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Portraits

Eine junge Frau mit langen geflochtenen Haaren riecht an den Blüten einer Blumenranke.
Bildinfo: Neugierig und staunend erlebt Melanie Prehsegger das fremde Land. © Prehsegger / Foto zur Verfügung gestellt.

Ohne Angst und voller Neugierde

Melanie Prehsegger, von Geburt an sehbehindert, studierte an der Fachhochschule (FH) Soziale Arbeit und absolvierte ihr Praktikum in Ostafrika, in Tansania.

Interview mit Melanie Prehsegger

Sie haben im Jahr 2017 einige Monate in einer Einrichtung mitgearbeitet, wo Kinder und Jugendliche leben. Dieses Praktikum wurde über die FH organisiert. Was hat Sie bewogen, in ein afrikanisches Kinderheim zu gehen? Sie hätten Ihre Praxiszeit, die für das Studium erforderlich ist, auch zuhause machen können.

Melanie Prehsegger: Weil ich neugierig bin und gerne reise. Ich wollte diese Chance nutzen. Für mich als Studentin war es auch eine kostengünstige Möglichkeit, ein anderes Land, einen anderen Kontinent kennenzulernen, denn Kost und Logis waren frei. Außerdem war für mich noch wichtig, dass ich dieses Praktikum zusammen mit meiner Studienkollegin machen konnte, die vorher schon einmal in Afrika war. Ich reise nicht gerne allein, ich mach das lieber zu zweit, zu dritt oder in einer Gruppe. Aber am meisten hat mich meine Neugierde motiviert.

Die Einrichtung ist in einem kleinen Ort im Nordosten des Landes. Und zwar in der Nähe von Moshi, einer Stadt, die am Südhang des Kilimandscharo liegt. Woher kommen die Kinder, die dort leben?

Melanie Prehsegger: Wir waren in einem Haus, wo Kinder unterkommen, die keine Familie haben. Weil sie von der eigenen Familie verstoßen werden, weil kein Platz mehr für sie da ist oder weil sie behindert sind.

Denn Behinderung wird in dieser Kultur oft als Schande oder Strafe Gottes angesehen.

Es gibt in Tansania oder überhaupt in Afrika viele Einrichtungen, wo man sich um Kinder und junge Menschen kümmert. Die Einrichtung, wo wir waren, trägt den plakativen Namen Light in Africa und wurde von einer Engländerin gegründet. Sie nennt sich Mama Lynn, alle nennen sie so. Viele Kinder sind schon als Babys zu ihr gekommen und bleiben bis ins junge Erwachsenenalter dort. Ungefähr 200 leben in den verschiedenen Häusern. Und viele haben Sponsoren, die zum Beispiel das Schulgeld übernehmen.


Diese Einrichtung hat mehrere Standorte und fast alle MitarbeiterInnen kommen aus der Gegend. Dann gibt es noch Freiwillige wie Sie und Ihre Kollegin, die im Rahmen eines Auslandsaufenthalts mitarbeiten. Wie schaut das Heim aus, wo Sie waren?

Melanie Prehsegger: Unsere Einrichtung ist in einem Dorf namens Boma la Ngombe. Sie besteht aus dem Haupthaus und einem Garten und dahinter sind kleinere Häuser und Hütten, die für afrikanische Verhältnisse schön hergerichtet sind. Es gab ein Haus für die Kiddies, also für die Kleinen, eines für die Schulkinder und noch weitere für die größeren Burschen und Mädchen. Dann gab es noch eine eigene Unterkunft für die behinderten Kinder. Im Haupthaus haben wir immer gegessen, dort sind auch die Büro- und Lagerräume. Meine Kollegin und ich hatten eine eigene kleine Hütte, die aus einem Raum bestand. Man geht ein paar Stufen hinauf und in diesem Raum standen zwei Betten mit Moskitonetzen und eine Couch. Wir hatten einen Kleiderschrank und sogar ein kleines Bad. Wenn es Wasser gab, konnten wir unsere eigene Dusche und Toilette benutzen. Ein echtes Privileg. Wir hatten auch einen Wasserkocher. Wir haben das Wasser immer abgekocht, man kann es in Tansania schon trinken, aber wir haben das fast nie gemacht, weil ich die Leitungen gesehen hab und dann haben wir es gelassen.

Wie fanden Sie die afrikanische oder besser gesagt die tansanische Küche? Wie haben Sie das Essen vertragen und was haben Sie gegessen?

Melanie Prehsegger: Am fremdesten war für mich eine Speise namens Ugali. Das ist ähnlich wie Fufu in Kenia. Ugali ist ein bissl so wie bei uns der Sterz. Es ist ein nahrhafter Getreidebrei aus Maismehl, aber sehr fest, so eine dicke Pappe, die gekocht oder geschlagen wird. Das ist sehr sättigend und fühlt sich an wie Knetmasse. Man kriegt so einen festen Patzen auf den Teller, den nimmt man in die Hand, bricht Stücke davon ab und tunkt sie meistens in ein Bohnengericht ein. Ugali ist so grauweiß, irgendwie hat es schon geschmeckt, man isst das zu jeder Mahlzeit. Ich habe das Essen gut vertragen, ich hatte keine Probleme.


In Tansania gibt es zahlreiche Gifttiere wie giftige Spinnen, Schlangen oder Skorpione. Auch giftige Raupen und Ameisen kommen vor. Gab es jemals eine gefährliche Situation?

Melanie Prehsegger: Nein, zum Glück nicht. Wir hatten keine giftigen Spinnen oder giftigen Schlangen, aber eine furchtbare Moskitoplage. Wir haben neben einem Bach gewohnt und manchmal war beim Essen alles schwarz, weil die Gelsen geflogen sind. Es war unfassbar, aber man lernt damit zu leben. Wenngleich die Malaria natürlich nicht zu unterschätzen ist, die ja von den Moskitos übertragen wird. Zum Glück sind wir beide frei von Malaria geblieben. Gegen andere Erkrankungen wie Gelbfieber muss man geimpft sein, um überhaupt einreisen zu können. Wir hatten auch Medikamente für diverse Notfälle und Erkrankungen mit. Dann gab es noch diese Grillen, riesig, laut und brummig. Es waren fette, große Käfer, die einen angeflogen sind und die auch in den Häusern waren. Wenn ich nur daran denke, fängt es schon zu jucken an, das war schrecklich. Das war das einzige, wovor es mich richtig gegraust hat. Aber giftig waren sie nicht. Und ja, Salamander hatten wir auch in unserem Zimmer. Das waren unsere Mitbewohner.

Sie haben von Geburt an eine Sehbehinderung. Wie würden Sie Ihr Sehvermögen beschreiben und wie ist es Ihnen möglich, sich in einer gänzlich unbekannten Umgebung zu orientieren?

Melanie Prehsegger: Also ich sehe ja nur auf einem Auge, in der Nähe besser, in der Ferne schlechter. Also ungefähr zehn Prozent Sehvermögen, und ich kann Farben erkennen. Am Anfang waren wir in der Einrichtung oft zu zweit unterwegs. Wenn ich allein unterwegs bin und mich verlaufe, dann frag ich einfach oder versuche, meinen Weg zu finden. Ich bin da ziemlich entspannt. Klingt einfach, ist es natürlich nicht immer, aber ich versuche die Situation anzunehmen und das Beste draus zu machen.


Sie haben sich vor Ihrer Abreise auf Land und Leute vorbereitet und auch einen Sprachkurs in Swahili, in Suaheli gemacht. Außerdem ist Englisch neben Swahili Amtssprache. So konnten Sie sich also verständigen. Was genau haben Sie in dieser Einrichtung gemacht? Wie hat Ihr Tagesablauf ausgesehen?

Melanie Prehsegger: Wir waren die ganze Zeit mit den Kindern zusammen. Wir haben mit ihnen gelebt. Es gab praktisch keine Trennung von Arbeit und Freizeit, so wie das bei uns ist. Das gibt es auch bei den Leuten, die dort beschäftigt sind, nicht. Sie kommen und gehen, dann nehmen sie vielleicht einmal ihre eigene Familie mit, dann hat man plötzlich ein Kind auf dem Arm, es ist alles so ein bissl durcheinander. Alles ist langsamer, nichts muss zu einer bestimmten Zeit getan werden. Also am Vormittag waren wir meistens bei den Kleinen im „Kindergarten“. Sie haben sich fast immer draußen auf einer betonierten Fläche aufgehalten, wo sie mit Kreiden gezeichnet oder geschaukelt haben. 

Sehr oft wurden die Kinder einfach abgelegt. Es gibt in dieser Einrichtung viele behinderte Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung kaum oder gar nicht gehen können.

Und die Dada, die die Kinder betreut, ist dort gesessen, hat sich aber nicht viel mit den Kindern beschäftigt. Wir haben mit ihnen Bilderbücher angeschaut oder etwas gespielt. Aber man kann auch nicht so viel machen, denn sie sind noch sehr wild oder frei, sie werden erst in der Schule diszipliniert.

Am Nachmittag waren auch die Schulkinder da. Welche Angebote haben Sie den größeren Kindern gemacht?

Melanie Prehsegger: Mit den Schulkindern haben wir über verschiedene Gesundheitsthemen geredet, wie zum Beispiel über gesunde Ernährung. Die älteren Kinder hatten bei ihrem Haus auch einen Garten dabei, wo sie etwas anpflanzen konnten. Wir haben ein Quiz gemacht, wir haben verschiedene Obst- und Gemüsesorten ausgeschnitten, wollten es auch lustig, verständlich und unterhaltsam machen, nicht nur darüber reden. Wir konnten ja nur ein bissl Suaheli und halt Englisch. In der Schule werden die Kinder sehr streng erzogen, auch mit Strafen und teilweise mit Gewalt. Oft fehlt es an Unterrichtsmaterialien. In der Volksschule teilen sich zwei, drei Kinder ein Buch und ein Heft. Ihre Hausaufgaben machen sie meist nebenbei, wenn sie draußen spielen.


Sie haben dieses Praktikum gemeinsam mit Ihrer Studienkollegin Judith absolviert. Haben Sie auch immer zusammen gearbeitet?

Melanie Prehsegger: Ja, wir haben immer gemeinsam gearbeitet und das hat wirklich wunderbar funktioniert. Wir haben auch zusammen gewohnt, sind also echt viel aufeinander gepickt, aber es hat gut funktioniert. Es war eine total angenehme Zeit. Wir haben über alles reden können und ich glaub, das macht es auch aus. Wir haben uns diese Einrichtung auch deshalb ausgesucht, weil dort eine Sozialarbeiterin war, die uns supervidieren konnte. Sie hat mit uns über unsere Arbeit und über bestimmte Ereignisse geredet, da wir ja vieles nicht verstanden haben. Das war sehr hilfreich.

Gab es etwas bei Ihrer Arbeit in dieser Einrichtung, das Ihnen schwergefallen ist?

Melanie Prehsegger: Ich stelle meine Rolle, die ich dort hatte, schon in Frage. Ich habe den Kindern zwar viel mitgegeben und wir haben auch oft eine Gaudi gehabt, aber die Denkweise, die sie haben, werde ich nie haben.

Ich hab schon versucht, mir diese Denkweise ein wenig anzueignen, aber das ist halt ein ganz anderes Leben, eine ganz andere Kultur.

Dann gab es noch etwas, das für mich schwierig war. Es hat in einigen Häusern wirklich gestunken. Vor allem dort, wo die Kleinen waren, denn sie haben einfach überall hingemacht. Das war wirklich ein arger Geruch, mit dem ich echt zu kämpfen hatte. Nur im Haus mit den Kindern, die mehrfach behindert waren, war es sauber und hat nicht gestunken. Allerdings liegen die Kinder dort die ganze Zeit. Und die Kleinen werden ganz warm angezogen, mit Handschuhen und Wollmützen, auch wenn es warm oder heiß ist. Die Babys haben mir schon leidgetan, die waren alle so angepackt.

Welches Ereignis, welche Begegnung hat Sie besonders gefreut?

Melanie Prehsegger: Es gab dort ein Mädchen, das hatte starke Skoliose, es hat ausgeschaut wie ein U-Hakerl. Mit ihm hab ich mich sehr viel beschäftigt. Es war ungefähr fünf oder sechs Jahre alt. Ein unglaublich liebes Kind, ich hab es so gern gehabt. Es war komplett bucklig und konnte gar nicht gehen. Ich hab mich mit ihm befasst und es hat gar nicht so viel gebraucht, dass es wieder gehen konnte. Sie heißt Lucy, es war echt super, dass sie gehen gelernt hat. Vorher ist sie immer nur gesessen oder in einer großen Schaukel gelegen. Sie hat oft gelacht, manchmal hat sie schon geplärrt, aber nur, wenn man ihr weh getan hat. Sie konnte kaum reden, trotzdem haben wir uns richtig gut verstanden.


Das ostafrikanische Land Tansania ist bekannt für seine vielfältige und reiche Natur. Im Kilimandscharo-Nationalpark liegt der höchste Gipfel Afrikas. In den Ebenen des Serengeti-Nationalparks leben Tiere wie Elefanten, Löwen, Leoparden, Büffel oder Nashörner. Hatten Sie Gelegenheit, mehr vom Land zu sehen als die Umgebung der Einrichtung?

Melanie Prehsegger: Ja, ich habe eine Safari gebucht. Am Anfang hab ich mich voll gefürchtet, aber es war so cool. Ich war mit zwei netten Mädels aus Deutschland und einer Chinesin, die ziemlich anstrengend war, unterwegs. Unsere Safari dauerte vier Tage, mehr konnte ich mir nicht leisten, war sehr teuer. Ich war auch beim Ngorongoro, das ist ein Einbruchkrater am Rande der Serengeti. Er entstand, als an dieser Stelle ein Vulkanberg in sich zusammenbrach. Wir haben oben im Zelt geschlafen, es war unfassbar kalt, die Kraterkante ist ja auf einer Seehöhe von ungefähr 2300 Meter. Es war wunderschön, ich hab die Zebras grasen gehört. Ich werde das nie vergessen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Mag. Ursula Müller

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