Springe zur NavigationSpringe zur SucheSpringe zur PfadangabeSpringe zum InhaltSpringe zum Fußbereich
Jetzt spenden! Illustration des Spendenhundens.
Inhalt

Aktuelles

Vor einem Fenster im Therapieraum sitzen zwei Frauen einander in bequemen Sitzmöbeln gegenüber und lachen in die Kamera.
Bildinfo: Katharina Deitmayer und Mag. Marion Putzer-Schimack sind für das neue Angebot des BSVWNB zuständig. © BSVWNB/Martin Tree

Reden hilft

Der Blinden- und Sehbehindertenverband WNB (BSVWNB) bietet seinen Mitgliedern seit Herbst eine weitere Unterstützungsmöglichkeit. Das psychosoziale Angebot umfasst psychotherapeutische Beratung sowie Informationen zu psychosozialen Themen.

Marion Putzer-Schimack und Katharina Deitmayer im Gespräch

Zuständig für das psychosoziale Angebot sind Mag. Marion Putzer-Schimack und Katharina Deitmayer, die wir zum Gespräch getroffen haben.

An wen richtet sich das neue psychosoziale Angebot?

Marion Putzer-Schimack: Es richtet sich an Menschen, die sehbehindert oder blind sind oder gerade erfahren haben, dass sie ihr Augenlicht verlieren werden. Und genauso an jene Mitglieder, die unabhängig von ihrer Sehbehinderung Verluste erleiden, Krisen erleben oder im Alltag, im Arbeitsleben oder in Beziehungen stark belastet sind.

Was war ausschlaggebend, dass der BSVWNB sein Angebot erweitert hat und seinen Mitgliedern ermöglicht, kostengünstig psychosoziale Angebote in Anspruch zu nehmen, sei es in der Gruppe oder im Einzelsetting?

Marion Putzer-Schimack: Wenn dein Augenlicht schlechter wird und du die Diagnose erhältst, dass es sich weiter verschlechtern wird, passiert in deinem Inneren sehr viel. Es können Ängste auftauchen, Depressionen auftreten oder man kann sich hilflos, wütend, verzweifelt fühlen. In deinem Leben ändert sich sehr viel. Du kannst einige Dinge gar nicht mehr machen, für andere brauchst du Hilfe. Du musst jetzt viele neue Dinge lernen, du musst zum Beispiel lernen, mit einem Langstock zu gehen. Oder du musst eine Umschulung machen und dir einen neuen Job suchen, weil du deinen alten Beruf nicht mehr ausüben kannst. Du bist aber seelisch vielleicht noch gar nicht in der Lage dazu, weil du erst verarbeiten musst, dass du viel weniger oder nichts mehr siehst. In dieser Situation kann es sehr hilfreich sein, wenn du mit jemandem über deine Gefühle reden kannst.

Wieso ist es wichtig, diese unterschiedlichen Gefühle bei sich wahrzunehmen und sie ausdrücken zu können?

Marion Putzer-Schimack: Wenn ich innerlich noch nicht akzeptiert habe, dass ich mein Sehvermögen verloren habe, ist es sehr schwer, mir all das anzueignen, was ich in dieser neuen Situation brauche. Ich weiß dies aus eigener Erfahrung. In der Zeit, wo ich plötzlich viel schlechter und dann nichts mehr gesehen habe, habe ich zu meiner persönlichen Unterstützung eine Psychotherapie gemacht. Das war sehr hilfreich, denn es macht sehr viel aus, wie man dazu steht, wie man sich dazu positioniert.


Wer schleichend oder plötzlich sein Sehvermögen verliert, ist auf Hilfe angewiesen, nicht mehr so mobil, hat Existenzängste, muss Lebenspläne ändern und Lebensträume aufgeben, erlebt Verluste, Wut und Trauer, um nur einiges zu nennen.

Katharina Deitmayer: Außerdem kann sich der Sehverlust auch auf meine Beziehungen auswirken, auf meine Familie, meine Freund:innen und Kolleg:innen. Auch sie können nicht sofort mit der neuen Situation umgehen, auch für sie verändert sich etwas. Aber ganz abgesehen davon, kann es für jeden Menschen, ob sehend oder nichtsehend, in bestimmten Situationen hilfreich sein, eine Psychotherapie zu machen. Wenn man zum Beispiel Probleme in der Partnerschaft, in engen Beziehungen oder am Arbeitsplatz hat, oder wenn man sich unglücklich fühlt und der Leidensdruck größer wird.

Viele von uns sind es gewohnt zu funktionieren. In der täglichen Routine merkt man oft gar nicht, dass wichtige Dinge im eigenen Leben nicht mehr stimmen. Welche Anzeichen gibt es dafür?

Marion Putzer-Schimack: Mögliche Anzeichen können zum Beispiel sein, dass man über Wochen hindurch Schlafstörungen, Albträume oder Zwangsgedanken hat. Man hat vielleicht psychosomatische Probleme, also Schmerzen an allen Ecken und Enden des Körpers und es wird medizinisch nichts gefunden. Man kommt mit seinen Mitmenschen nicht so gut aus, ist oft gereizt, fühlt sich mit fremden Menschen nicht wohl, oder hat in einer Menschenmenge Angst.

Eine Einzelsitzung dauert in der Regel eine knappe Stunde und die Klient:innen können über sich und ihre Probleme sprechen. Warum kann es hilfreich sein, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen?

Katharina Deitmayer: Die Beziehung zwischen Psychotherapeut:in und Klient:in ist, so glaube ich, das Heilsamste. Als Klient:in darf ich meine Gefühle äußern, auch die, die mir selber vielleicht unangenehm sind, wie zum Beispiel Wut, Angst oder Hilflosigkeit. Die Annahme ist, dass Menschen sich in einer wertschätzenden Atmosphäre selbst besser kennen und verstehen lernen. So werden sie freier, bekommen mehr Handlungsspielraum, können Probleme leichter lösen und Beziehungen befriedigender gestalten.

Marion Putzer-Schimack: Das Heilsame, so habe ich es selbst erlebt, besteht darin, dass mir ein Mensch gegenübersitzt, der sich meine Sorgen und Probleme anteilnehmend und gelassen anhört. Der mich nicht beurteilt, nicht verurteilt. Ich kann erzählen, dass ich mich dafür schäme, dass ich gestern schon wieder irgendwo drüber gefallen bin. Als Rückmeldung höre ich dann vielleicht: „Das war für Sie sicher sehr unangenehm, peinlich und schmerzlich, vor den anderen dort drüber zu fallen.“ Also, das ist für mich das Heilsame, denn so bekomme ich ein Gefühl dafür, dass das alles menschlich ist. Dass es okay ist, mich dafür zu schämen. Dass es okay ist, wenn ich wütend darüber bin, dass ich eine Sehbehinderung habe. Dass es für mich aber auch okay sein kann, dass ich blind bin. Ich akzeptiere die Dinge mehr und mehr an mir.


In Österreich gibt es bereits seit Jahren Psychotherapie auf Krankenschein. Man kennt vielleicht auch jemanden, der therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt. Aber selbst würde man es eher nicht tun, denn es gibt noch immer zahlreiche Vorurteile gegenüber einer psychotherapeutischen Behandlung.

Marion Putzer-Schimack: Da heißt es dann, man sei nicht ganz dicht im Kopf oder schaffe es nicht aus eigener Kraft. Ja, diese Vorurteile gibt es leider immer noch. Ein anderer Hindernisgrund könnte sein, dass man nicht weiß, was in einer Psychotherapiesitzung passiert. Was erwartet mich da? Muss ich über Dinge reden, die mir unangenehm sind? Muss ich gleich in der ersten Stunde auspacken und mein Seelenleben bloßlegen? Und was macht die Therapeutin, der Therapeut damit? Bleibt das eh geheim, erfährt das eh nicht irgendjemand anderer? Kann ich da überhaupt Vertrauen haben? Im Erstgespräch klären wir die Klient:innen darüber auf, dass wir der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Nach dem österreichischen Psychotherapiegesetz darf nichts nach außen gehen, es bleibt bei uns. Wir drängen unsere Klient:innen auch nicht, etwas zu erzählen. Wir lassen ihnen die Freiheit, das zu sagen, was sie sagen wollen oder können. Wir gehen darauf ein, was die Person gerade braucht. Niemand muss sich fürchten, dass gebohrt wird, das ist ganz und gar nicht der Fall. Die Klient:innen bestimmen ihr Tempo und ihre Themen. Wir achten sehr auf ihre Bedürfnisse.

Mitglieder des BSVWNB, die sich für eine psychotherapeutische Unterstützung interessieren, erhalten ein kostenloses, unverbindliches Erstgespräch. Das psychosoziale Angebot umfasst auch Gruppentreffen.

Katharina Deitmayer: Die Gruppe machen wir zu zweit. Sie unterscheidet sich von einer Selbsthilfegruppe oder einer Gesprächsrunde. In der Gruppenpsychotherapie geht es immer wieder darum, wie es mir in einer bestimmten Situation geht und was ich fühle.

Marion Putzer-Schimack: Ein Beispiel. Wie geht es mir, wenn ich in der Straßenbahn oder unterwegs blöd angeredet werde? Wie geht es den anderen Gruppenmitgliedern, wenn sie davon hören oder es ihnen selbst passiert? Oder wie fühle ich mich, wenn ich auf einem Amt als Bittsteller:in behandelt werde, wenngleich mir die finanzielle Unterstützung zusteht? Eine Psychotherapiegruppe ist auch deshalb so wertvoll, weil sie die Möglichkeit bietet, ein Feedback von den anderen zu bekommen. Und man kann die Erfahrung machen, dass es noch andere Menschen gibt, denen es aufgrund der Sehbehinderung ähnlich geht wie mir, das ist oft entlastend, das wirkt.


Katharina Deitmayer: In einer Gruppe habe ich die Gelegenheit zu beobachten, wie ich mich anderen gegenüber verhalte. Ich kann Gemeinschaft erleben und eine Gruppe kann sehr viel Bestärkendes haben. Auch in der Gruppe gilt die Verschwiegenheitspflicht, und zwar für alle. Und selbstverständlich bemühen wir uns um einen wertschätzenden Umgang, das ist uns wichtig. Wir Therapeut:innen geben keine Ratschläge. Wir bohren nicht nach. Es geht um die Themen, die die Klient:innen mitbringen. Und es handelt sich um eine fixe Gruppe, sodass man sich kennenlernen und einander vertrauen kann. Wenn freie Plätze vorhanden sind, ist es immer wieder möglich, dass neue Teilnehmer:innen in die Gruppe einsteigen. Das heißt, dass die Anzahl variieren kann, von vier bis zu zehn Personen.

Neben Angeboten im Einzel- und Gruppensetting umfasst das psychosoziale Angebot des BSVWNB noch Veranstaltungen und Aktivitäten.

Katharina Deitmayer: Wir planen Informationsveranstaltungen zu psychosozialen Themen wie Resilienz, Umgang mit Medien oder Lebenskrisen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Außerdem gibt es noch unterschiedliche Selbsterfahrungsangebote im kreativen Bereich und Angebote für Angehörige und wichtige Bezugspersonen. Jedes einzelne Angebot kann dazu beitragen, dass Menschen schwierige Herausforderungen leichter und besser bewältigen können.


Danke für das Gespräch.


Seit Anfang Oktober findet eine psychotherapeutische Gesprächsgruppe im Louis Braille Haus statt. Die Gruppe trifft sich alle 14 Tage. Interessent:innen sind gerne willkommen.
Wer sich über eine mögliche Teilnahme informieren möchte, erhält per Mail oder Telefon Auskunft:
E-Mail: psychosozial(at)blindenverband-wnb.at
Telefon: +43 1 981 89 165
Mobil Marion Putzer-Schimack: 0664 433 59 70

Ansprechpersonen des „Psychosozialen Angebotes“: Mag. Marion Putzer-Schimack, selbst blind, und Katharina Deitmayer, sehend, sind Psychotherapeutinnen in Ausbildung unter Supervision. (Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision bedeutet, dass man zum eigenständigen Arbeiten berechtigt ist und die Arbeit regelmäßig durch erfahrene Lehrpersonen begleitet wird.)
Für das „Psychosoziale Angebot“ des BSVWNB können keine Kostenzuschüsse über die Krankenkassen beantragt werden.

„Ich habe einen starken inneren Willen entwickelt.“

Eine junge Frau mit sehr langen blondbraunen Haaren blickt nachdenklich in die Kamera.
Portraits

Energie und Stärke strahlt Rebekka Gottwald aus, wenn sie von ihrer Arbeit, von ihren Erfolgen bei sportlichen Wettkämpfen, von ihren Studienplänen,…

„Ich lasse mich nicht unterkriegen.“

Eine lachende junge Frau mit halblangen dunklen Haaren neben einem Strauch mit rot und rosa blühenden Blüten.
Portraits

Klara Messner ist 25 Jahre alt, studiert Wirtschaftspsychologie und ist seit zehn Jahren blind.

„Es ist mein größter Traum, eine IT Ausbildung zu machen.“

Ein junger Mann mit dunklem Shirt, dunklen Jeans und kurzen dunklen Haaren sitzt hinter dem Empfangstisch in einem großen Raum.
Aktuelles

Sagt Anel Waglechner. Der 25jährige Niederösterreicher ist seit seiner Geburt blind und zurzeit in der Caritas Werkstatt in Krems tätig. Dort haben…