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Zwei Männer unter Wasser in kompletter Tauchergarnitur schwimmen dicht nebeneinander.
Bildinfo: Martin Geyer taucht mit Markus Fitzka vom Wiener Recreation Rehabilitation Tauchclub (RRTC) im Alpenaquarium Grüblsee. © Harald Nagl

„Dieses Gefühl der Schwerelosigkeit ist faszinierend.“

Einzutauchen, die Welt unter Wasser zu ergründen und zu erleben, ist für Martin Geyer immer wieder ein spannendes und faszinierendes Abenteuer.

Interview mit Martin Geyer

Beim Tauchsport denkt man oft an bunte Fische und leuchtende Korallenriffe oder an Schätze, die aus dem Meer oder einem See geborgen werden. Es geht scheinbar immer darum, die Welt unter Wasser zu beobachten und mit den Augen zu erleben. Ihr Sehvermögen, Herr Geyer, ist sehr gering, dennoch tauchen Sie seit etlichen Jahren immer wieder ab. Was reizt Sie daran?

Martin Geyer: Ich habe eine Optikusatrophie, eine degenerative Sehnerv-Erkrankung. Wenn ich ganz nah an Fische oder Objekte herantauche, erkenne ich ein bissl was. Aber schauen und beobachten stehen bei mir nicht an erster Stelle. Es ist einfach schön, dieses Gefühl der Schwerelosigkeit zu erleben. Man kommt zur Ruhe, Tauchen hat etwas Meditatives. Und man entschwindet der Welt ein wenig, man taucht ab, man taucht unter und lässt den Alltag hinter sich.

Sie arbeiten als Masseur im Massage-Fachinstitut im Louis Braille Haus und haben am Arbeitsplatz davon gehört, dass der Tauchsport auch von Menschen, die blind oder sehbehindert sind, ausgeübt wird.

Martin Geyer: Mein damaliger Chef hat erzählt, dass im Wiener Theresienbad Menschen mit Behinderungen tauchen trainieren. Ich wollte mir das unbedingt anschauen, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie blinde oder stark sehbehinderte Menschen tauchen können. Ich habe dann mit dem Verein, mit dem Recreation Rehabilitation Tauchclub (RRTC), Kontakt aufgenommen. Das war im Jahr 2013. Ich muss sagen, die Leute vom Verein waren, auf gut Wienerisch gesagt, einfach leiwand. Ich konnte ein bissl was ausprobieren, es war alles sehr unkompliziert. Einer vom Verein hat mich im Theresienbad unter Wasser herumgeführt und das hat mich so fasziniert, dass ich beschlossen habe, das Tauchen zu erlernen.


Sie haben dann im darauffolgenden Jahr die Ausbildung gemacht und seitdem gehen Sie regelmäßig tauchen. Sie trainieren im Theresienbad und machen Tauchgänge in österreichischen Seen. Für viele stellt sich die Frage, wie Sie sich orientieren und wie Sie sich unter Wasser verständigen, denn üblicherweise verwenden Taucher:innen eine Zeichensprache.

Martin Geyer: Ja, man verwendet Handzeichen. Will man fragen, ob alles Okay ist, formen Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Wenn man auf die Frage antworten will, dass alles Okay ist, macht man ebenfalls diesen Kreis mit den beiden Fingern. Der nach unten ausgestreckte Daumen fordert den Tauchpartner dazu auf, abzutauchen. Der nach oben ausgestreckte Daumen zum Auftauchen. Das sind nur ein paar Beispiele.

Mein Tauchbuddy kann mir natürlich keine visuellen Tauchzeichen geben, er macht das durch berühren und drücken. Einmal am Oberarm drücken bedeutet: Ist alles okay? Ich antworte mit dem internationalen Zeichen, forme also mit Daumen und Zeigefinger ein O, alles okay.

Ich kann auch ein Geräusch machen, wenn ich die Aufmerksamkeit von meinem Tauchbuddy erregen will, also zum Beispiel an die Flasche klopfen, und er kann sich ebenfalls akustisch bemerkbar machen. So verständigen wir uns.

Wie orientieren Sie sich unter Wasser und wie bleiben Sie mit Ihrem Tauchpartner in Verbindung?

Martin Geyer: Es ist sehr, sehr wichtig, dass man sich unter Wasser nicht verliert. Wir sind miteinander verbunden, man hängt sich beim Arm des Buddys ein, man hat die Hand dort liegen, wir haben während des Tauchgangs kontinuierlichen Körperkontakt, ich brauch das. Ich kann mich unter Wasser nicht orientieren. Für mich verschwimmt alles, ich weiß nicht, was oben, was unten ist. Frei zu tauchen war mir nie möglich.


In den USA wird der Tauchsport schon sehr lange von Menschen mit Behinderungen ausgeübt. Hierzulande ist das anders.

Martin Geyer: Wenn man eine Behinderung hat, hört man oft, dies und jenes kannst du nicht machen. Beim Tauchen war es auch so, da hat es geheißen, man muss sehen, sonst kann man nicht tauchen. Das war für mich sicher ein großer Anreiz, es mir und anderen zu beweisen, dass es doch  geht. Aber natürlich brauche ich beim Tauchen eine Begleitung.

Wie organisieren Sie Ihre Tauchgänge, wie finden Sie einen Tauchpartner?

Martin Geyer: Ich habe seit etlichen Jahren einen wunderbaren Tauchbuddy. Wir kennen uns schon viel länger. Er ist der Vater des Freundes meiner Schwester und taucht seit vielen Jahren. Unsere Tauchpartnerschaft ist anlässlich meines 40. Geburtstags zustande gekommen. Er wollte mir ein Geschenk machen und meine Eltern haben ihm erzählt, dass ich gerne tauchen geh. Im Gegensatz zu den meisten anderen hat er gefunden, dass das sehr wohl möglich ist.  Er hat dann mit mir im Ottakringer Bad einmal geübt, da hat er geschaut, wie ich mich verhalte. Man muss schon miteinander können und man muss sich aufeinander verlassen können. Das hat alles gut funktioniert und seitdem tauchen wir immer wieder zusammen in einem offenen Gewässer.

Wir sind öfters im Neufelder See. Dort gibt es eigens für Taucher:innen ein paar Dinge wie eine Röhre zum Durchtauchen oder eine Figur des Poseidon zum Anschauen und Angreifen. Beim Tauchen achten wir immer darauf, dass wir nie den Boden berühren, um keine Tiere zu erschrecken und damit die Natur intakt bleibt. Ich habe auch einen Teil meiner Ausbildung am Neufelder See gemacht, der ungefähr 21 Meter tief ist und wir waren in einer Tiefe von 17 Meter. Damals war mein Ausbildner mein Tauchpartner.


Wer abtauchen will, muss eine Ausbildung machen. Man erhält wichtige Informationen, um diesen Sport gefahrlos betreiben zu können und übt, einen anderen zu bergen. Ebenso lernt man, die Geräte zu bedienen. Diese Gerätetauchausrüstung besteht aus einer Druckluftflasche, einem Atemregler, auch Lungenautomat genannt, sowie einer Tarierweste, oder Jacket, zur Regulierung des Auftriebs. Doch das ist noch längst nicht alles was man zum Tauchen braucht.

Martin Geyer: Wir tragen einen Tauchanzug, mein Neoprenanzug ist sieben Millimeter dick. Außerdem noch Füßlinge, das sind so Neoprenstieferl, und eine Kopfhaube. Denn es kann schon sehr kühl werden, wenn man in den österreichischen Seen unterwegs ist. Oft hat es nur wenige Grade oder um die Null Grad Celsius. Außerdem verwenden wir Flossen und eine Maske, die oft als Taucherbrille bezeichnet wird. Wir tragen einen Bleigurt und haben immer einen Tauchcomputer dabei. Den kann man wie eine Uhr am Handgelenk tragen, aber es gibt auch größere. Der Tauchcomputer protokolliert alles mit, zeigt alles an, nicht nur die Tiefe, die Temperatur des Wassers und das Gemisch in der Flasche, sondern auch wie schnell man auf- und abtaucht, was ja eine sehr große Rolle spielt.

Je tiefer man taucht, desto höher wird der Wasserdruck. Wer gefahrlos ab- und auftauchen will, muss also wichtige Regeln beachten.

Martin Geyer: Man muss langsam auftauchen. Man sollte nach den heutigen Regeln für 20 Meter zwei Minuten zum Auftauchen brauchen. Dass man also pro Minute nur zehn Meter aufsteigt, denn tief unten wird durch den Wasserdruck die Lunge zusammengepresst, manche Lungen werden bis auf die Größe einer Orange zusammengepresst. Der Wasserdruck kann eine Lungenschädigung verursachen, wenn man zu schnell auftaucht, bis zu Lungenrissen. Man muss den Körper wieder an den Druck und die Dehnung gewöhnen. Außerdem ist es wichtig, rechtzeitig einen Druckausgleich zu machen. Man macht das, indem man Daumen und Zeigefinger an die Nase hält oder man bewegt das Kiefer hin und her. Man spürt es sonst in den Ohren und es kann auch die Ohren schädigen. Am Anfang macht man beim Hinuntertauchen alle paar Meter einen Druckausgleich. Man geht also langsam runter, macht den Druckausgleich, und man geht auch wieder langsam rauf.


Nur wer die Gefahren kennt und weiß, wie man sich in den unterschiedlichen Situationen verhalten muss, kann die Welt unter Wasser genießen und wieder sicher und gesund auftauchen. Haben Sie schon einmal eine gefährliche Situation erlebt?

Martin Geyer: Nein, zum Glück noch nicht. Aber es ist wichtig, dass man in Übung bleibt. Wenn ich im offenen Gewässer nicht so viel zum Tauchen komme, fahre ich ins Theresienbad. Ich check meine Geräte, übe das Austarieren, das heißt, dass man gerade so viel Luft hinein- und hinauslässt, um auf einem Niveau zu bleiben. Im Schwimmbad kann ich mich an den Fliesen, an diesem Hell Dunkel gut orientieren. Es ist für mich wichtig, auch selbstständig tauchen zu können, nicht immer von einem Tauchbuddy abhängig sein zu müssen. Unser Verein, der RRTC, hat ja bestimmte Trainingszeiten im Theresienbad und auch meine Flasche befindet sich dort. Die anderen Ausrüstungsgegenstände schlepp ich in einer Riesentasche mit. So kann ich selbstständig tauchen üben. Außerdem treffe ich dort immer andere vom Verein, mit denen ich meine Interessen teilen kann.

Ihr Verein, der Recreation Rehabilitation Tauchclub (RRTC), bietet unter anderem eine Tauchausbildung sowie Schnupper- und Übungstauchen an und organisiert Tauchausflüge.

Martin Geyer: Ich war mit dem Verein schon einige Male beim Grüblsee in der Steiermark, das ist ein künstlicher Alpensee, der als Alpenaquarium bezeichnet wird. Dort gibt es eine Tauchbasis und im See wurden für die Taucher:innen Hindernisse, Figuren und Plattformen angebracht. Man kann sich auf diesen Plattformen niederlassen und Fische füttern. Die Fische sind total an die Menschen gewohnt, sie schwimmen her, zupfen am Neoprenanzug und wollen gefüttert werden. Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Tauchgang im Grüblsee erinnern, damals war Markus Fitzka vom Verein mein Tauchbuddy. Wir waren 51 Minuten unter Wasser und in acht oder neun Meter Tiefe. Viel tiefer ist der See gar nicht. Es war herrlich, Markus ist mit mir zweimal durch den See getaucht.


Bis jetzt bin ich mit drei verschiedenen Tauchbuddys getaucht, sehr einfühlsame, ruhige Leute, die sich schnell auf was einstellen können. In solchen Situationen sieht man, wie wunderbar das Zwischenmenschliche ist oder sein kann. Es ist schön, gemeinsam unter Wasser zu sein, sich nonverbal auszutauschen, zu schweben oder langsam und ruhig vorwärts zu schwimmen.

Und dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit ist sehr schön, man weiß, dass man in jeder Situation füreinander da ist und sich hilft. Wer sich fürs Tauchen interessiert, sollte es unbedingt ausprobieren, auch wenn viele sagen, tauchen sei nix für Menschen mit Sehbehinderungen. Einfach selber probieren, so lassen sich Grenzen überschreiten.


Danke für das Gespräch.


Der Tauchverein RRTC im Wiener Theresienbad bietet allen Menschen, mit und ohne Behinderungen, die Möglichkeit, das Tauchen auszuprobieren oder zu erlernen.    

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