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Portraits

Eine junge Frau beim Schreibtisch vor einem Notebook mit vorgeschalteter Braillzeile.
Bildinfo: Mit PC und Internet kann Lisa Madl ihrer Arbeit problemlos nachgehen, ob im In- oder im Ausland. © privat / Foto zur Verfügung gestellt.

Mut und Möglichkeiten

Als Studentin jobbt Lisa Madl bei Audio2 und findet über diesen Nebenjob zu ihrem jetzigen Beruf. Die junge Frau, sie ist Ende zwanzig, arbeitet hauptberuflich an Audiodeskriptionen, also an Texten für Hörfilme.

Lisa Madl im Portrait

Lisa Madl studiert Übersetzen und Dolmetsch in Wien. Von einem Bekannten erfährt sie, dass bei der Wiener Firma Audio2, die Audiodeskriptionen (Ad) für Film und Fernsehen produziert, Mitarbeiter:innen, die blind oder stark sehbehindert sind, gesucht werden. Die Sache interessiert sie und sie bewirbt sich. „Ich hab schon immer gern mit Sprache und Texten gearbeitet, und so bin ich 2015 in die Audiodeskription hineingerutscht.“ Während des Masterstudiums kann sich die sprachbegabte junge Frau noch vorstellen, als Konferenzdolmetscherin zu arbeiten. Doch bald ist ihr klar, dass sie sich lieber Texten widmet und an Formulierungen feilt, als unter Zeitdruck bei Konferenzen zu dolmetschen. „Die Audiodeskriptionen bieten mir diese Möglichkeit. Man hat in den Sprechpausen eines Films nur wenig Zeit, um all das zu beschreiben, was blinde Menschen wissen müssen, um einem Film folgen zu können. Die Ad muss also kurz und aussagekräftig sein. Es macht mir Freude, passende Ausdrücke oder Synonyme zu finden.“

Diese Tätigkeit macht ihr Spaß, sie arbeitet auch gerne freiberuflich und kümmert sich um neue Aufträge und neue Auftraggeber im deutschsprachigen Raum. Aus einem Nebenjob wird nach fünf Jahren allmählich eine hauptberufliche Tätigkeit.

„Inzwischen mache ich Ad für Fernsehfilme, vor allem für verschiedene Krimiformate, manchmal auch für Kinofilme und Serien für Streaming-Plattformen. Bei ein paar Theaterstücken habe ich auch schon mitgearbeitet.“

In den ersten Jahren trifft sich die Studentin mit den Kolleg:innen von Audio2 persönlich. Als sie 2019 nach Brüssel geht, beginnt sie online zu arbeiten. Sie und ihre Kolleg:innen sind also bestens vorbereitet, als die Corona Pandemie ausbricht. „Wir arbeiten auch jetzt noch oft online, weil ich viel Zeit in Brüssel verbringe. Wenn ich aber in Österreich bin, treffen wir uns, es ist einfach nett, gemeinsam zu arbeiten und Kontakte zu pflegen.“


Gegen Ende des Studiums überlegt Lisa Madl, für eine Weile ins Ausland zu gehen. So könnte sie ihre Sprachkenntnisse in Englisch oder Französisch vertiefen und ein neues Land kennenlernen. Aber wie ließe sich ein Auslandsaufenthalt am besten organisieren? Wenn man blind ist, sind noch ein paar zusätzliche Dinge zu bedenken. Eine Freundin erzählt ihr von ihrem Freiwilligeneinsatz in Belgien und vom Europäischen Solidaritätskorps (ESK).  Junge Menschen erhalten beim ESK die Möglichkeit, neun bis zwölf Monate in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten, beispielsweise bei einer Nichtregierungsorganisation (NGO). „Ich hab mir gedacht, das klingt total spannend, das interessiert mich. Außerdem könnte ich in Belgien an meinem Französisch arbeiten.“

Die ausgebildete Übersetzerin und Dolmetscherin findet in Brüssel eine NGO, die sich für die Rechte und für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Dort will sie mitarbeiten, dort bewirbt sie sich und beginnt 2019 mit ihrem Freiwilligendienst beim European Network on Independent Living (ENIL). Diese NGO ist mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen vertraut. „Die NGO hat mir eine Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes organisiert. Ich habe außerdem gleich zu Beginn meines Aufenthalts ein Mobilitätstraining bekommen. Zuerst bin ich nur von der Wohnung zur Arbeit und zum Supermarkt, dann hab ich langsam meinen Radius erweitert.“ Die Arbeit ist interessant, die Kolleg:innen sind nett, doch viele wohnen außerhalb der Stadt. Die erste Zeit ist sehr herausfordernd.

„Am Anfang habe ich gedacht, oh, es ist schwierig, Leute kennenzulernen. Da habe ich mich immer sehr über Besuch aus Österreich gefreut. Es war auch nicht so leicht, mich in der Stadt zu bewegen, Brüssel ist nicht so barrierefrei.“


Lisa Madl will nicht nur ihre Französischkenntnisse verbessern, sondern auch Niederländisch lernen. Sie besucht einen Sprachkurs und trifft dort nette Leute. In Brüssel lernt sie auch ihren jetzigen Partner kennen, er ist Belgier und lebt schon lange in der Hauptstadt. „Über ihn habe ich wieder neue Leute kennengelernt, so hat sich der Freundeskreis ausgedehnt.“ Seinetwegen bleibt die junge Frau auch noch in Brüssel, als ihr Freiwilligendienst endet. Sie absolviert noch ein Praktikum beim Rat der Europäischen Union (EU), wo sie in der Abteilung für Social Media und Kommunikation mitarbeitet. Seitdem pendelt sie zwischen Österreich und Belgien hin und her, Brüssel ist ihr inzwischen zu einem zweiten Zuhause geworden.

Lisa Madl wächst als Einzelkind in Gumpoldskirchen in Niederösterreich auf. Sie ist von Geburt an stark sehbehindert, kann in den ersten Lebensjahren zwischen Hell und Dunkel unterscheiden, sowie Farben und Kontraste erkennen. Inzwischen ist das nicht mehr möglich. Das Mädchen erhält Frühförderung und erlernt ein Jahr vor seinem Schuleintritt die Brailleschrift. In der Volksschule wird das Kind von einem Stützlehrer begleitet und arbeitet bereits in der zweiten Klasse am PC und mit Braillezeile. Sie sei gerne in die Schule gegangen, sei von ihren Eltern und Lehrer:innen sehr unterstützt worden, erzählt Lisa Madl.

„Ich hatte das Glück, dass ich nie gemobbt wurde. In der Volksschule habe ich zwar ein bisschen nebenher existiert in der Klasse, also ich hatte nicht so viele enge Freunde, aber ich war ganz zufrieden. Später im Gymnasium habe ich gute Freundinnen, habe ich super Leute kennengelernt, mit denen ich noch immer sehr befreundet bin. Das war wichtig, denn als Teenager will man dazugehören und mit Gleichaltrigen etwas unternehmen, nicht mit den Eltern.“


Wohin nach der Volksschule? Lisas Eltern entscheiden sich für das Gymnasium in der Bachgasse in Mödling. Der Direktor ist offen, bereitet die Lehrkräfte vor und fragt, wer sich zutraut, eine blinde Schülerin zu unterrichten. Der Stützlehrer steht der Gymnasiastin wieder zur Seite, vor allem in den Fächern Mathematik und Physik. Er arbeitet aber auch eng mit den Lehrer:innen zusammen und zeigt ihnen, wie sie den Unterrichts- und Schularbeitsstoff aufbereiten müssen. „Man muss als Stützlehrer mit beiden Seiten arbeiten, mit den Schüler:innen und den Lehrer:innen, sodass es gut klappt. Aber das ist keine einfache Aufgabe.“ Lisas Lehrkräfte sind offen, sie schätzen es, Neues zu lernen.

„Meine Turnlehrerin hat zum Beispiel eine Zusatzausbildung gemacht, damit sie mich am Skikurs den Hang hinunterlotsen kann. Sie hat noch beim letzten Klassentreffen davon geschwärmt, dass ihr das Spaß gemacht hat. Das war toll.“ (Lacht)

Lisa lernt bereits als fünfjähriges Kind Skifahren. Die Eltern, die selbst gerne Skifahren gehen, melden ihre Tochter in einer Skischule an und ein Skilehrer ist bereit, mit dem kleinen Mädchen zu fahren, das kaum etwas sieht. „Am Anfang habe ich seinen Skistecken gehalten. Wie ich schon besser fahren konnte, bin ich hinter ihm gefahren und seinen Zurufen gefolgt. Wir haben uns ein eigenes System erarbeitet und ich bin viele Jahre mit ihm Ski gefahren. Mach es heute noch.“ Die Eltern unterstützen ihr Kind, Dinge auszuprobieren. Sie gehen mit Lisa Wandern und Eislaufen, sie darf im Volksschulalter Klavierspielen und Reiten lernen. Reiten zählt neben Lesen, Netflix Serien schauen, Backen und Stricken noch heute zu ihren Hobbys.


Es ist für die Maturantin nicht einfach, vom Gymnasium auf die Universität zu wechseln. Denn beim Studium ist sie sehr auf sich gestellt. Sie muss jedem Vortragenden erklären, was sie bei den Vorlesungen, Übungen und Prüfungen braucht. Das erfordert Zeit, Energie und Geduld. „Es gab Lehrkräfte, die sofort gecheckt haben, dass ich da bin und sichergestellt haben, dass ich bekomme, was ich brauche. Bei anderen hat es nicht so gut funktioniert. Sie haben zum Beispiel beim Prüfungstermin, obwohl ich sie vorab gebeten habe, darauf vergessen, die Fragen digital mitzubringen. Es war schon mitunter schwierig. Aber es war ein Vorteil, dass bei meinem Studium vor allem mit Texten gearbeitet wird.“ Auch die Kolleg:innen müssen dazulernen. Sie müssen verstehen, dass ihre blinde Kommilitonin nicht auf sie zukommen kann, wenn man sich in einem großen Hörsaal wieder begegnet, sondern dass sie auf Lisa zugehen müssen.  

Lisa Madl möchte als Studentin Berufserfahrung sammeln, aber es ist nicht so einfach, ein Praktikum zu bekommen, wenn man blind ist. Sie bewirbt sich beim Talent Programm von myAbility. Da werden Studierende und junge Akademiker:innen mit Behinderungen mit Unternehmen vernetzt, die für Mitarbeiter:innen mit Behinderungen offen sind. „Man bekommt Lebenslauf- und Bewerbungscoaching, und kann bei verschiedenen Unternehmen hineinschnuppern und sich die eine oder andere Abteilung anschauen, die einen interessiert.“ Die junge Dolmetscherin verbringt einige Tage bei den Übersetzer:innen von PricewaterhouseCoopers (PwC), einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften weltweit. Und kann dort dann ein mehrwöchiges Praktikum absolvieren. Außerdem hat sie die Möglichkeit, mit dem Talent Programm einige Tage bei der Österreichischen Nationalbank zu schnuppern. Als sie sieht, dass dort Praktika für Studierende ausgeschrieben sind, bewirbt sie sich, wird genommen und arbeitet vier Monate dort. Sie bekommt Texte zum Übersetzen und Korrekturlesen.

„Das waren ganz wichtige Berufserfahrungen für mich. Es ist auch wichtig, dass ich bei meinem Lebenslauf Praktika anführen kann. Dieses Talent Programm von myAbility ist eine tolle Sache. Das empfehle ich unbedingt weiter.“


Inzwischen steht die studierte Dolmetscherin im Berufsleben und wird sich nach etlichen Jahren in Brüssel wieder daheim niederlassen. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt für sie und ihren Freund. Das Paar zieht gemeinsam nach Österreich und wird in Maria Enzersdorf wohnen. Lisa Madl freut sich darauf, wieder mehr Zeit für ihre Familie und Freund:innen zu haben. Sie sagt, sie habe sehr viel Glück gehabt. Es sei wichtig, dass man auch als blinde Person die Chance erhalte, viel auszuprobieren, und dass man selbst auch den Mut aufbringe, Neues zu wagen. Es brauche beides, Mut und Möglichkeiten. Die junge Frau ist nicht nur ihren Eltern dafür dankbar, dass sie sie unterstützt und gefördert haben, sondern auch all jenen Menschen, die wie ihre Lehrkräfte, ihr Skilehrer oder ihre Klavierlehrerin, offen auf sie zugekommen sind und sich auf eine neue Erfahrung eingelassen haben.

Das Europäische Solidaritätskorps: https://www.solidaritaetskorps.at/
European Network on Independent Living: https://enil.eu/
myAbility talent Programm: https://karriere.myability.jobs/myabilitytalent

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