Als Gast war der Leiter der BSVÖ Hörbücherei Mag. Alexander Guano vor Ort, der sich schon seit Langem mit dem Vertrag und seinen Auswirkungen beschäftigt.
Die Vorteile des Vertrags von Marrakesch
Die Geschichte des Vertrags von Marrakesch ist schnell erzählt: Im Juni 2013 kam es in der marokkanischen Stadt Marrakesch bei der diplomatischen Konferenz der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zur Unterzeichnung des Vertrags. 2016 wurde er von Kanada als 20. Land ratifiziert und ist somit in Kraft getreten. Auch die Europäische Union hat den Vertrag mittlerweile durch eine Verordnung und eine Richtlinie umgesetzt.
In der Vergangenheit waren barrierefreie Bücher für blinde und sehbehinderte Personen oft schwierig zu bekommen, sofern sie von Verlagen überhaupt produziert wurden. Erschwert wurde das Ganze durch fehlende Reglementierungen im nationalen Urheberrecht, was einen Austausch von barrierefreien Büchern über Landesgrenzen verhinderte.
Mit dem Vertrag der WIPO soll sich all das nun ändern. Laut Mag. Guano werden von diesem Vertrag vor allem blinde, sehbehinderte und lesebehinderte Menschen profitieren.
„Durch die Ratifizierung wird der internationale Austausch zwischen Institutionen verbessert werden“, erklärt der Leiter der Hörbücherei.
Dieser Austausch ermöglicht dann auch Einzelpersonen einen barrierefreien Zugang zu sehr viel mehr Werken als bisher über die Hörbücherei. Zudem waren lesebehinderte Personen bisher generell von der Nutzung der Hörbücher in den Hörbüchereien ausgeschlossen.
Die Vertragsparteien verpflichten sich im Vertrag von Marrakesch „in ihrer nationalen Gesetzgebung zum Urheberrecht Beschränkungen oder Ausnahmen bezüglich Vervielfältigung, Verbreitung und Zugänglichmachung zu schaffen, um den Begünstigten Werke in einer zugänglichen Form leichter bereitzustellen“, was mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle von 2018 in Österreich auch geschehen ist.
Neue Projekte für die Hörbücherei
Die Hörbücherei hat auch abseits von den neuen Möglichkeiten durch den Vertrag von Marrakesch einiges zu bieten. 15.000 Werke können dort ausgeborgt werden, aber es werden auch sukzessive neue Hörbücher produziert. Prinzipiell können neue Hörbücher immer dann aufgenommen und produziert werden, wenn das Werk noch nicht in vollständiger und barrierefreier Form zugänglich ist. Wenn jemand eine Anfrage für ein neues Hörbuch stellt, muss die Hörbücherei zunächst bei Medibus, der Mediengemeinschaft für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen, nachfragen, ob dieses Werk nicht gerade von einer anderen deutschsprachigen Partnerorganisation bearbeitet wird. So sollen Doppelproduktionen vermieden werden.
Viele auf dem Markt erschienene Hörbücher werden gerade in der Hörbücherei vom mp3-Format in das navigierbare Daisy-Format (Digital Accessible Information System) umgewandelt. „Wir streben außerdem eine Erhöhung des Filmangebots an.“ Auch die Anbindung an einen weiteren Katalog (ABC = Accessible Books Consortium), der alle barrierefreien Bücher weltweit umfassen soll, wird in der Hörbücherei gerade umgesetzt. „Damit werden wir Zugang zu vielen Medien haben, die bis jetzt nicht verfügbar waren“, verspricht Mag. Guano. Momentan warte man laut Alexander Guano noch auf die finale Antwort der WIPO, dann könne es innerhalb dieses Jahres zur Vertragsunterzeichnung kommen. „Wir sind bereit, unsere Daten für den Katalog zur Verfügung zu stellen“, freut er sich.