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Die Mobilitätsagentur: Eine Verbündete im Bemühen um Barrierefreiheit
Die Mobilitätsagentur
Es handelt sich dabei um eine Firma der Gemeinde Wien. Die 15 Angestellten legen ihr Augenmerk auf die Förderung von Rad- und Fußverkehr in unserer schönen Stadt.
Die Städte funktionieren nach den Bedürfnissen der Autos
Historisch betrachtet haben Autos im Zuge des Wirtschaftswunders sowie der damit einhergehenden allgemeinen Modernisierung eine immer dominantere Rolle in unseren Städten gespielt. Städte wurden zu autogerechten Orten umgestaltet und die Bedürfnisse nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer:innen nicht beachtet. Inzwischen wird diese Entwicklung von vielen Menschen hinterfragt. Ist es nicht absurd, dass es ausgedehnte Straßenflächen gibt, wo doch ein PKW durchschnittlich nur wenige Minuten pro Tag (in Deutschland z.B: 3% der Tageszeit) fährt? D.h. die meiste Zeit stehen Autos, wofür wiederum ausgedehnte Flächen asphaltiert werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Stadtbewohner:innen und auch Expert:innen für mehr (Grün)Raum für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen stark machen.
Engagierte Partnerin für mehr Raum im öffentlichen Raum
In diesem Themenfeld ist die Mobilitätsagentur tätig. Maria Grundner selbst arbeitet seit 2012 bei der Mobilitätsagentur. Sie ist ausgebildete Bautechnikerin und hat sich auf barrierefreies Bauen spezialisiert. Ein riesengroßes Anliegen ist es ihr, dass der Fußverkehr barrierefrei wird.
Generell gesagt, ist die Mobilitätsagentur eine Drehscheibe der Wissensvermittlung. Kommunikation findet in Richtung Stadt und Öffentlichkeit statt. Es gibt ein spezielles Bildungsprogramm für Grundschulen, im Rahmen dessen den Pädagog:innen Bildungsmaterialien angeboten werden. Ein weiteres Angebot sind die s.g. Geh-Cafés. Dabei handelt es sich um geführte Spaziergänge an ausgewählten Orten in Wien. Der Radverkehr in Wien ist ein weiteres großes Anliegen. Last but not least gibt es jede Menge innerstädtische Gremien- und Lobbyarbeit, die von der Mobilitätsagentur erfüllt wird.
Großes Lob gab es aus unserem Publikum für die Bildungsprogramme „Die Stadt und du“ oder auch „Die Stadt und meine Wege“. Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, mit Schüler:innen und Lehrpersonen zu arbeiten. Kinder sind sehr offen für das Thema Behinderungen und alles, was damit in Zusammenhang steht. An derzeit noch bestehenden Mängeln wie etwa hinsichtlich des nicht gänzlich barrierefreien Newsletters wird aktuell gearbeitet.
Rege Teilnahme aus dem Publikum
Besonders schön an unserem Themenabend war einmal mehr die rege Beteiligung des Publikums. Wie sich zeigte, sind die E-Scooter nicht nur im Kreise der blinden und sehbehinderten Personen ein brennendes Anliegen, sondern auch für viele sehende Menschen sind sie ein stetes Ärgernis. Es gibt immer mehr Beschwerden über unsachgemäß abgestellte Geräte. Die Mobilitätsagentur versucht hier zu helfen. Für blinde und sehbehinderte Personen sind sowohl die überall abgestellten als auch die rücksichtslos fahrenden Scooter eine große Gefahr, wie uns Berichte aus dem Publikum leider wieder verdeutlicht haben. Die Stadt Wien hat angekündigt, dass es demnächst strengere Regeln für die Nutzung von E-Scootern geben wird.
Ein anderes großes Anliegen sind die s.g. Null-Absenkungen der Fahrbahnkanten. In Wien werden immer mehr Begegnungszonen gebaut, bei denen es keine tastbaren Höhenunterschiede zwischen Gehsteig und Fahrbahn mehr gibt. Für Menschen, die nichts oder sehr wenig sehen, ist das eine große Gefahrenquelle. Laut Frau Grundner war eine 3 cm hohe Kante früher der Standard, der eingehalten werden musste. Neue Standards erlauben auch niedrigere Kantenhöhen. Dann braucht es aber taktile Leitlinien, deren Ausführungen leider nicht immer sachgemäß sind. Die Stadt Wien stellt aber immerhin einen digitalen Stadtplan zur Verfügung. Absenkungen von Kanten können dort eingesehen werden. Das löst zwar nicht das Problem, trägt aber zur Sichtbarmachung bei. Ein Ziel der Mobilitätsagentur ist es, die bestehende Richtlinie zum Straßenraum aus 2010 auf den heutigen Standard zu bringen. Auf EU-Ebene gibt es bereits eine gute Vorgabe für barrierefreies Bauen. Allein die Konkretisierungsnorm dafür fehlt in Österreich.
Eine große Palette an Problemen
Worüber diskutierten wir noch bei diesem Themenabend? Akustische Ampeln, die nicht funktionieren. Baustellen, die nicht ordnungsgemäß abgesichert sind. Hindernisse, die am Boden nicht ertastet werden können, weil sie in der Höhe hängen - ein Beispiel wären Briefkästen oder Mistkübel. Der Shared Space, den sich Verkehrsteilnehmende mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen teilen können/müssen. Fahrradwege, die blinde Menschen kreuzen müssen, aber nicht ertasten können. Die Mobilitätsagentur plädiert dafür, dass letztere taktil erfassbar sein sollen. Wie einer unserer Teilnehmer sinngemäß meinte, beginne für blinde Menschen, sobald sie aus dem Haus gehen, ein wahrer Hindernislauf im öffentlichen Raum. Bautechnische Standards in Österreich haben laut Maria Grundner für den Straßenraum Entwicklungspotential. Oder anders gesagt: die zivilrechtliche Antidiskriminierungssphäre stimmt mit der technisch-baurechtlichen noch nicht zusammen. Es gäbe durchaus schon technische Möglichkeiten, um wahre Barrierefreiheit umzusetzen. Und es wird auch viel Zeit in die Planung gesteckt. Oft mangelt es leider noch am Austausch mit betroffenen Personen von Seiten der Planer:innen, gleichzeitig wäre ein echtes Zurückdrängen des KFZ-Verkehrs nötig, damit Flächen im öffentlichen Raum für Barrierefreiheit frei werden.
Kontaktmöglichkeiten
Sollten Ihnen Mängel im Straßenverkehr auffallen, können Sie diese an die Mobilitätsagentur oder eine weitere der folgenden Stellen melden, wobei Örtlichkeit und Problem genau beschrieben werden sollten. Wie Frau Grundner versichert, haben Interessenvertretungen durchaus Einfluss hin zu Verbesserungen. Unter: office(at)mobilitaetsagentur.at kann man die Mobilitätsagentur kontaktieren bzw. eine Beschwerde vorbringen.
Beim Stadtservice Wien kann alles, was den öffentlichen Raum betrifft, gemeldet werden, vor allem auch widerrechtlich abgestellte E-Scooter: Telefon: 01/ 4000-4001 oder stadtservice(at)post.wien.gv.at
Wenn es um die akustischen Ampeln geht, ist „Wien leuchtet“ zuständig. Telefon: 0800 33 80 33 oder lichttelefon(at)wien-info.at
Mangelhafte taktile Leitsysteme sollten mit detaillierten Angaben bei der MA 28 auf dem magistratischen Bezirksamt gemeldet werden. Telefonisch unter 01/ 4000 49600 oder per E-Mail unter: post(at)ma28.wien.gv.at
Last but not least gibt es auch die App „Sag´s Wien“ (https://www.sags.wien/), mit welcher auch Probleme im öffentlichen Raum und an der Infrastruktur gemeldet werden können. Leider ist diese App momentan aber noch nicht barrierefrei. :-( Also einstweilen vielleicht besser bei den altbewährten Möglichkeiten bleiben!
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