Portraits
Musik öffnet Türen
Interview mit Michael Hoffmann
Ein Knirps am Schlagzeug und an der Orgel
Für das Interview treffen wir uns in der Technischen Universität Wien am Karlsplatz. Dort arbeitet Michael Hoffmann, dort hat er eine 20 Stunden Anstellung. Er sitzt beim Telefon und hilft weiter, wenn es Probleme gibt. „Ich bin im Telefonsupport, uns rufen Mitarbeiter der Universität an, wenn sie Probleme mit dem SAP System haben, wo sie zum Beispiel Urlaube beantragen können oder wo die Reisekosten erfasst und abgerechnet werden. Wenn ich das Problem nicht selber lösen kann, verweise ich sie an eine zuständige Person, die weiterhelfen kann.“
Wien ist für Michael Hoffmann ein vertrauter Ort. Denn hier hat er seine Ausbildung zum Telefonisten gemacht und seine gesamte Schulzeit verbracht. Er wächst in Mönchhof im Bezirk Neusiedl am See auf und kommt nach dem Kindergarten in das Bundesblindeninstitut in Wien. Sein Kapital: Er bringt erste Erfahrungen als Schlagzeuger mit. Bereits als kleines Kind lässt er sich von seinem musikbegeisterten Opa anstecken und trommelt mit, wenn dieser Mundharmonika oder Trompete spielt.
„Mein Opa war der erste, mit dem ich Musik gemacht habe und der mich dafür begeistert hat.“
Die Eltern erkennen das Talent des Sohnes und er darf Schlagzeug lernen.
Als der Bub nach Wien in die Schule und ins Internat kommt, übt er fleißig weiter. Unüberhörbar. So werden die jugendlichen Mitglieder der Schulband auf den Knirps aufmerksam und engagieren ihn als Schlagzeuger. „Das war ein echtes Privileg, dass ich mit den Großen Musik machen durfte, die waren 16, 17 Jahre alt. Außerdem durfte ich ein bissl länger aufbleiben als meine Mitschüler.“ Die Jungs musizieren aber nicht nur zum eigenen Vergnügen. Sie werden zu der damaligen Radiosendung Autofahrer unterwegs eingeladen und treten bei Licht ins Dunkel im Fernsehen auf. „Das waren keine alltäglichen Erlebnisse. Ich hab‘ sie schon sehr mögen, meine Kollegen aus der Schulband. Es hat mir Spaß gemacht mit ihnen zu spielen und ich war traurig, wie sie mit der Schule fertig waren.“
Die Großen sind fort, es gibt keine Schulband mehr. Michael singt nun im Schulchor und lernt daheim am Wochenende Orgel spielen. Die damalige Organistin aus der Abtei Marienkron will ihr Können weitergeben und bietet kostenlosen Unterricht an. „Einerseits war das für mich schon super, andererseits war es für einen Zehnjährigen nicht so spannend Orgel zu lernen. Aber meine Eltern haben das natürlich in Anspruch genommen und heute bin ich froh, dass ich diesen Unterricht genießen durfte. Denn man dringt tiefer in die Materie ein, wenn man auch klassische Musik lernt.“ Im Alter von 13 Jahren wird der talentierte junge Bursche Organist in Weiden am See und spielt Sonntag für Sonntag im Gottesdienst. „Es war zwar nicht cool Orgel zu spielen, aber ich hab‘ als Organist ein bissl was verdient und hatte etwas mehr Geld zur Verfügung als viele meiner Schulkollegen. Da konnte ich mir schon öfters eine Pizza bestellen und ins Internat liefern lassen“, erzählt er lachend. Als Bub erhält Michael Hoffmann auch Klavier- und Keyboardunterricht, bis heute ist er diesen beiden Instrumenten treu geblieben. Als Jugendlicher gründet er selbst eine Schulband und entdeckt seine Liebe zum Sologesang.
Wie aber erarbeitet sich der junge Musiker neue Stücke? Die Braille Notenschrift habe er nie erlernt. Das bedauere er zwar manchmal, aber im Grunde sei es kein Problem. "Ich brauche meine Hände ja sowieso für das Instrument, für's Spielen und ich habe ein sehr gutes Gehör. Ich eigne mir die Musik über das Hören an. Das funktioniert sehr gut."
Auf der Bühne
Bereits als Teenager schreibt der musikbegeisterte Bursche erste Songs. Im Alter von 18 Jahren nimmt er mit einem selbstkomponierten Titel an einem Wettbewerb von Radio Burgenland teil. Er belegt den ersten Platz und gewinnt eine Studioaufnahme. Der Song erscheint, ein ganzes Album folgt. „Da ist es losgegangen mit Eigenproduktionen und Plattenfirmen, ab 18 habe ich immer wieder Songs veröffentlicht.“
Ein herausragendes Ereignis in der Musikerkarriere von Michael Hoffmann ist die Teilnahme an der Castingshow Starmania. Tausende musikbegeisterte junge Leute bewerben sich, es folgen Castings und Vorsingen. Die besten 40 bleiben übrig, sie sollen im Fernsehen gegeneinander antreten und die Fernsehzuschauer stimmen Sendung für Sendung per Telefonvoting ab, wer in die nächste Runde kommt.
„Ich wollte damals gar nicht zum Casting gehen. Weil es bei diesem Sendungsformat ja sehr stark um die Performance, um die Choreografie geht und ich mich gefragt habe, wie das bei mir funktionieren soll, wo ich ja blind bin.“
Freunde ermutigen den 23jährigen Musiker, es zu probieren. Er wagt es und es gelingt ihm, ganz weit nach vorne zu kommen. Die Freude über den vierten Platz ist groß und die Erfahrungen, die er macht, sind unbezahlbar. „Das war eine sehr, sehr schöne Arbeit. Wir haben uns intensiv auf die Fernsehauftritte vorbereitet. Wir haben mit ganz wichtigen und großartigen Leuten aus der österreichischen Musikszene gearbeitet, mit Monika Ballwein und Thomas Rabitsch. Auch mit den Kollegen war es ganz problemlos. Wenn man sich einmal kennengelernt hat, wenn die Fragen beantwortet sind, die die Sehbehinderung betreffen, dann ist das völlig nebensächlich, dass ich nix seh‘. Denn es geht ja um etwas ganz anderes, es geht ja darum, Musik zu machen und sein Bestes zu geben.“ Dass Fragen kommen, versteht Michael Hoffmann. Und er hat die Erfahrung gemacht, dass es am sinnvollsten ist, diese Fragen zu beantworten. Ja, er sei von Geburt an blind. Und ja, er erkläre gerne, wie er geführt werden möchte.
„Wenn man offen darüber redet, dann ist auch diese Sache mit dem Mitleid vom Tisch. Und jeder kennt sich aus. Ich weiß wovon ich rede, denn ich habe fast nur mit Menschen zu tun, die sehen. Ich finde es am allerbesten, die Dinge offen anzureden.“
Die Vorbereitungen für die Fernsehauftritte finden im ORF Zentrum am Küniglberg in Wien statt. An Michaels Seite ist ein guter Freund, der für diese Zeit von seinem Arbeitgeber Jugend am Werk freigestellt ist und vom ORF bezahlt wird. Er lotst den jungen Musiker durch das große, unübersichtliche Fernsehzentrum und begleitet ihn zum Hotel und wieder zurück in den ORF. „Ich muss sagen, das war schon großartig, das war schon echt toll.“
Michael Hoffman wird in dieser aufregenden Zeit von seiner Familie und seinen Freunden unterstützt. Aber er merkt auch, wie ganz Mönchhof hinter ihm steht. „Es ist schon etwas sehr Besonderes, wenn man spürt, wie die ganze Ortschaft zusammenrückt und dass die Leute schon ein bissl stolz auf einen sind. Das gibt Kraft, das gibt einem sehr viel. Ich habe in dieser Zeit so viele schöne Erfahrungen gemacht und so viel gelernt.“
Der Erfolg bei Starmania war groß, und auch die Hoffnung, an diesen Erfolg anknüpfen zu können. Vor allem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der letzten Runde, die oft im Fernsehen aufgetreten sind, waren in ganz Österreich bekannt. Man träumt davon, einen Hit zu landen, eine erfolgreiche Platte herauszubringen, in Ö3 gespielt zu werden. „Das hat alles nicht so funktioniert. Dann kommen die Rückschläge. Und man lernt, und das ist nicht immer so angenehm, was man kann und was nicht, was möglich ist und was nicht geht.“ Der junge Musiker muss zur Kenntnis nehmen, dass seine Sehbehinderung im Showbusiness durchaus eine Rolle spielt, dass man oft nicht gebucht wird, wenn man als Sänger nicht durch‘s Publikum gehen kann.
„Das ist eine harte Schule, die einen in seine Schranken weist. Aber das ist gar nicht so schlecht. Denn wenn man weitermachen will, muss man wissen, was möglich ist und was funktionieren kann. Um das herauszufinden, muss man Sachen einfach ausprobieren.“
Nach Starmania
Natürlich will der leidenschaftliche Musiker weitermachen. Und er tut es bis heute. Er spielt in unterschiedlichen Formationen. Mit den Puszta Ramblers tritt er bei Zeltfesten, Geburtstagsfeiern und Sportfesten auf, wo Party Musik gespielt wird. Mit Andreas Salzer, einem befreundeten Gitarristen, macht er als Duo Tanz- und Barmusik. Alleine oder zusammen mit einer Sängerin sorgt er bei Hochzeiten und Taufen für eine stimmungsvolle Musik. „Die Musik ist mein zweites Standbein, mein zweiter Job. Deshalb habe ich auf der TU Wien auch nur eine 20 Stunden Anstellung. Denn ich spiele so gut wie jedes Wochenende.“
Michael Hoffmann steht freitags und samstags auf der Bühne, manchmal auch sonntags, und verdient Geld mit seinem Talent und Können. Die Musik ist eine Verdienstmöglichkeit und sie ist seine große Leidenschaft. „Es ist einfach schön, wenn man auf der Bühne steht, wenn man für die Leute spielt und merkt, wie eine Stimmung aufkommt, wie man in den Leuten etwas bewegt. Musik hat ja viel mit Emotion und Erinnerung zu tun. Mit der Musik kann man die Menschen zum Tanzen, zum Lachen, Weinen oder Nachdenken bringen. Es ist schön, das machen zu dürfen.“
Seine Musik motiviert Menschen auch, Michael Hoffmann zu schreiben. In der Zeit von Starmania erhält der Musiker sehr viel Fanpost, auch von einer jungen Frau aus Graz, die in einer Filmfirma arbeitet. „Ich habe mich für ihre E-Mail bedankt, wie ich das bei allen anderen auch gemacht habe. Sie hat mir geschrieben, dass sie Cutterin ist, dass sie Filme schneidet. Das hab‘ ich interessant gefunden und hab‘ nachgefragt, welche Filme und so sind wir ins Schreiben gekommen.“ Später telefonieren die beiden miteinander, sie treffen sich, freunden sich an und werden ein Paar. Sie gründen eine Familie, im Jahr 2009 kommt ihre Tochter Elena auf die Welt und ein Jahr später wird die Hochzeit gefeiert.
Durch die Arbeit an der TU Wien und seine Auftritte als Musiker, bleibt Michael Hoffmann zwar nicht mehr so viel Zeit, eigene Lieder zu schreiben, aber dennoch gelingt es ihm immer wieder. Seine letzte Single hat er im Jahr 2018 aufgenommen. Und beides erfüllt ihn, Künstler zu sein und mit seinen Formationen die Menschen zu bewegen und zu unterhalten.
Wer Michael Hoffman kontaktieren und buchen möchte, kann dies über seine Homepage machen: www.michael-hoffmann.at. Termine und Auftritte des Duos Michael Hoffmann & Andreas Salzer sowie der Puszta Ramblers (sowie ein kürzlich online gestelltes Video des Duos) finden sich auf der Facebook Seite von Michael Hoffmann.
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