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Die Jugend erkundet das Formel 1-Gefühl
Zoran wartet bereits. Bevor die anderen Jugendlichen eintreffen, hat er sich schon vor der Halle im 23. Wiener Gemeindebezirk positioniert. Er kennt sie schon, die Kart-Bahn MONZA. Vier Mal ist er mittlerweile hier herumgekurvt: „Wenn ich Lust habe oder schlechtes Wetter ist, komme ich schon mal her“, berichtet Zoran. Seine Aufregung hält sich also in Grenzen, aber dafür freut er sich umso mehr. Denn mit der Verrückten Jugend Aktion (VJA) war er noch nie auf der Go Kart-Bahn unterwegs. Dafür wird es nun Zeit!
Aus der geöffneten Türe der Kart-Halle dröhnen laute Geräusche zu Zoran. Motoren brummen vor sich hin. Immer wieder heult plötzlich ein Motor auf, Reifen quietschen auf dem Beton. Die Lautstärke verspricht Adrenalin und Tempo – und genau aus diesem Grund sind die sehbehinderten Jugendlichen mit der VJA hergekommen.
Großer Ansturm aufs Adrenalin
Die Gruppe ist groß, acht Interessierte konnten sich anmelden. Die Burschen brachten die Idee zum Go Kart-Fahren in die VJA ein und dementsprechend schnell hatten sie auch die begehrten Plätze reserviert. Aufgeregt treffen sie bei der Halle MONZA ein, sie plaudern und lachen. Ein bisschen Zeit haben die Jugendlichen noch, die gesamte Go Kart-Bahn ist ab 17 Uhr eine halbe Stunde nur für sie reserviert.
Die Wartezeit bis zum Adrenalinkick wird gut genutzt: Ein Mitarbeiter der Kart-Halle MONZA erklärt den sehbehinderten Jugendlichen die Regeln und die Mechanik des Go Karts: „Rechts ist das Gas, links die Bremse. Niemals gleichzeitig betätigen, das gibt Probleme!“ Mit Ampeln haben die Jugendlichen in der Halle nicht zu rechnen. Dennoch gibt es eine Warnlampe. Sollte sie rot aufleuchten, heißt es: Sofort stehen bleiben!
Nach der kurzen Einschulung erhalten die Jugendlichen die Schutzhelme. Die optischen Brillen werden vorsichtig eingefädelt. Zoran hat wohl die meiste Erfahrung im Go Kart-Fahren. Daher wird er besonders Rücksicht nehmen: „Ich werde schon aufpassen und auch gleichzeitig schauen, dass keiner irgendwo reinfährt“. Immerhin sind die Go Karts mit 9 PS ausgestattet – und können so in der 4.000 m² großen Kart-Arena eine ziemliche Geschwindigkeit entwickeln.
Formel 1-Feeling
Jeder Jugendliche erhält ein Go Kart zugewiesen. Kaum fällt das Startsignal darf ein Fahrender nach dem anderen ausparken und auf die Bahn sausen. Eine Runde drehen sie anfangs einmal, um sich an das neue Fahrgefühl zu gewöhnen – und schon brausen die Jugendlichen die Bahn aufwärts zur zweiten Ebene. Motorengeheul, die Vibration des Gefährts und der Geruch des Benzins – fast wie bei der Formel 1! Nicht nur Zoran gibt Gas, sondern auch die anderen Jugendlichen treten das Pedal. Runde um Runde.
Plötzlich passiert es: Can fährt gegen die Reifenbande! Sein Fahrzeug blockiert dadurch abrupt:
„Das war natürlich ein Schock. Ich hatte den Kollegen neben mir gesehen. Er ist mir genau seitlich reingefahren. Ein bisschen tut‘s weh, aber das gehört dazu. Man lernt daraus!“
Kleine Auffahrunfälle kommen auf der Kartbahn manchmal vor. Um weitere zu verhindern, leuchtet die rote Warnlampe auf, damit alle stehenbleiben. Ein Mitarbeiter braust im Go Kart heran und befreit Cans Kart, denn einen Rückwärtsgang gibt es nicht.
Cans Fahrspaß bleibt dadurch ungetrübt. Begeistert schwärmt er anschließend: „Ich bin das erste Mal heute gefahren. Es war eine Mordsgaudi, es hat Spaß gemacht. Natürlich macht man die erste Runde langsam, damit man sich dran gewöhnt – und dann gibt man Gas.“
Ungebremstes Fahrvergnügen
Die Partizipation der Jugendlichen ist wesentlicher Bestandteil der VJA. Der Wunsch nach dem Go Kart-Fahren wurden daher von den Jugendgruppen-Leiterinnen Tanja Kotek und Karoline Kadelski umgesetzt: „Unser Ansatz ist, dass wir nicht die sein wollen, die zu allem ‚Nein‘ sagen. Sondern wir wollen Wege finden, dass etwas möglich wird. Wir haben gewusst, dass die Burschen, die heute fahren werden, einen Sehrest haben und sich auch meistens ohne Stock in der Stadt orientieren. Und daher sind wir davon ausgegangen, dass alles gut gehen wird.“
Aufgrund ihrer Sehbehinderung sind die Jugendlichen als Fahrzeuglenker vom Straßenverkehr ausgeschlossen. Voraussetzung für den Führerschein ist die amtsärztliche Prüfung. Dennoch oder gerade deswegen ist das Interesse groß, das Autofahren und Go Kart-Fahren einmal auszuprobieren.
Das Autofahren konnten die Jugendlichen bereits vor einiger Zeit in der Fahrschule Sauer austesten. Mit einem Fahrlehrer an der Seite konnte nichts schief gehen. Denn dieser konnte jederzeit ins Lenkrad greifen oder bremsen.
„Aber die Erfahrung ist jetzt eine ganz andere. Beim Go Kart sind die Burschen ganz auf sich alleine gestellt und haben keine Orientierungshilfe. Und das ist natürlich nochmal aufregender, “
erklärt Tanja Kotek den Unterschied.
Gold für die Go Kart-Fahrer
Die halbe Stunde auf der Bahn vergeht wie im Flug. Schon leuchtet die gelbe Signallampe auf und deutet: Alle zurück in die Boxen! Doch damit ist der Spaß noch nicht zu Ende. Es heißt abwarten, denn nun werden die schnellsten Go Kart-Fahrer gekürt.
In einem separaten Raum im ersten Stock befindet sich eine Siegertreppe. Tanja Kotek und Karoline Kadelski haben die Rangliste erhalten und rufen die Namen aus. Der 17-jährige Onur hat den ersten Platz gemacht und steigt auf den höchsten Treppenplatz. Er ist vorher noch nie Go Kart gefahren: „Wie habe ich das geschafft? Einfach nur rumgedriftet, einfach aufs Gas gedrückt, gar nicht gebremst. Das war’s eigentlich schon.“
Eine Siegertreppe für alle
Zoran hat den zweiten Platz errungen, mit seinen Erfahrungen hatte er das bereits erwartet. Die aufregendste Stelle war der Tunnel, der von der oberen Ebene nach unten führte:
„Das war schwer, weil man da nicht abbremsen konnte, sonst würdest du ins Schleudern kommen. Und es war etwas rutschig auf der Fahrbahn.“
Diese Stelle haben alle bravourös gemeistert. Manche ganz besonders schnell: Die Sieger erhalten daher eine goldene Medaille und eine Urkunde. Doch nicht nur die Gewinner dürfen die Treppenplätze erklimmen – sondern jeder kann einmal aufs Siegertreppchen. Schließlich haben die Jugendlichen viel Mut bewiesen, sich den Herausforderungen der Geschwindigkeit gestellt. Und ihre Reaktionsfähigkeit ein bisschen mehr geschult.
Als Zoran mit den anderen Jugendlichen die Go Kart-Halle verlässt, herrscht eine fröhliche Stimmung. Das Adrenalin pumpt nicht mehr so wild in den Adern. Die Aufregung lässt langsam nach. Einer nach dem anderen verabschiedet sich. Aber die Erinnerungen, die bleiben.
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