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Fünf Personen stehen vor den Fenstern und dem Moderationstisch der Louis Braille Stuben und lachen in Richtung Kamera
Bildinfo: Themenabend-Koordinatorin Marion Putzer-Schimack, Sezer Misirli, Frau Agnes, Herr Selim und Herbert Hametner © BSVWNB/Martin Tree

Neue Arbeitswelten: Den eigenen Fähigkeiten vertrauen

Seit mittlerweile 20 Jahren unterstützen die MitarbeiterInnen der Beruflichen Assistenz blinde und sehbehinderte Menschen in der Berufswelt. Der letzte Themenabend vor der Sommerpause beschäftigte sich deshalb mit der Frage, welche Veränderungen und Herausforderungen der Arbeitswelt für blinde und sehbehinderte Menschen anstehen.

Am Podium für den Themenabend im Juni nehmen diesmal Herbert Hametner, der Projektleiter der Beruflichen Assistenz, und seine Kollegin aus Niederösterreich, Sezer Misirli, Platz. Außerdem erzählen zwei sehbehinderte Gäste, Agnes und Selim, und noch weitere Personen aus dem Publikum von ihren Erfahrungen im Berufsleben.

Herbert Hametner, der das Projekt der Beruflichen Assistenz leitet, gibt zu Beginn des Abends einen kurzen Überblick über das Leistungsspektrum der Beruflichen Assistenz. So werden etwa Jobcoaching, Arbeitsassistenz, Jugendcoaching und Berufsausbildungsassistenz für Menschen mit Sehbehinderung und blinde Menschen angeboten. Oft agieren die MitarbeiterInnen der Beruflichen Assistenz auch als Vermittler zwischen ArbeitgeberIn und den KollegInnen. Sie sensibilisieren, klären auf und beugen dadurch Missverständnissen oder Konflikten vor. Herr Hametner weist jedoch darauf hin, dass die Behindertenarbeitslosigkeit steigt und dass noch sehr viel in Bezug auf Chancengleichheit zu tun ist.

Klassische Berufe für blinde ArbeitnehmerInnen

Als Grund dafür nennt Herbert Hametner unter anderem, dass die klassischen Berufe wie TelefonistIn oder StenotypistIn, die blinde oder sehbehinderte Personen früher oft ausübten, aufgrund der Digitalisierung in naher Zukunft nicht mehr benötigt werden. Mit dieser Herausforderung muss sich auch Theo, der seit 40 Jahren in der Telefonvermittlung einer universitären Einrichtung tätig ist, auseinandersetzen. „Vieles wird bereits über das Internet oder Mail geregelt. Vor allem für meine jüngeren KollegInnen ist es schwierig, denn sie werden in den kommenden Jahren eine Umschulung brauchen, wenn die Telefonvermittlung nicht mehr benötigt wird“, berichtet er. Mit dem Thema Umschulungen beschäftigt sich auch Sezer Misirli, die bei der Beruflichen Assistenz Niederösterreich arbeitet. Sie versucht mit Hilfe von Gesprächen und Leistungsdiagnostik gemeinsam mit den betroffenen Personen herauszufinden, wie eine Neuorientierung im Berufsleben aussehen könnte.

„Es geht oft darum, Nischenarbeitsplätze zu finden. Wichtig ist dabei, dass man nicht alle Menschen über einen Kamm schert. Jeder Mensch hat individuelle Anforderungen, auf die wir eingehen“, betont Frau Misirli.

Nischenarbeitsplatz als Regalbetreuer

Auch Selim, der heute als Gast beim Themenabend von seiner Erfahrung erzählt, hat so einen Nischenarbeitsplatz gefunden. Er arbeitet als Regal- und Kundenbetreuer in einem Supermarkt in der Getränkeabteilung. Obwohl er nur über 15 Prozent Restsehvermögen verfügt, verwendet Selim bei seiner Arbeit so gut wie keine Hilfsmittel. Er erkennt die unterschiedlichen Getränke an der Form der Verpackung oder an ihrer charakteristischen Farbe. Nur selten verwendet er zusätzlich eine Barcode App, die ihm sagt, um welches Getränk es sich handelt.

„Ich mache meine Arbeit trotz meiner Sehbehinderung gut und kann auf die Unterstützung meiner KollegInnen und meines Chefs zählen“, fasst Selim seinen Arbeitsalltag zusammen.

Eine blinde Sozialarbeiterin

Agnes sieht ihre Behinderung als zusätzliche Qualifikation in ihrem Arbeitsbereich. Sie arbeitet als Beraterin für die WAG in St. Pölten und hat zuvor das Studium der Sozialen Arbeit absolviert. Im Berufsalltag kann sie auf eine persönliche Assistenz zurückgreifen, die sie bei Außendiensten oder in der Mittagspause unterstützt. Wenn ihre Kollegin ihr nach elf Jahren immer noch eine handschriftliche Notiz auf den Schreibtisch legt, nimmt Agnes das mit Humor.

Herausforderungen bei der Jobsuche

Während einige Unternehmen mit eigenen Diversitätsprogrammen vermehrt ArbeitnehmerInnen mit Behinderung ansprechen wollen, zahlen andere Firmen stattdessen Ausgleichstaxen. Denn eigentlich müsste jeder Betrieb ab 25 MitarbeiterInnen auch eine Person mit Behinderung anstellen. „Manche Betriebe wissen nicht, wie sie mit Menschen mit Behinderung umgehen sollen. Als Berufliche Assistenz wollen wir genau hier aufklären“, so Sezer Misirli.

Damit mehr blinde und sehbehinderte ArbeitnehmerInnen erfolgreich einen neuen Job finden, unterstützt die Berufliche Assistenz auch in Bewerbungssituationen und bei den immer öfter angebotenen Assessment Centern. Auch in der Einarbeitungsphase nach einer erfolgreichen Bewerbung können die neuen MitarbeiterInnen auf Unterstützung zählen. In dieser Phase geht es auch oft darum, Berührungsängsten der KollegInnen entgegenzuwirken.

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Dass es blinde Menschen schon lange nicht mehr nur in die klassischen Berufssparten zieht, zeigt auch ein anderes positives Beispiel. So arbeitet ein blinder Mann, der sich sehr für Waschmaschinen interessiert, mittlerweile als Verkäufer in einem großen Elektrogeschäft. Dort verkauft er Waschmaschinen und andere Großgeräte und erfreut seine KundInnen mit großem Fachwissen. Ein eigener Computer mit Braillezeile ermöglicht es ihm, beispielsweise Bestellungen durchzuführen oder Lagerbestände zu überprüfen. „Das ist durchaus ein ungewöhnlicher Fall, der uns sehr freut. Wichtig ist am Ende, dass man von sich selbst überzeugt ist und weiß, dass man etwas kann“, gibt Herbert Hametner den Anwesenden beim Themenabend noch mit.

 

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