Portraits

Paargeschichten: Angélique und Michael
Interview mit Angélique und Michael
Sie, 34 und gelernte Mediendesignerin, arbeitet im Designer Outlet Center in Parndorf in der Information, in der Kundenbetreuung. Er, 40 Jahre alt, geht an der TU Wien bei der Telefonhotline seinem Brotberuf nach und ist freiberuflich als Musiker tätig. Angélique ist sehend und kommt aus Graz. Michael ist von Geburt an blind und in Mönchhof im Burgenland aufgewachsen. Dort lebt das Paar mit seiner zwölfjährigen Tochter Elena. Während er die Fragen beantwortet, setzen Angélique und ihre Tochter ein Puzzle zusammen. Als sie erzählt, spielt Michael mit Elena Domino.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Er: Ich war im Jahr 2004 bei der Casting Show Starmania dabei und hab von der Angi eine E-Mail bekommen. Ich hab‘ damals viel Fanpost bekommen. Aber mit ihr bin ich in Kontakt geblieben. Sie hat mir geschrieben, dass sie eine Lehre in Mediendesign macht und sich mit Filmschnitt beschäftigt. Das hat mich sehr interessiert. Wir haben uns oft geschrieben, haben viel telefoniert, uns einmal kurz in Graz getroffen als ich dort einen Auftritt hatte. Aber erst nach einem Jahr habe ich sie daheim besucht und bei ihr übernachtet, so sind wir ein Paar geworden.
Sie: Meine Mutter hat sich freitags immer die Starmania Sendungen angeschaut, ich habe das nicht verfolgt. Aber einmal hat sie mich geholt und gesagt: „Schau wie liab der lacht, aber komisch, er trägt immer eine Sonnenbrille.“ Ich hab mich schlau gemacht, bin auf seine Website gekommen und hab meiner Mutter erzählt, dass er blind ist. Sie wollte ja mehr über ihn wissen. Über seine Website habe ich ihm ein paar Zeilen geschrieben und ihm alles Gute gewünscht. So sind wir in Kontakt gekommen und haben uns immer wieder geschrieben. Einmal haben wir uns kurz getroffen. Wir haben uns weiterhin oft geschrieben und viel telefoniert, oft stundenlang. Nach einem Jahr habe ich ihn gefragt, ob er mich besuchen kommen mag. Dann war er ein Wochenende bei mir und aus unserem freundschaftlichen Kontakt hat sich mehr entwickelt.
Wie haben Sie sich einander ohne Blickkontakt angenähert?
Er: Also mir ist die Art, wie wir uns angenähert haben, sehr entgegengekommen. Denn wir haben uns ein Jahr lang fast ausschließlich per E-Mail und Telefon ausgetauscht. Und in diesen Gesprächen hat sich ja schon gezeigt, dass wir etwas füreinander empfinden.
Sie: Wir haben uns in der ersten Zeit nur per Mail und Telefon unterhalten. Bei unserem ersten Treffen haben wir uns eh schon ganz gut gekannt. Und unsere erste Annäherung, die war recht schön. (Lacht)
Wie hat Ihre Familie auf Ihre Beziehung reagiert?
Er: Meine Familie hat sich mit mir gefreut. Zuerst hatten wir eine Wochenendbeziehung, denn die Angi hat noch ihre Lehre in Graz fertig gemacht, und im Jahr 2006 ist sie zu mir nach Mönchhof gezogen.
Sie: Also meine Mutter hat sich gefreut, sie hat sich aber auch gesorgt, ob ich jetzt eh nicht alles durch die rosarote Brille sehe. Meinem Papa war nur wichtig, dass mein Freund ein anständiger Bursch ist, dass er ein netter Kerl ist. Sie haben den Michi dann gleich ins Herz geschlossen, wie sie ihn kennengelernt haben. Er ist ja sehr zuvorkommend und gesellig. Er hat ihnen auch die Angst genommen. Er hat gesagt, fragt mich, wenn ihr wissen wollt, wie es für mich ist, blind zu sein. Das war sehr hilfreich.

Wie hat sich Ihr Leben verändert als Sie ein Paar geworden sind und das Leben miteinander geteilt haben?
Er: Das Leben verändert sich, wenn man eine Beziehung führt, weil man aufeinander achten, auf die Bedürfnisse des anderen eingehen muss. Ich war immer gern und viel unterwegs. Ich habe zum Glück viele Freunde und als Musiker bist du an den Wochenenden fast immer auf der Achse. Meine Frau ist aber gern zuhause. Da muss man halt einen Weg finden, der für beide passt. Als dann im Jahr 2009 unsere Tochter auf die Welt gekommen ist, hat sich sowieso viel verändert.
Sie: Ich bin sicher selbstbewusster geworden, weil jetzt mehr in meinen Händen gelegen ist. Aber das wäre wahrscheinlich mit dem Älterwerden sowieso gekommen. Ich war ja noch jung, ich war 18 damals. Aber ich bin diejenige, die mit dem Auto fährt, die ein Kastl aufstellt oder neue Lampen einschraubt. Aber das hab‘ ich früher auch schon gemacht.
Ich bin ja von Graz nach Mönchhof gezogen. Früher hätt ich mir nicht vorstellen können, am Land zu leben. Aber die Stadt geht mir nicht mehr ab. Die Angst, die ich am Anfang gehabt hab, da kommt eine von der Stadt. Weiß man ja net, wird man angenommen oder wird man net angenommen. Ich war einfach wie ich bin und Michaels Freunde sind jetzt meine Freunde. Es sind lauter liabe Leut, die mich sehr herzlich aufgenommen haben.
Mussten Sie in der Beziehung etwas Neues lernen?
Er: Neues? Mhm. Man lernt, ein bissl Rücksicht auf die andere Person zu nehmen. Und im Urlaub sind wir vor der Pandemie immer ans Meer gefahren. Das war für mich neu. Die Angi ist es von Kind an gewohnt, im Sommer nach Italien zu fahren. Bei uns war das nicht so. Wir sind vielleicht ab und zu ein paar Tage in Kärnten gewesen. Meine Frau ist eine Sonnenanbeterin und gern am Meer. Ich dagegen such den Schatten und von mir aus müssten wir nicht jedes Jahr im Sommer wegfahren. Da suchen wir halt einen Konsens.
Sie: Ja schon. Ich hab gar keine Leut gekannt, die blind sind. Aber ich hatte keine Berührungsängste. Und ich wusste, dass ich eigentlich nix falsch machen kann, denn wenn es nicht passt, wird’s der Michael mir schon sagen. Am Anfang hab ich mich bei ihm eingehängt. Er hat aber gemeint, er will sich lieber an meinem Arm anhalten und knapp hinter mir gehen, denn dann weiß er, wann eine Stufe kommt und er rennt auch nicht in die Leut rein, die entgegenkommen.
Wer erledigt welche Aufgaben im Haushalt?
Er: Also, ich muss sagen, dass die Angi sehr viel macht. Ich mach nicht viel; den Geschirrspüler ausräumen und den Müll in die Tonne bringen.
Sie: Den Haushalt mach schon ich. Also kochen, waschen, putzen, einkaufen, das mach ich. Er unterstützt mich schon, wenn er einmal den Geschirrspüler ausräumt oder wenn ich ihn bitte, das Mistsackerl hinauszutragen. (Lacht)

Wer übernimmt welche Aufgaben bei Ihrer Tochter?
Er: Wenn die Elena beim Lernen oder bei den Hausaufgaben etwas braucht, hilft die Angi bei Englisch und Mathematik, und ich manchmal bei Deutsch. Zum Elternsprechtag und zum Elternabend geht die Angi. Bei den Schulfesten sind wir fast immer beide dabei. In der Volksschulzeit sowieso immer. Denn ich arbeite schon seit über zehn Jahren mit der Volksschule zusammen und unterstütze immer musikalisch bei den Festen. Ja, und während der Lockdown Zeiten, wo die Kinder daheim waren und Fernunterricht hatten, hat auch die Angi unsere Tochter unterstützt. Das war nicht einfach für die Kinder. Die hatten echt viel zu tun.
Sie: Ich fahr‘ zu den Elternabenden und zum Elternsprechtag. Der Michi bleibt dann bei der Elena zuhause. Ich schau, dass die Elena für die Schule so viel wie möglich alleine macht. Aber wenn sie Fragen hat, dann helf ich ihr natürlich. Und bei Deutsch fragt sie manchmal den Papa.
Was ist der größte Unterschied zwischen Ihnen beiden?
Er: Mhm. (Überlegt) Ich bin umtriebiger als die Angi. Ich bin halt schon gern am Wochenende unterwegs und meine Frau genießt es sehr, zu Hause zu sein. Mag ich auch, aber ich muss dann bald einmal hinaus und jemanden treffen. Bei der Angi ist es außerdem so, dass sie nicht ruhig sitzen bleiben kann, es muss immer alles weggearbeitet werden. Ich bin da viel entspannter.
Sie: Mein Mann kommt in der Früh nicht so leicht auf. Er ist überhaupt der gemütlichere Typ, sitzt einmal in Ruhe bis er was tut. Ich bin die Gschaftige. Ich kann net ruhig sitzen. Mir fällt sofort ein, dass ich dies und jenes noch tun muss und dann mach ich es.
Was schätzen Sie an Ihrem Partner, an Ihrer Partnerin ganz besonders?
Er: Ihre ganze Art. Sie geht offen auf andere zu, ist liebenswürdig, direkt und hilfsbereit. Sie kann die Dinge annehmen wie sie daherkommen. Das habe ich damals schon bemerkenswert gefunden, wie wir uns verliebt haben. Wenn du mit einem Mann zusammen bist, der nix sieht, musst du schon einige Abstriche machen. Ich konnte sie nie mit dem Auto abholen und halt so Sachen, die man als junge Frau schon gern hat.
Als Musiker bin ich viel unterwegs. Früher war sie oft mit, aber jetzt ist sie meistens zuhause, das ist ihr eh recht, das entspricht ihr. Aber sie wird sich halt auch fragen, passt eh alles, ist unsere Beziehung eh nicht in Gefahr? Ich schätze das schon sehr, dass ich diese Freiheit habe und wir uns so vertrauen können. Und auch wie sie als Mutter ist, so engagiert. Sie macht so viel mit unserer Tochter, da hat es die Elena schon sehr gut.
Sie: Er ist ein sehr herzlicher Mensch. Er ist mein Partner und er ist mein Freund, mit dem ich reden kann. Es passt einfach. Wir haben uns gefunden und es wird hoffentlich noch viele Jahre so weitergehen. Sicher ärgert man sich über manche Sachen, aber wo ist das nicht so?!

Was stört Sie an der anderen Person?
Er: Sie ist halt jemand, der nicht sitzen bleiben kann. Nach einem Essen springt sie gleich auf und räumt alles weg. Ich denk mir da schon, mei, kannst nicht einmal sitzen bleiben und dich entspannen. (Lacht) Und sie hat teilweise eine sehr direkte Art. Man muss schon auch lernen damit klarzukommen.
Sie: Ach, es stört mich schon, dass er ewig braucht, bis er in der Früh aufsteht und bis wir mit ihm einmal aus dem Haus kommen. (Lacht) Dass er sagt, ja, ja, wird schon, machen wir schon. Dann vergisst er es gleich wieder. Also da ärgere ich mich schon ab und zu. Aber das ist sein Gemüt, das ist seine Art.
Worüber haben Sie zuletzt gestritten?
Er: (Denkt eine Weile nach) Weiß ich gar nicht, kann ich gar nicht sagen. Wahrscheinlich, wo ich einmal später heimgekommen bin.
Sie: Da muss ich echt nachdenken. Wir streiten net viel. Ich bin nicht jemand, der laut wird. Ich sag dann eher nix und das ist für den Michi schlimmer als wenn ich einen Brüller loslassen würde. Aber das bin ich nicht. Es ist halt a jeder so wie er ist. Meistens reden wir die Dinge rechtzeitig aus, wenn etwas nicht so passt.
Was erachten Sie als wesentlich für eine gute Beziehung?
Er: Treue und Respekt. Die andere Meinung zulassen, nicht gleich was drauf sagen, sie sickern lassen, das ist ganz wichtig. Dass sich keiner unterdrückt und übergangen fühlt. Dass es immer wieder ausgewogen ist. Dass man immer wieder das Gespräch sucht. Dass man Probleme ausspricht, denn anders wird man sie nicht aus der Welt schaffen können.
Sie: Respekt und Treue. Also aufeinander vertrauen und miteinander reden können.
Danke für das Gespräch.
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