Aktuelles
Mitreden - mithelfen - mittragen
Eva Papst erinnert sich
Bei Jubiläen denkt man unwillkürlich an Zahlen und Fakten, Aufzählungen und lange Reden mit oftmaligen Wiederholungen von längst Bekanntem, nicht immer ehrlich gemeinten Lobesreden und wenig spannenden Rückblicken, die gefühlt bei Adam und Eva beginnen.
Mich erinnert das unmittelbar bevorstehende 75-jährige Jubiläum unserer Landesgruppe erst einmal daran, dass auch ich kurz vor einem Jubiläum stehe, nämlich meiner 50jährigen Mitgliedschaft.
Warum ich 1973 dem Blindenverband beigetreten bin, weiß ich nicht mehr so genau. Vermutlich vorerst, weil man mich dazu aufgefordert hat und - das mag letztlich ausschlaggebend gewesen sein -, weil es Mitgliedern des Blindenverbandes gemeinsam mit anderen Aktivisten 1955 - übrigens meinem Geburtsjahr - gelungen ist, durch Petitionen und eine Straßendemonstration eine annähernde finanzielle Gleichstellung so genannter Zivilblinder mit im Krieg erblindeten Personen zu erreichen. Bis dahin bekamen nämlich Menschen, die nicht aufgrund kriegerischer Einflüsse erblindet waren, keinerlei finanzielle Zuwendung. An diese bemerkenswerte Errungenschaft erinnern sich heute vermutlich nur jene, die, wie ich, im Herbst des Lebens stehen.
Genau wie heute waren damals die Funktionär:innen des Vereins immer auf der Suche nach jungen Menschen, die bereit sind, ihre Fähigkeiten und nicht zuletzt die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Generation aktiv in das Vereinsgeschehen einzubringen. Um ehrlich zu sein, hatte ich in meinen Zwanzigern anderes im Sinn, als meine Freizeit in Sitzungssälen und auf Vereinsveranstaltungen zuzubringen. Ich ließ mich aber schließlich, nicht zuletzt dank hartnäckiger Nachfragen, doch davon überzeugen, für die Leitung zu kandidieren. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich wenig einbringen und schon gar nicht irgendetwas verändern konnte. Mir fehlten Erfahrungen in der Vereinsarbeit und auch der so wichtige Blick über den eigenen Tellerrand.
Erst nach und nach wurde mir bewusst, welch großes Themenspektrum eine Vereinigung wie der Blindenverband abdeckt.
Abgesehen von der Präsentation des Vereins nach außen, etwa durch Medienarbeit und Kontakte zu Behörden und der Politik, stehen die Bedürfnisse der Mitglieder ganz weit oben auf der Prioritätenliste in der Vereinsarbeit. Ob nun die Bedürfnisse von blinden oder sehbehinderten Kleinkindern und deren Angehörigen, von Schüler:innen, Student:innen, Arbeit- und Wohnungsuchenden, Berufstätigen oder Pensionisten – Entscheidungsträger:innen müssen laufend die Angebote des Vereins anpassen und weiter entwickeln.
Die Team-Mitglieder in der Leitung sind daher mit äußerst unterschiedlichen Aufgaben befasst und die manchmal stundenlangen Sitzungen sind, zugegeben, ermüdend. Aber es ist auch ein gutes Gefühl, Teil eines Entwicklungsprozesses zu sein und Einblick in diese umfassenden Arbeitsgebiete zu bekommen. Nach einigen Jahren Vereinstätigkeit erweitert sich langsam der eigene Horizont. Wer sich mit wichtigen Entscheidungen auseinandersetzen muss, hat manchmal zu viel nachzudenken, um nach einer mehrstündigen Sitzung unbeschwert einschlafen zu können. Mitunter lastet die Verantwortung, die man mitzutragen hat, schwer auf den Schultern und die nie zur Ruhe kommende und manchmal auch berechtigte Kritik an der Vereinsführung ist auch nicht gerade schlaffördernd. Man glaubt sein Bestes gegeben zu haben und weiß, dass es doch nie genug ist.
Nach etlichen Jahren war mir klar, dass Politik - und auch Vereinspolitik gehört dazu - nicht zu meinen Stärken zählt. Als 1981 das Magazin "Braille Report" gegründet wurde und nicht lange danach der damalige Vorsitzende um meine Mitarbeit bat, bin ich diesem Ruf gefolgt und erkannte bereits nach kurzer Zeit, dass ich in diesem Bereich deutlich besser aufgehoben war als in den Reihen derer, die die Geschicke des Vereins lenken (müssen). In diesem vergleichsweise kleinen Team von mindestens drei und maximal sieben Teilnehmer:innen habe ich meine vereinsmäßige Heimat und ein passendes Betätigungsfeld gefunden, das auch meinen Neigungen entspricht. Anfangs in der Medienarbeit vollkommen unerfahren, durfte ich im Laufe der Jahre von professionellen Team-Mitgliedern lernen, mich beraten und korrigieren lassen. Viele dieser Wegbegleiter:innen sind wieder aus dem Team ausgeschieden; ich bin im Team geblieben - wie ein Fossil aus der "Braille-Report"-Steinzeit.
Heute bin ich das älteste Team-Mitglied und sehe mich, wie viele vor mir, vor der schwierigen Aufgabe, junge Menschen für die schöne und wichtige Medienarbeit zu interessieren, damit der "Braille Report" auch weiterhin dem Wandel der Zeit und den Bedürfnissen der nächsten Generationen Rechnung tragen und ein Medium bleiben kann, das das vielfältige Leben blinder und sehbehinderter Menschen in und um unsere Landesgruppe lebendig darstellt.
Und die Aufgaben, die auf die nächste Generation warten, sind breit gefächert - und das nicht nur im Bereich der Medienarbeit, wo die Social Media Kanäle bedient werden müssen.
Auch blinde Menschen müssen sich den Anforderungen der digitalen Welt stellen, sei es der online zu erledigende Steuerausgleich, die Anmeldung für einen Corona-Test und der anschließende Download des Testergebnisses, seien es Banküberweisungen oder die Planung und Buchung einer Dienstreise oder des nächsten Urlaubs. Immer mehr Haushaltsgeräte sind ohne fühlbare Bedienelemente mit Druckpunkt ausgestattet, sondern mit Sensoren versehen, also einer völlig glatten Oberfläche, was einen erheblichen Kontrollverlust bedeutet. Sowohl das Auffinden der Tasten als auch die Kontrolle der eingestellten Werte ist daher ohne ausreichendes Sehvermögen unmöglich.
Unsere Einrichtung benötigt dringend Mitarbeiter:innen, die mit moderner Technik aufgewachsen sind und dank ihrer Kenntnisse helfen können, die zahlreichen Barrieren in der digitalen Welt aufzuzeigen und zu beseitigen.
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