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„Es gibt eigentlich für alles eine Lösung.“
Sozialberatung
Ein fünfköpfiges Team berät Menschen mit Sehbehinderungen, Angehörige und Freund:innen sowie jene Personen, die beruflich mit blinden und sehbehinderten Menschen zu tun haben. Die Sozialberatung steht allen offen und ist die erste Anlaufstelle im BSVWNB. Es gehe oft um die Frage: Ich bin blind, ich bin sehbehindert, was mach‘ ich jetzt? Ob man nun plötzlich oder schleichend sein Sehvermögen verliert, man muss viele Lebensbereiche neu und anders gestalten.
„Wir klären finanzielle Ansprüche ab und stellen Anträge, und wir informieren über Rechtsansprüche“, so Michael Gschliesser über einige der wichtigsten Aufgaben der Sozialberatung.
Die Berater:innen nehmen sich Zeit, klären in einem Telefonat oder in einem persönlichen Gespräch genau ab, was die betroffene Person braucht. Das können Informationen und Hilfsmittel sein, oder es kann ein Anspruch auf Pflegegeld bestehen. „Wir dienen den blinden und sehbehinderten Menschen als Orientierungspunkt. Wir fangen viel ab und leiten, wenn erforderlich, weiter. Sei es an die Trainer:innen für Orientierung und Mobilität (O&M) oder für Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF), sowie an die Arbeits- und Technikassistenz. Es kann aber auch sein, dass jemand eine Klage einbringen will, einen Begleitdienst benötigt oder sich Kontakt wünscht und nach einer ehrenamtlichen Person fragt. Wir haben ein breites Tätigkeitsfeld, das macht es so spannend. Es ist ein toller Job.“
Das Team der Sozialberatung des BSVWNB wird aber auch, wie schon erwähnt, von jenen kontaktiert, die beruflich mit Menschen mit Sehbehinderungen zu tun haben. Paula Weissenböck, sie ist 96 Jahre alt und leidet an einer Netzhautdegeneration, lebt in einem Pensionist:innen Wohnheim. Vor knapp zwei Jahren konnte sie noch Bücher und Zeitungen lesen und Kreuzworträtsel lösen. Jetzt kann sie kaum noch etwas sehen. Sie beschreibt es mit einer Portion Galgenhumor so: „Einen Vorteil hat’s ja. Wenn ich in den Spiegel schaue, seh ich mein Gesicht nicht mehr und meine Falten seh ich auch nicht mehr.“ (Lacht) Aber zum Lachen war ihr damals nicht zumute, als ihr Sehvermögen stark nachließ und sie nicht mehr lesen konnte. Sie ließ sich in einer Hilfsmittelfirma beraten und probierte bei Videbis verschiedene Lupen und Lesegeräte aus. Doch nichts funktionierte so recht. Erst mit einem Vorlesegerät kam sie gut zurecht. „Das Gerät, das ich jetzt habe, ist das beste. Da leg ich das Buch drunter und dann wird es mir vorgelesen. Ohne dieses Vorlesegerät könnte ich gar nix machen, es ist einmalig.“
Lese- und Vorlesegeräte kosten zwischen 4000 und 6000 €. Viele könnten sich so ein teures Gerät gar nicht leisten, sagt Michael Gschliesser. „Denn wenn man im Heim ist, wird ja fast die ganze Pension eingezogen. Die Bewohner:innen behalten 20 Prozent der Pension für den eigenen Bedarf, aber damit können sie sich nicht ein Vorlesegerät um 5000 € kaufen. Unmöglich.“ Ein Mitarbeiter der Hilfsmittelfirma Videbis erkundigte sich bei der Sozialberatung, welche finanziellen Förderungen es für die Kundin geben könnte und stellte den Kontakt zu Michael Gschliesser her. Paula Weissenböck kam auf zwei Stöcke gestützt persönlich in die Sozialberatung. Der Sozialberater klärte Ansprüche ab und stellte Anträge, sei es bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) oder beim Sozialministeriumservice (SMS). Es gibt finanzielle Förderungen, die einkommensabhängig sind und andere, die unabhängig vom Einkommen sind. Wenn noch etwas offen bleibt, kann auch bei privaten Stiftungen wie zum Beispiel bei Licht ins Dunkel, den Weinberger Stiftungen oder der Wittke Stiftung angesucht werden. Michael Gschliesser von der Sozialberatung des BSVWNB stellte für Paula Weissenböck nicht nur Anträge, sondern fragte nach und kümmerte sich darum, dass alles möglichst problemlos ablief. Und das war so für seine Klientin. Nach einigen Monaten erfuhr Paula Weissenböck, dass ihr Vorlesegerät fast zur Gänze finanziert wird.
„Damit ist mir wirklich sehr geholfen“, sagt die alte Dame. „Ohne dieses Gerät könnte ich gar nix machen. So kann ich mich hinsetzen und mir vorlesen lassen. Ich les gern Romane und Bücher über andere Länder.“
Die gebürtige Kärntnerin, die schon seit über 60 Jahren in Wien lebt, war im Hotelgewerbe tätig, und ist erst im Alter von 92 Jahren ins Heim gezogen. Es sei schon schwierig, seit sie so wenig sehe. „Aber ich kann ja nicht dauernd jammern. Da tu ich lieber a bissl blödeln mit den anderen“, meint sie lachend. Ja, er hätte Paula Weissenböck auch im Pensionist:innen Wohnheim besucht, um mit ihr den Antrag zu stellen, sagt der Sozialberater. Denn er und seine Kolleg:innen würden auch Hausbesuche machen. Und nein, man muss kein Mitglied des BSVWNB sein, um beraten zu werden, so Michael Gschliesser. Paula Weissenböck, diese humorvolle, hochbetagte Frau wollte aber Mitglied werden und hat sich so sehr über die Unterstützung des Beraters gefreut, dass sie ihm einen herzlichen Dankesbrief schickte. „Ich bin so froh, ich bin so dankbar, dass ich dieses Vorlesegerät gekriegt hab, wirklich wahr. Und ich hab mir gedacht, das gehört sich einfach, dass ich mich für diese großartige Unterstützung bedanke.“
Neben vielen älteren Menschen kommen auch junge Leute zur Beratung. Wie jene 22jährige Oberösterreicherin, die von ihrem Heimatdorf in die Hauptstadt gezogen ist, blind ist, eine Wohnung sucht, einen Job braucht und in der Stadt erst heimisch werden muss. Michael Gschliesser vermittelt sie weiter zu den O&M Trainer:innen und den Kolleg:innen von der Arbeitsassistenz. Erzählt von der Jugendgruppe des BSVWNB, wo sie andere junge Leute kennenlernen kann, und er stellt für sie einen Antrag auf finanzielle Hilfe für die Möblierung der Wohnung.
Viele kommen einmal oder zweimal zu einem Termin in die Sozialberatung. In der Regel dauert ein Termin eine Stunde oder zwei Stunden. Ein wichtiges Thema bei der Beratung ist der Antrag auf den Behindertenausweis. Denn erst wenn der Grad der Behinderung festgestellt wurde, werden Kosten für bestimmte Leistungen wie ein O&M Training, Beratungen bei der Arbeitsassistenz oder Weiterbildungen übernommen. Michael Gschliesser: „Der Ausweis zeigt, ich habe eine Sehbehinderung, einen bestimmten Grad der Behinderung. Ansonsten müsste vieles selbst finanziert werden.“ Sie seien bemüht, möglichst effizient zu arbeiten, denn für viele sei es mühsam und aufwendig, zu den Terminen zu kommen. Mitgliedern steht ein besonderer Service offen, sie können bekanntgeben, dass sie gerne einen Begleitdienst hätten. Dann werden sie von einem Zivildiener abgeholt und wieder nachhause gebracht. Ebenso können sie sich in eine Ordination oder ins Krankenhaus begleiten lassen, und zwar unentgeltlich.
Es kommt auch immer wieder vor, dass Angehörige in der Sozialberatung anrufen und sich informieren möchten, weil sie ein blindes oder sehbehindertes Familienmitglied haben. Es sei für viele betroffene Menschen auch mit Scham behaftet, sich unterstützen zu lassen. Dies solle nicht sein, komme aber oft vor, so der Sozialberater.
„Wir informieren gerne, wenn Angehörige darum bitten, aber der Wunsch für eine Beratung muss direkt von der betroffenen Person kommen. Diese Leute sind ja nicht unmündig, es sind Menschen, die einfach wenig oder nichts sehen.“
Er sei in seiner Arbeit auch immer wieder mit dem Thema Einsamkeit und soziale Isolation konfrontiert, erzählt Michael Gschliesser. Nicht nur, aber besonders während der Pandemie seien Leute alleine zuhause gesessen. Zum Glück gebe es Ehrenamtliche, die sich mit blinden und sehbehinderten Menschen treffen wollen, Kaffee trinken oder spazieren gehen möchten. Und es zählt zu den Aufgaben des Ehrenamtskoordinators, die einen mit den anderen zu „verkuppeln“. „Es melden sich immer wieder Leute vom Grätzel, die sagen, ich will was tun. Es sind meistens Frauen, die grad in Pension sind. Ich lade die Person dann zu einem Gespräch ein, um sie ein bisschen kennenzulernen und um festzustellen, wer am besten zu wem passt. Denn das ist wichtig, es muss schon passen. Manchmal entwickeln sich sogar Freundschaften.“ Das Team der Sozialberatung fördert auch den Kontakt untereinander. Es werden Regionaltreffen und Monatsversammlungen in Wien, Niederösterreich und im Burgenland organisiert und Selbsthilfegruppen unterstützt. Man kann sich austauschen, lernt neue Leute kennen, aber auch die unterschiedlichen Angebote des BSVWNB. Man erhält Informationen zur Freizeitgestaltung sowie zu kulturellen und sportlichen Angeboten.
Es sei ihm bei seiner Arbeit sehr wichtig, so Michael Gschliesser, dass die Leute sich gut aufgehoben fühlen, dass ihre Fragen ausreichend beantwortet werden und dass ihre sozialrechtlichen Ansprüche erfüllt werden, dass sie also bekommen, was ihnen zusteht. Wenn das nicht der Fall ist, können sich Betroffene zum Beispiel in Pflegegeldangelegenheiten vor Gericht vertreten lassen. Ganz besonders wichtig sei ihm, dass die Menschen ein möglichst selbstständiges Leben führen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
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