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Holzofen-Pizza à la VJA: Ein Freiluft-Backofen, der die Jugend begeistert
Eine Aktion der VJA
Behutsam schichten Mario und Roman die Holzschnitzel übereinander. Sie türmen damit eine kleine Pyramide auf: „Damit es besser brennt“, wie Roman erklärt. Diesmal übernehmen die beiden Jugendlichen mit Sehbehinderung das Feuermachen, während die anderen weitere Späne von den Holzscheiten lösen. Schnell entzündet sich der Stapel in der Mitte des Holzbackofens. Das Feuer flackert rot-orange und erhitzt schließlich den gesamten Ofen auf Temperaturen von mehr als 300 Grad Celsius.
Es ist bereits das zweite Mal in diesem Sommer, dass die Verrückte Jugend Aktion (VJA) den Holzbackofen am Laurentiusplatz im 14. Wiener Gemeindebezirk nutzt. Nur wenige Gehminuten vom BSVWNB entfernt, liegt dieser idyllisch inmitten eines Gemeinschaftsgartens. Der Holzofen ist Teil eines Gemeinschaftsprojekts der Grätzloase und des Vereins KunstKultur Breitensee – und kann kostenlos angemietet werden.
Ein Bericht in der Bezirkszeitung informiert über das Projekt.
„Eine Kollegin hat uns den Artikel gegeben. Eine tolle Idee, denn die Jugendlichen essen gerne Pizza“, erzählen Tanja Kotek und Karoline Kadelski, Jugendgruppen-Leiterinnen der VJA.
Deswegen lag es nahe, dass sie die Neuentdeckung gleich ausprobierten. Beim ersten Besuch wurde die Gruppe von einem netten Herrn in die Benutzung eingeführt, dieses Mal sind sie bereits erfahren und dürfen alleine das Zahlenschloss öffnen, das den Holzofen im zugänglichen Garten absichert. Dort befindet sich alles, was sie benötigen: Pizza-Schaufel, Schürhaken und Holzscheite.
Mittlerweile glüht das Holz bereits im Ofen. Es kann gleich losgehen! Onur hat vorab mehr als zwei Kilogramm Pizzateig vorbereitet und mitgebracht. „Eigentlich hab ich nur die Zutaten besorgt, den Rest hat die Küchenmaschine gemacht“, wiegelt er ab. Das Rezept hat er im Internet gefunden und sofort ausprobiert:
„Mehl, Wasser, Hefe, ein wenig Salz. Man muss auch ein bisschen Mineralwasser hineingeben, damit das schön bindet. Das war’s. Dann lässt man den Teig gehen.“
Hikmet bearbeitet und knetet den Teig auf der mit Grieß bestreuten Arbeitsfläche, und formt gemeinsam mit Matias die Fladen. Die Jugendlichen bestreichen ihre Pizza mit Tomatensauce und legen je nach Geschmack Schinken, Salami, Zwiebel, Käse, Mais und Ananas darauf. Ab in den Ofen mit Pizza Hawaii, Provenciale und Co.!
Die Jugendlichen haben während des Corona-Lockdowns öfters eigenständig Pizzen gebacken. Dass generell mehr gekocht oder in der Küche mitgeholfen wurde, bemerkten auch Tanja Kotek und Karoline Kadelski. Deswegen drehten sie drei Video-Tutorials, um die Jugendlichen mit Rezepten zu inspirieren: Flammkuchen, Pizza und Erdäpfel-Gulasch standen am Programm. Lachend erinnert sich Karoline Kadelski: „Ich habe mit einer Hand gefilmt und mit der anderen Hand den Teig geknetet. Das war eine ziemliche Herausforderung. Dazwischen habe ich noch alles kommentiert, was ich gemacht habe.“
Der Lockdown war für alle eine Herausforderung, doch nun können sich die Jugendlichen glücklicherweise wieder treffen. Anfänglich war das nur im Freien möglich und die Treffen daher stark wetterabhängig. Oft musste spontan umdisponiert werden. „Seit Anfang Juli dürfen wir wieder den Jugendraum nutzen. Wenn Schlechtwetter kommt, können wir zumindest dorthin wieder ausweichen“, freut sich Tanja Kotek. Zurzeit regiert jedoch die Spontanität:
„Wir wollten an einem ziemlich heißen Tag Tretbootfahren gehen. Diese Idee hatten leider auch ganz viele andere Menschen. Wir bekamen dann kein Boot und sind stattdessen spontan schwimmen gegangen. Es ist momentan spürbar, dass viele Menschen das Land im Sommer nicht wie üblich verlassen. Das macht die Aktivitäten teilweise schwer planbar, vor allem wenn man nicht reservieren kann oder vieles bereits ausgebucht ist. Und manchmal funkt eben das schlechte Wetter dazwischen.“
Die Ferienfahrt – das Highlight eines jeden Jahres – findet trotz dieser außergewöhnlichen Umstände statt. Normalerweise treffen die Jugendlichen selbst die Entscheidung über die Feriendestination. „Dieses Jahr haben wir ausnahmsweise die Planung übernommen, weil die Planungstreffen sich wegen Corona und dem Lockdown nicht ausgegangen sind. Wir mussten schnell sein, um die Ferienfahrt überhaupt zu ermöglichen. Die Jugendlichen konnten jetzt natürlich mitplanen“, erzählt Tanja Kotek.
Schladming im Salzkammergut ist diesmal das auserkorene Urlaubsziel. Auch die Freizeit-PSO (Freizeit Para-Special Outdoorsports) bieten in dieser Region eine Bandbreite an barrierefreien Möglichkeiten an. Ein Grund mehr, dass dieses Gebiet genau das Richtige für die Jugendgruppe ist. Mario freut sich:
„Wir gehen klettern, direkt an einer Felswand, danach raften wir und wandern.“
Gemeinsam mit der VJA hat nicht nur Mario erste Kletter-Erfahrungen in der Höhe einer Kletterhalle gesammelt. Diese wird er in Schladming – dieses Mal erstmalig am griffigen Felsen – einsetzen können.
Roman war bereits zweimal auf Urlaub in Schladming: Dort besuchte er die Skischule für Menschen mit Behinderungen, die nach dem Motto „Geht nicht – Gibts nicht!“ handelt. Ein Begleitläufer, auch Guide genannt, brachte Roman das Skifahren bei und begleitete ihn bei den Abfahrten. Zu Beginn trainierten sie, wie bei jedem Skikurs üblich, auf der Babypiste die Techniken.
„Ich habe auch spezielle Skistecken bekommen: Krücken mit einer Skispitze unten dran. Mit normalen Skistöcken konnte ich nicht umgehen. Mit diesen Hilfsmitteln und dem Training ist es mir dann sogar gelungen, die große Piste runterzufahren“, ist Roman stolz.
Dieses Jahr geht es für Roman jedoch nicht ins Salzkammergut. Statt bei der Ferienfahrt dabei zu sein, freut er sich auf andere Aktivitäten, die er mit der VJA gemeinsam erlebt. Momentan ist das die Pizza Hawaii! Zusammen mit Matias überprüft er, ob die Pizza schon fertig ist. Sie muss mit einem Schürhaken gedreht werden, da immer nur eine Seite der Holzglut zugewandt ist und daher schneller bäckt. Eine Minute später ist die Pizza fertig! Mit dem Holzschieber holt Roman sie aus dem glühenden Ofen und trägt sie zum Tisch mit den Heurigenbänken, auf denen die anderen Jugendlichen bereits sitzen. Sie bestreuen die Pizzen mit frischem Basilikum oder träufeln Tabasco-Sauce darüber.
Matias ist weiterhin fleißig am Backofen beschäftigt, um den letzten Teig zu verwerten. Der Ehrenamtliche engagiert sich gerne, indem er die Jugendgruppe begleitet:
„Ich möchte etwas Sinnvolles tun. Alle Aktionen sind schön und vor allem so unterschiedlich. Tanja und Karo geben sich auch so viel Mühe.“
Früher als Behindertenbetreuer tätig, arbeitet er nun als Programmierer. Doch die soziale Arbeit fehlt ihm. Auf der Freiwilligenmesse im Rathaus lernte er eine Sozialberaterin des BSVWNB kennen – und kam so zur VJA, die er seither regelmäßig bei ihren Ausflügen begleitet.
Die letzte Pizza verlässt schließlich den Backofen, noch heizt die Glut. Auf diesen Moment sind die Jugendlichen vorbereitet. Sie haben bei der letzten Ferienfahrt eine besondere Nachspeise kennen gelernt: Gebackene Schokobananen. Mario und Roman begeben sich an die Arbeitsfläche, sie schneiden Bananen längs ein und drücken Schokoladenstücke tief in das Fruchtfleisch. Mit glitzernder Alufolie umwickelt werden die Bananen in den Ofen geschoben.
Zwischen den Hochgärten aus Paletten, bepflanzt mit Rucola, Basilikum und Tomaten, und zwischen Sonnenblumen und Erdbeer-Stauden, sitzen die Jugendlichen auf den Heurigenbänken und Klappsesseln. Sie genießen das Dessert und die Gemeinschaft. Sie lassen den warmen Abend gemütlich ausklingen – einen Abend, den sie selbst mit Leben füllen. Und der diesen Sommer trotz vieler Umstände zu einem besonderem macht.
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