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Portraits

Ein junger Mann mit halblangen Haaren, getönter Sonnenbrille und T-Shirt steht mit einem weißen Stock in einem weitläufigen Park.
Bildinfo: Maximilian Baier besucht die Handelsakademie Ungargasse. © privat / Foto zur Verfügung gestellt.

„Eisenbahnen sind mein liebstes Hobby.“

Maximilian Baier ist ein leidenschaftlicher Eisenbahnfan. Der Schüler der Handelsakademie Ungargasse, der von Geburt an blind ist, begeistert sich seit seiner Kindheit für dieses Metier.

Maximilian Baier im Portrait

Die Schüler:innen der vierten Klasse Handelsakademie (HAK) haben ungefähr 35 Schulstunden pro Woche, müssen Praktika absolvieren sowie für Prüfungen und Schularbeiten lernen. Außerdem beschäftigen sie sich bereits mit der Matura, die im kommenden Mai stattfindet. Bleibt da überhaupt noch genug Zeit für das geliebte Hobby? „Ja unbedingt“, meint Maximilian. „Ich geh manchmal nur für eine halbe Stunde in den Garten, schnapp mir eine Lok, stell sie draußen aufs Gleis, nehme mir die Steuerung und fahre eine halbe Stunde Bahn. Aber jetzt am Sonntag war ich sechs oder sieben Stunden durchgehend draußen.“

Maximilian, er ist 18 Jahre alt, und seine um eineinhalb Jahre jüngere Schwester Valentina, die ebenfalls blind ist, wechseln nach der achten Schulstufe vom Bundesblindeninstitut (BBI) in die Regelschule, in die Handelsakademie Ungargasse. Beide besuchen zurzeit die vierte Klasse. Bei Schularbeiten erhalten sie mehr Zeit als die anderen und die einzelnen Lehrkräfte bereiten die Arbeits- und Lernunterlagen so auf, dass die Geschwister sie auch verwenden können. Dies sei immer wieder eine Herausforderung. „Wir haben es von Anfang an so besprochen, dass wir den Lehrkräften sagen, was wir brauchen. In Unternehmensrechnung haben wir eine Lehrerin, die das ganz super macht. Sie gibt uns manchmal unterschiedlich aufbereitete Versionen eines Themas, damit wir am Laptop und der Braillezeile selber ausprobieren können, was für uns am besten funktioniert. Wir geben ihr dann ein Feedback und bekommen alle weiteren Beispiele zu diesem Thema so, wie wir es besprochen haben. Das ist wirklich super.“ Nicht immer und nicht bei allen Lehrkräften funktioniert es so reibungslos, aber die Klassenlehrerin setzt sich dafür ein, dass die blinden Schüler:innen der Klasse, es sind insgesamt drei, bekommen was sie brauchen und trägt so dazu bei, dass der Schulalltag für sie ein bisschen einfacher wird.

Wie in den berufsbildenden Schulen üblich, müssen auch die Schüler:innen der HAK in der Ungargasse Praktika absolvieren, insgesamt 300 Stunden. Es war für Maximilian nicht einfach, als blinder Schüler einen Praktikumsplatz zu finden, doch bei den Vier Sinnen in Wien hat es geklappt. Vier Sinne bietet Brunch und Dinner sowie verschiedene Veranstaltungen in absoluter Dunkelheit an. Der HAK Schüler serviert Essen und Trinken und betreut die Gäste. „Meine wichtigste Mission aber“, erzählt er lachend, „besteht darin, die Leute mit einem guten Schmäh bei Laune zu halten.“ Dies gelinge ihm und seinem Kollegen immer wieder. Und so ein Dinner in the Dark könne den Gästen auch das Thema Blindheit ein bisschen näherbringen.

„Die Besucher:innen können erleben, wie es ist, nicht sehen zu können. Und sie merken, dass wir genauso Menschen sind wie sie, nur mit dem einen Unterschied, dass wir nix sehen“, findet der junge Mann.


Wenn sich Maximilian mit seiner Modelleisenbahn beschäftigt, kann er so richtig abschalten. Seine Leidenschaft für die Bahn wird früh geweckt. Das passiert bei einer seiner ersten Zugsfahrten, die er als kleines Kind mit seinen Eltern unternimmt. Er ist begeistert und bekommt eine Holzeisenbahn geschenkt. Später versucht er, mit Legosteinen Modelle von österreichischen Triebfahrzeugen nachzubauen und kreiert so seine eigene Modelleisenbahn. Als seine Familie vor drei Jahren von einer Wohnung in Wien in ein Haus in Niederösterreich übersiedelt, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Gemeinsam mit seinem Vater baut Maximilian eine Modelleisenbahn im Garten auf. Die Strecke besteht aus einem Rundkurs mit über 100 Meter Länge und vielen Ausweichmöglichkeiten und Betriebsgleisen. Brücken und Tunnels sind geplant. Die Spurweite beträgt viereinhalb Zentimeter, die Lokomotive ist 80 Zentimeter lang. Als Eisenbahnfan beschäftigt er sich immer wieder damit, wie er seine Anlage erweitern könne. Aber es sei halt eine Frage von Zeit und Geld, stellt Maximilian fest.

„Modelleisenbahn ist ein relativ teures Hobby. Eine Lokomotive kostet über 700 Euro.“ Seine Loks sind nicht nur maßstabgetreue Modelle verschiedener ÖBB Lokomotiven. Sie klingen auch jeweils so wie die realen Vorbilder, die im Land unterwegs sind. Sie fahren also mit Originalsound. „Das muss sein“, findet der Eisenbahnfreak. Elektro-, Diesel- und Dampflokomotiven machen ganz unterschiedliche Geräusche. Und auch nicht jede ÖBB Elektrolok klingt wie die andere, sondern macht, je nach Bauart, unterschiedliche Geräusche, wenn sie losfährt, bremst, beschleunigt oder wenn Signale ertönen. Auf diesen Originalsound legt Maximilian, wie gesagt, sehr viel Wert. „Wenn man das haben will, dann baut man in seine analoge Modelllokomotive entsprechende Digitalbausteine ein, das mache ich gemeinsam mit meinem Vater. Außerdem ist es mir auch wichtig, dass die Beleuchtung originalgetreu ist. Ich sehe es zwar nicht, aber es ist mir wichtig, dass alles wirklichkeitsgetreu ist.“


Bereits als Halbwüchsiger wünscht sich Maximilian einen Zugsimulator. Er möchte also am Computer sitzen und zum Beispiel mit einem ÖBB Railjet von Wien Hauptbahnhof nach Bregenz fahren. Und zwar genauso, wie dies tatsächlich passiert. Es gibt verschiedene Bahnsimulatoren für den PC, allerdings nicht für blinde Spieler:innen. Das animiert Maximilian, sich dem Programmieren zuzuwenden. Er wählt deshalb das Freifach Programmieren, das damals im BBI angeboten wird. Sein Ziel, er will einen Zugsimulator gestalten, der seinen Bedürfnissen entspricht. Das erweist sich als eine sehr herausfordernde Aufgabe. „Ich bin noch immer nicht ganz zufrieden, es ist mir noch nicht realistisch genug. Aber ja, ich fahre zum Beispiel die Strecke von Wien nach Bregenz als Lokführer. Ich fahre mit einem Railjet, es gibt Fahrgäste, es gibt Zugsicherungssysteme und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Ich simuliere Stopps, Brems- und Beschleunigungsvorgänge und fahre die Strecke in Echtzeit am PC ab.“

Noch ist es für Maximilian offen, ob Programmieren sein Hobby bleibt oder ob er es einmal zu seinem Beruf machen möchte. Noch weiß er nicht genau, wie es nach der Matura weitergehen soll, auf jeden Fall will er studieren. Möglicherweise Sound Design.

„Ich könnte mir vorstellen, dass ich vielleicht einmal Sound Design für Autos mache. Von BMW weiß ich, dass der Autoinnenraum extra akustisch getestet wird, ob es für das menschliche Ohr angenehm ist, wenn man fährt. Da geht es auch um Sound Design. Und Audiobearbeitungen mach ich auch im Zusammenhang mit Programmieren, das macht mir Spaß.“

Noch aber ist es nicht so weit, noch drückt er die Schulbank. Er komme mit den anderen in seiner Klasse gut aus, suche aber nicht unbedingt das Gespräch, den Kontakt mit den anderen. Denn ihn beschäftigen oft andere Dinge. Maximilian interessiert sich für Politik, aber auch für philosophische Fragen wie woher wir kommen und wohin wir gehen. Er denkt über seine eigene Lebensgeschichte nach und versucht, einen realistischen Blick auf sich und die anderen zu haben. Small talk mag er gar nicht, der ist ihm verhasst. Hätte er nicht trotzdem gern mehr Kontakt und Umgang mit Gleichaltrigen? „Sagen wir es so, ich bin sehr introvertiert. Mein Freundeskreis war immer schon sehr klein. Aber introvertiert ist nicht das Gleiche wie schüchtern sein. Es bedeutet nur, dass man viel Zeit für sich braucht. Das ist bei mir sehr ausgeprägt.“ Besonders wohl fühlt sich Maximilian in seiner Familie. Mit seinem Vater kann er sich über viele Themen austauschen, mit ihm verbindet ihn die Begeisterung für die Modelleisenbahn wie auch die Freude über den neuen BMW, den sie gemeinsam ausgesucht haben. „Ich bin auf unser Auto so stolz als würde ich es selber fahren.“ (Lacht)


Maximilians Mutter kommt aus Niederösterreich, der Vater aus Deutschland. Die Familie lebt zunächst in einem Dorf in Niedersachsen. Die Eltern überlegen, wie sie ihren beiden blinden Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen können. In ihrem Dorf gibt es keine Schule für blinde Kinder. Maximilian und Valentina hätten also mit Schuleintritt in ein Internat gehen müssen, das wollen die Eltern nicht. Sie müssen also umziehen. Die Frage ist nur, wohin? Das BBI in Wien gefällt ihnen gut. In der Stadt gibt es auch weiterführende Schulen sowie mütterlicherseits Familie und Verwandtschaft. Der Vater, Chemiker von Beruf und in der Lackbranche tätig, findet einen interessanten Job. Die Mutter, ebenfalls Chemikerin, will sich in den nächsten Jahren vor allem um die beiden Kinder kümmern. Knapp vor Maximilians fünftem Geburtstag übersiedelt die Familie also nach Wien. Es sei nicht so einfach gewesen, sich vom Dorf auf die Großstadt umzustellen, aber die ganze Familie lebe sehr gern in Österreich.

Wenn es Maximilian um sich, um seine Person geht, ist ihm eines ganz besonders wichtig. „Wenn man mir begegnet, dann sollte man mich am besten so behandeln, wie jeden anderen auch. Vielleicht fragen, ob ich Hilfe brauche, aber man soll mich auf keinen Fall ungefragt angreifen. Einfach ganz normal behandeln. Das ist mir persönlich am wichtigsten.“ Ja, es passiere ihm immer wieder, dass er ungefragt angegriffen und in eine U-Bahn oder in eine Schnellbahn hineingeschoben werde. Aber die positiven Erfahrungen überwiegen. Leute weichen aus, bieten ihre Hilfe an, fragen nach. Viele seien überfordert, würden vielleicht gerne helfen, wissen aber nicht wie und anstatt zu fragen, würden sie ihn am Arm oder an der Schulter anfassen. Es sei ihm auch schon passiert, dass ihm jemand ins Gesicht gegriffen habe.

„Also, ich frag immer nach, ob ich mich einhängen darf, wenn mir Hilfe angeboten wird. Ich greife niemanden an, ohne zu fragen.“


Die Zeit hat für Maximilian gearbeitet. Er ist inzwischen 1,90 Meter groß. Seine Körpergröße verschafft ihm Respekt und Raum. Außerdem wirkt er älter als viele 18-Jährige. Oft wird er auf Mitte 20 geschätzt.

„Aber dann denk ich mir, warum hängt es von solchen Dingen ab, wie man mir begegnet? Warum gesteht man nicht jeder Person, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, groß oder klein, warum gesteht man nicht jeder Person den gleichen Respekt und Raum zu?“

Eine berechtigte Frage. Das Gleichbehandlungsgesetz besagt, dass jede Person, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Sprache, Religion, Weltanschauung oder Behinderung gleichbehandelt werden muss. Mitmenschen mit Verstand, Herz und Zivilcourage tragen immer wieder dazu bei, dass dieses Gesetz mit Leben erfüllt wird und dass sich Maximilians Wunsch erfüllt, einfach als Mensch gesehen zu werden.

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