viele verschiedene Sportarten ausprobieren kann und selbstständig sein muss, selbstständig sein darf. Denn dies sei alles andere als selbstverständlich, weiß die sportliche junge Kärntnerin, die sich auch im Österreichischen Behindertensportverband (ÖBSV) engagiert. Bei den Sportwochen erlebt sie, wie ängstliche Eltern für ihre halbwüchsigen Kinder das Essen holen, das Schnitzel aufschneiden, das Gewand penibel herrichten. „Aber das bringt den Kindern gar nichts“, stellt sie energisch fest. „Denn sie sind dann auch als junge Erwachsene von ihren Eltern total abhängig. Und müssen mit Mitte Zwanzig auch noch von den Eltern zum Training gebracht werden. Also ich hätte keine Lust, von meinen Eltern hin und her kutschiert werden zu müssen.“

Keine Frage, es ist anstrengend, auf eigenen Füßen zu stehen. Sich die Dinge selbst zu organisieren, Praktika in England, Tansania und Ruanda zu machen, die einzige Studentin an der FH mit einer massiven Sehbehinderung zu sein. Sich in Wien bei der Behindertenanwaltschaft zu bewerben, ein Probemonat in einer fremden Stadt zu machen, sich im Job, aber auch ehrenamtlich zu engagieren. Allein schon täglich die Wege zu bewältigen, ist mühselig, wenn man kaum etwas sieht. Aber es ist auch befriedigend, Dinge aus eigener Kraft zu schaffen. „Ich bin echt zufrieden, hab einen super Job, einen tollen Freund und einen lieben Freundeskreis.“

Die weltoffene und weitgereiste junge Frau mag es, wenn viel los ist.

„Ich bin schon sehr quirlig, manchmal auch ein bissl chaotisch. Dann muss ich halt wieder zur Ruhe kommen, mich strukturieren.“

Manchmal sehnt sie sich nach der Studienzeit zurück, wo sie viel mehr Zeit hatte. Aber es ist ihr wichtig, auch finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Und jung ist sie auch, erst 24 Jahre alt, und da ist noch genug Zeit, noch einmal auf die Uni zu gehen, den Master zu machen, einen Hamster, eine Katze oder einen Hund zu haben, Reisen zu unternehmen und Träume zu verwirklichen.   

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