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Portraits

Mahendra in einem schwarzen Sweater legt seinen Arm um Adriana, die einen weißen Pullover trägt; sie sitzen nebeneinander auf einem orangen Sofa und lachen
Bildinfo: Mahendra und Adriana © BSVWNB/Ursula Müller

Paargeschichten: Adriana und Mahendra

Wie verlieben sich Menschen, die sehbehindert sind und keinen Blickkontakt aufnehmen können? Paare erzählen, getrennt befragt, wie sie einander kennengelernt haben und wie sie miteinander leben.

Adriana und Mahendra Galani sind seit 14 Jahren ein Paar. Sie, 42 Jahre alt, ist in Cluj in Rumänien aufgewachsen und von Geburt an blind. Er, 60 Jahre alt, kommt aus Mumbai in Indien und hat als Kind durch einen Unfall sein Augenlicht verloren. Wien ist ihre gemeinsame Heimat und Englisch ihre Beziehungssprache. Während Adriana im Wohnzimmer erzählt, trinkt Mahendra eine Tasse Kaffee in der Küche. Als er befragt wird, ist sie bereits bei einer Fortbildung über Trauerbegleitung.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Sie: Wir haben uns im November 2005 im Internet kennengelernt. Und zwar in einem indischen Diskussionsforum für blinde Menschen. Ich war auf der Suche nach indischer Musik und Mahendra hat mir einige Titel und Webseiten dafür genannt. Seit ich ein Kind war, fasziniert mich die indische Musik. Meine Mama hat mich als Siebenjährige in einen Bollywood Film mitgenommen. Seit damals liebe, höre und singe ich diese Musik. Mahendra und ich haben uns dann öfters geschrieben und auch geskypt. Ich habe damals noch in Cluj, in Klausenburg gelebt, war aber gerade dabei, eine Reise nach Indien vorzubereiten und bin dann für einige Monate nach Indien gegangen. Am Anfang war ich zwei Wochen in einem Yoga Camp und da gab es kein Internet und somit auch keine Kommunikation mit Mahendra. Und plötzlich habe ich gemerkt, es fehlt mir etwas, dieses tägliche Hallo sagen, wie geht es dir, was hast du heute gemacht. Zuerst war ich erschrocken und habe mir gesagt, nein, ich vermisse keinen Mann. Ich will das nicht, mir geht es gut. Aber dann musste ich doch vor mir selber zugeben, dass mir dieser Austausch fehlt.

Er: Das Internet hat uns zusammengebracht. Ich bin schon lange in dieser Gruppe. Man könnte sie mit dem Donaukurier (Anmerkung: Nachrichten-Newsletter für Menschen mit Behinderungen, im Besonderen für sehbeeinträchtigte Menschen) vergleichen. Also Leute, die blind sind, können sich im Internet austauschen, Tipps zu Hilfsmitteln geben oder über verschiedene Themen diskutieren. Und die, die neu zur Gruppe dazukommen und Mitglied werden möchten, stellen sich kurz vor. So habe ich erfahren, dass Adriana aus Cluj kommt. Ich war damals ja schon lange in Wien. Ich habe sie mit Informationen über indische Musik versorgt und ihr geschrieben, dass ich es sehr nett fände, wenn wir in Kontakt bleiben könnten. So hat alles begonnen. Gerne hätte ich sie noch in Cluj besucht, und zwar bevor ich mit meinem neuen Job anfing und bevor sie nach Indien ging. Aber sie hat das strikt abgelehnt. Sie hat gesagt, nein, wir kennen uns kaum, so geht das nicht. Und wie soll ich das denn meiner Familie erklären wer da kommt?! So ist dieser Besuch nicht zustande gekommen. Unsere erste persönliche Begegnung war dann hier in Wien, das war im April 2006.

Wie flirten Sie, wie nähern Sie sich einander an, wenn Sie keinen Blickkontakt aufnehmen können?

Sie: Bei uns war es ja so, dass wir in den ersten Monaten nur geschrieben und telefoniert haben. Wir sind sehr schnell gute Freunde geworden, wir konnten über alles miteinander reden. Aber ich habe damals überhaupt nicht daran gedacht, dass wir ein Paar werden könnten.

Ich möchte es so sagen, unsere Beziehung hat sich auf einer Vertrauensbasis entwickelt und weiterentwickelt.

Mahendra war schon, wie soll ich sagen, nicht aggressiv, aber sehr kraftvoll. Ich war sehr zurückhaltend. Ich habe mir immer gedacht, dass ich nicht heiraten werde. Sondern dass ich weiterstudieren und weiter mit Kindern arbeiten werde.

Er: Natürlich spielt der Blickkontakt in der Regel eine große Rolle, wenn sich zwei Menschen annähern. Aber ich bekomme vom anderen auch viel mit, wenn ich auf die Stimme höre oder wenn ich auf die ganze Art des Umgangs achte. Besonders viel bekomme ich natürlich über das Gespräch mit, über meine Fragen und wie die Antworten ausfallen. Und auch, was ich gefragt werde. Oder wenn so halb fragend festgestellt wird, dass es in meinem Leben sicher noch eine andere Frau geben wird. Also da merke ich schon, ob es ein Interesse an meiner Person gibt.

Was das Flirten betrifft, das kann man auch über die Stimme ausdrücken.

Und in der virtuellen Welt ist es eh wie bei allen anderen, also, wenn man schreibt und chattet, spielt es keine Rolle, ob man sieht oder nicht. Für mich war es am wichtigsten, dass wir uns persönlich kennenlernen konnten, weil erst dann spüre ich, ob die Chemie zwischen uns stimmt oder nicht. Bei mir war es so, wie es ja oft bei Männern ist, ich habe immer wieder die Initiative ergriffen, beim Schreiben, Skypen oder dass wir uns treffen. Und wie ich Adriana in Wien begegnet bin, habe ich schnell gemerkt, dass ich sie sehr gern habe und heiraten möchte. Und das haben wir dann im Winter 2006 gemacht.

Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Sie: Mein Leben hat sich sehr verändert. Ich habe zuhause in Cluj eine Ausbildung in Physiotherapie und Massage gemacht und dann Psychologie studiert. Außerdem wollte ich in Indien mit Straßenkindern arbeiten. Ich hatte sogar schon einen Job, mir fehlte nur noch die Arbeitserlaubnis. Ich war damals Ende 20. Aber dann habe ich Mahendra in Wien besucht und alles ist ein bisschen anders gekommen. Jetzt bin ich verheiratet, lebe in Wien, habe Deutsch gelernt und hier ein neues Zuhause gefunden.

Er: Das ist meine zweite Ehe. Ich war davor schon einmal verheiratet, wir waren zehn Jahre zusammen und haben uns dann scheiden lassen. Ich war danach vier Jahre alleine und ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob das klappen wird, wieder so eng mit einem Menschen zu leben. Ich war schon so daran gewöhnt, alleine zu sein und nur auf mich zu achten. Und ich hab‘ natürlich nicht gewusst, wie es sein wird, wenn eine andere Person ständig in meinem Leben ist. Aber wir mögen uns, wir lieben uns und im Grunde genommen wollte ich nie alleine leben.


Mussten Sie in Ihrer Beziehung etwas Neues lernen?

Sie: Eines darf man nicht vergessen, wir führen eine interkulturelle Beziehung, da lernt man jeden Tag etwas Neues, egal wie lange man beisammen ist. Und das ist schön, es ist aber auch herausfordernd. Da gibt es natürlich unterschiedliche Einstellungen und Werte. Da ich mich mit Indien aber schon ganz gut ausgekannt hatte, war ich manchmal überrascht, wie liberal mein Mann ist. Außerdem musste ich eine ganz neue Art des Kochens lernen, denn die Küche in Indien ist ganz anders. Oder mit den Fingern zu essen, daran habe ich mich bis heute nicht richtig gewöhnt. Denn meine Oma und meine Mama haben sich sehr bemüht, mir Tischmanieren beizubringen. Diese hatten, wie ich damals in Indien war, keinen Wert, die musste ich über Bord werfen.

Er: Ja, auf jeden Fall. Meine Frau und ich haben nicht nur miteinander gewohnt, sondern eine Zeitlang auch zusammen gearbeitet. Also, da ging es dann wirklich darum, dass wir lernen mussten, unser Privatleben vom Arbeitsleben zu trennen. Das war am Anfang schwer, aber wir haben uns die Zeit dafür genommen und das hat dann gut geklappt.

Was ist Ihnen in Ihrer Beziehung wichtig?

Sie: Vertrauen und dass man den anderen nicht einschränkt. Also, ich will weder seine E-Mails lesen noch seine Passwörter kennen. Ich bin ein abstandsbedürftiger Mensch. Das hat mein Mann verstanden und das respektiert er. Ich gebe ihm auch diesen Freiraum, ich brauche ihn allerdings mehr. Mahendra ist ein sehr geselliger Mensch und muss viele Leute um sich haben. Ich ziehe mich immer wieder gerne zurück.

Er: Vertrauen ist ganz wichtig, und dass wir über viele verschiedene Themen miteinander reden können.

In jeder Beziehung gibt es Unterschiede, Meinungsverschiedenheiten und Streit. Aber für mich ist es ganz wichtig, dass wir nachher darüber reden können und dass wir dann wieder ganz normal miteinander sprechen können.

Ich bin schnell ungeduldig und manchmal werde ich in einem Streit auch laut, aber dann ist es wichtig, dass wir ein klärendes Gespräch führen und uns unsere Liebe wieder zeigen können.

Welche Rolle spielt es, dass Ihre Frau, dass Ihr Mann blind ist?

Sie: Also meine Mama, meine ganze Familie hat sich für mich einen Ehemann gewünscht, der sehen kann, der mich unterstützen kann. Aber wenn ich Hilfe brauche, dann kann ich mir jemanden holen, aber doch nicht heiraten! Ich bin froh, dass es so ist, wie es ist. Denn Mahendra versteht genau, warum ich das Wasserglas so und nicht anders abstelle.

Er: Für mich spielt das eigentlich keine Rolle. Ich kenne beides. Meine erste Frau ist sehend, sie hatte keine Behinderung.

Wenn ich in einen Menschen verliebt bin, dann spielt es für mich keine Rolle, ob er eine Behinderung hat oder nicht, ob er blind ist oder sehend.

Für mich ist es wichtig, dass ich diese Person nett, sympathisch und attraktiv finde.

Wer erledigt welche Aufgaben im Haushalt?

Sie: Also wir haben eine Dame, die uns beim Saubermachen hilft. Das Kochen ist meine Aufgabe und ich will meinen Mann auch nicht mehr kochen lassen. Denn ich habe eine sehr genaue Ordnung in der Küche und wenn die Sachen dann nicht mehr auf ihrem Platz sind, dann ist es ganz schwierig für mich. Mahendra verwaltet unsere Finanzen. Einkaufen gehen wir beide, ich besorge die leichteren Sachen, er die Dinge, die schwer zu tragen sind.

Er: Also für das Kochen ist Adriana zuständig. Da hat sie mir alles abgenommen. Früher, wie ich alleine gelebt habe, habe ich oft gekocht. Für das schmutzige Geschirr haben wir den Geschirrspüler. Den Tisch abwischen und Wäsche aufhängen mache ich. Wäsche sortieren macht sie. Ich kümmere mich um die Finanzen und Verwaltung der Dokumente. Also alles in allem würde ich sagen, dass meine Frau viel mehr macht als ich, mindestens zwei Drittel.

Worüber haben Sie zuletzt gestritten?

Sie: Ich weiß nicht, es war sicher eine Kleinigkeit. Ach ja. Es ging um die Frage an mich: „Wieso kommst du nicht mit?“ Bei uns geht es meistens darum. Und dann zählt Mahendra auf, wer alles noch dabei sein wird, aber darum geht es mir ja nicht. Ich will einfach nur in Ruhe zuhause bleiben und meinen Interessen nachgehen. Ich hab‘ ein Faible für Parfüms, ich meditiere gerne, singe indische Songs und lade sie auf YouTube hoch.

Er:(Überlegt, denkt nach.) Oje, weiß ich gar nicht. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. (Begleitet wird die Antwort von einem herzlichen Lachen.)


Auch die Wissenschaft interessiert sich dafür, wie eine Sinnesbehinderung die Paarbeziehung beeinflusst. Eine großangelegte Studie an der Universität Zürich geht dieser Frage nach. Für SELODY, so heißt diese Studie, werden noch TeilnehmerInnen gesucht. Machen Sie mit, die Ergebnisse dieser Studie fließen in die Beratung von Menschen mit Sehbehinderung ein.

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