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Lucky Dots – Ein Projekt, das Glück und Freude vermitteln will
Interview mit Anna Weinzettl
Für Große wie für Kleine, für Menschen, die blind sind oder unterschiedlich gut sehen. Ein Buch, das einlädt, dass man es gemeinsam liest, anschaut, erfühlt und ertastet.
Anna Weinzettl, Wo ist Luna? ist kein gewöhnliches Buch. Sie haben dafür selbst eine Schrift entwickelt, Tastbilder gestaltet und eine relativ neue Drucktechnik eingesetzt. Worum aber geht es in Ihrem Buch?
Es erzählt die Geschichte von einem Kater namens Tim, der sich auf die Suche nach seiner Freundin Luna macht, die verlorengegangen ist. Auf seinem Weg begegnet er verschiedenen Tieren. Zuerst trifft er eine Meise, aber der kleine Vogel muss bald schlafen gehen. Doch in der Dämmerung und in der Dunkelheit begegnen dem Kater ein Frosch, ein Igel, eine Maus, eine Eule und ein Maulwurf. Als es pechschwarz wird, sieht Kater Tim gar nichts mehr und ist verzweifelt. Doch da taucht die Fledermaus auf und hilft weiter, denn sie kann sich auch dann noch orientieren, wenn es stockfinster ist. Es ist auch eine Geschichte, die viele Parallelen zu Menschen hat, die sehbehindert oder blind sind. Die Tasthaare der Katze und der Langstock, oder die Echoortung der Fledermaus und die Klicksonar Technik, die blinde Menschen anwenden, um sich zu orientieren.
Es ist, sagen Sie, ein Buch für Sehende wie für Blinde. Gedruckt in einer Schrift, die Sie selbst entwickelt haben und die eine Kombination aus Schwarz- und Brailleschrift darstellt. Wie aber kann man sich diese Schrift im Buch vorstellen?
Die Brailleschrift beruht ja auf sechs Punkten, mit denen Buchstaben, Zeichen und Zahlen dargestellt werden.
Bei meiner Schrift wird nun jedes Braillezeichen mit einem gedruckten Buchstaben hinterlegt.
So können also Eltern, die Braille nicht beherrschen, mit ihrem blinden Kind gleich in den Text einsteigen und Braille gemeinsam lesen. Denn wenn sie mit dem Finger die Punkte berühren, sehen sie sofort, das ist ein A oder ein E. Das Besondere an meiner Schrift besteht also darin, dass man ohne Vorkenntnisse die deutsche Blindenvollschrift erfassen kann, da ja jedes einzelne Braillezeichen mit dem entsprechenden Buchstaben in Schwarzschrift kombiniert ist.
Die Schrift, die Sie selbst entwickelt haben, trägt den schönen Namen LUCKY DOTS, also glückliche Punkte. Und als Logo, als Symbol haben Sie einen Marienkäfer, einen Glückskäfer gewählt.
Mein Marienkäfer ist gelb und hat auf seinem Rücken sechs Punkte, drei in die Höhe, zwei in die Breite. Das ist auch das Raster, auf dem die Brailleschrift aufbaut. Und LUCKY DOTS ist für mich ein Ausdruck dafür, dass es einfach Freude macht, diese Punkte zu lesen.
Sie beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren, seit 2004 mit Ihrer Schrift, mit dieser Kombination aus Schwarz- und Brailleschrift. Schon während Ihrer Ausbildung auf der Graphischen in Wien haben Sie begonnen, damit zu experimentieren. Diese Schrift war dann auch Thema Ihrer Diplomarbeit, Ihrer Abschlussarbeit. Und Sie haben sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene wichtige Designerpreise für Ihre Schrift bekommen, sowie ein Stipendium an einer der weltweit wichtigsten Werbe- und Designausbildungsstätten. Was hat Sie motiviert, LUCKY DOTS zu erfinden?
Am Anfang war es meine Begeisterung für Typografie. Und dann bin ich während meiner Ausbildungszeit auf der Graphischen auf dem Weg zur U-Bahn immer am Louis Braille Haus vorbeigekommen. So hat eins zum anderen geführt. Und als Designerin träumt man auch davon, etwas zu machen, das sich positiv auf das Miteinander der Menschen auswirkt.
Ihre Schrift LUCKY DOTS und Ihr Buch laden zu einem inklusiven Miteinander ein.
Ja, blinde Kinder erleben, dass die Großeltern, Geschwister oder befreundete Kinder mit ihnen lesen lernen können.
Und blinde Eltern können in die Welt ihrer sehenden Kinder eintauchen.
Die Brailleschrift besteht aus Punktmustern. Und diese Punkte werden meist von hinten in das Papier gedrückt und vorne mit den Fingerspitzen als Erhöhungen ertastet. Sie sind einen anderen Weg gegangen und haben sich für eine neuere Drucktechnik entschieden.
Bei meinem Buch kann man sich die Punkte der Brailleschrift wie kleine transparente Plastiktröpfchen vorstellen. Sie werden auf einem stärkeren Papier, das versiegelt ist, als Lacktröpfchen aufgebracht. Der Lack ist natürlich giftfrei und entspricht den vorgeschriebenen Normen für Kinderspielsachen. Anders als bei einem Buch mit geprägtem Papier ist mein Kinderbuch viel haltbarer, besser benutzbar und man kann es sogar vorsichtig abwischen.
Es war mir ganz wichtig, bei der Schrift eine hohe Qualität zu erzielen, denn die Braillepunkte müssen in einem Leselernbuch gut tastbar sein.
Ich habe viel experimentiert, immer wieder die Meinung von meinen blinden TestleserInnen eingeholt, verändert und verbessert, und zwar solange bis die Qualität gepasst hat.
Sie haben Ihr Buch mit liebevoll gestalteten, tastbaren Illustrationen ausgestattet und der Kater, der Igel oder der Maulwurf können mit den Fingern angeschaut werden.
Jedes Tier fühlt sich anders an. Der Igel hat Stacheln, das Federkleid der Meise besteht aus vielen feinen Linien. Oder die Sonne hat Strahlen, die gegen Ende hin immer schmäler werden und punktiert sind. Ich habe diese relativ neue Drucktechnik also nicht nur bei den Braillezeichen, sondern auch bei den Tastbildern angewendet. So lassen sich ganz unterschiedliche Oberflächen und fein abgestimmte Strukturen ertasten.
Auch die Tastbilder haben Sie immer wieder von Kindern wie von Erwachsenen, die blind sind, anschauen lassen.
Ich habe verschiedene Varianten der einzelnen Tastbilder gemacht und gemeinsam haben wir herausgefunden, welche die beste ist. Dieser Prozess hat sich über viele Monate hingezogen.
Einmal habe ich einem neunjährigen Mädchen, das blind ist, das tastbare Bild vom Katzenkopf geschenkt. Und das Kind hat das Bild gleich ohne Hilfe erkannt. Es war so stolz und glücklich. Das war ein sehr berührender Moment.
Oder ein anderes Mal habe ich einem Mann, der einen technischen Beruf ausübt, das Tastbild von meiner Sonne in die Hand gegeben. Und auf einmal hatte er ein ganz breites Lächeln auf dem Gesicht und gesagt: ‚Ach, ist das süß!‘ Das hat mich total überrascht, denn ich habe bei diesem Testversuch eher mit einer technischen Rückmeldung gerechnet. Es ist für mich unglaublich schön, dass diese Bilder so viel Freude vermitteln und Menschen, die blind sind, gar nicht aufhören können, sie zu ertasten. Ich glaube, ich bin auch deshalb so ausdauernd und hartnäckig an diesem Projekt drangeblieben, weil mein Buch etwas ist, das man gernhat und das Freude vermittelt.
Ihr Buch richtet sich an Kinder, die blind sind sowie an ihr ganzes Umfeld. Ebenso an Erwachsene, die blind sind. Genauso aber an Schulklassen und Kindergruppen, die inklusiv geführt werden. Wo also sehende wie sehbehinderte Kinder gemeinsam lernen und spielen.
Ich habe bei den Illustrationen auf klare Flächen und kontrastreiche Formen geachtet.
Ich verwende immer starke schwarze Linien, so haben auch Kinder, die stark sehbeeinträchtigt sind, Freude an dem Buch. Aus diesem Grund habe ich auch auf alle unnötigen Details verzichtet. Denn Bilder, auf denen es nur so wimmelt, überfordern Kinder, die wenig sehen.
Das Buch ist in einer speziellen Bindetechnik gearbeitet, genannt Layflat-Bindung. Das bedeutet, dass es ganz flach daliegt, wenn man es aufklappt. Dass man also bis in die Mitte des Buches alles gut ertasten kann.
Ihr aufwendig gestaltetes Buch ist in einer langen Entwicklungsarbeit entstanden und hat hohe Druckkosten. Das spiegelt sich im Preis wider. Das Buch kostet 58€. Sie werden vom 20. Oktober bis zum 20. November eine Crowdfunding Kampagne machen, um das Projekt zu finanzieren. Und je nachdem wie viele Bücher bestellt werden, wird dann die erste Auflage gedruckt.
Ja, das bedeutet, dass die Menschen mein Projekt unterstützen, indem sie das Buch schon vor dem Drucktermin bestellen und bezahlen. Ich werde die Kampagne auf Startnext betreiben. Das ist eine Crowdfunding Plattform. Aber da Startnext nicht gänzlich barrierefrei ist, werde ich auch einen Shop und alle Informationen auf meiner Website https://www.luckydots.net/ veröffentlichen. Man kann aber das Buch in der Zeit der Kampagne auch per E-Mail bestellen und die Bezahlung über die Hausbank abwickeln. Es soll für alle Interessierten möglichst gut handhabbar sein.
Als selbstständige Grafikdesignerin beschäftigen Sie sich mit Firmenauftritten, mit der Gestaltung von Logos, Büchern, Zeitschriften oder Ausstellungen. Und insbesondere mit Ihrem Projekt LUCKY DOTS. Was planen Sie für die nächste Zukunft?
Ich möchte mit meinem Kinderbuch Wo ist Luna? auch herausfinden, wo ich meine Schrift, wo ich LUCKY DOTS sonst noch überall einsetzen kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich daraus noch weitere Bücher und Projekte ergeben würden. Es ist aber genauso denkbar, dass ich als Dienstleisterin auftrete. Dass ich also andere dabei unterstütze, taktile Grafiken perfekt aufzubereiten oder Inhalte in meiner Schrift darzustellen.
Ich glaube, dass meine Schrift einen starken emotionalen Aspekt hat. Denn sie macht Inklusion unmittelbar sichtbar.
Mit wenigen Worten an der jeweils richtigen Stelle wird unmissverständlich gezeigt: Inklusion ist uns wichtig.
Vielen Dank für das Gespräch.
Alle weiteren Informationen zu LUCKY DOTS und dem Buch Wo ist Luna? finden sich auf der Website von Anna Weinzettl.
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