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Ohne Vertrauen geht es nicht
Sportlerin des Jahres
Veronika Aigner, die erfolgreiche ÖSV Paraski Rennläuferin, wird Sportlerin des Jahres mit Behinderung. Gemeinsam mit ihrem Guide, mit ihrer Schwester Elisabeth, wird sie bei der Lotterien Sporthilfe Gala 2020 mit dem „Niki“, mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet.
Veronika Aigner, Sie sind erst 17 Jahre alt und bereits bei den Slalom und Riesentorlauf Weltcup Rennen ganz vorne dabei. Für diese herausragenden Leistungen haben Sie den „Niki“ erhalten. Was bedeutet es für Sie, zur Sportlerin des Jahres 2020 gekürt worden zu sein?
Es bedeutet mir extrem viel. Wie wir an diesem Abend nach Wien zur Gala gefahren sind, haben wir überhaupt nicht damit gerechnet, denn wir hatten eine starke Konkurrenz. Es werden ja immer drei nominiert. Wie wir dann aufgerufen wurden und nach vorne gegangen sind, sind mir fast die Tränen gekommen, es war so ein schöner, überraschender Moment. Und dann die Trophäe in der Hand zu halten! Ich hab auf der Bühne schwitzige Hände gekriegt, weil ich so nervös war.
Diese Trophäe daheim zu haben, spornt richtig an, dass man weiter tut, dass man weiter kämpft, auch wenn es einmal nicht so gut läuft. Es ist eine große Anerkennung.
Sie wurden gemeinsam mit Ihrer älteren Schwester Lisi ausgezeichnet, die sowohl beim Training als auch bei den Rennen Ihr Guide ist. Sie sind ein eingespieltes Team. Wie aber läuft es ab, wenn Sie mit Ihrer Schwester am Start stehen und ein Rennen fahren?
Meine Schwester fährt vor mir her, sie trägt ein neonfarbiges Shirt über ihrem Rennanzug. Das hebt sich von der weißen Piste gut ab. Außerdem tragen wir beide ein Headset, wir sind also mit Kopfhörer und Mikrofon ausgestattet und können miteinander kommunizieren. Die Lisi gibt mir die Kommandos. Sie sagt „Welle“ und macht mich auf eine Bodenwelle aufmerksam. Wenn wir einen Slalom fahren, sagt sie mir, wann die Haarnadeln kommen, das ist so eine Art Spitzkehre. Sie sagt mir das immer ein Tor im Voraus, damit ich mich darauf einstellen kann.
Ich wiederum muss meiner Schwester sagen, ob sie zu weit weg ist oder ob sie schneller fahren soll. Letztens hab ich gesagt: „Lisi, ein bissl langsamer!“ Sie hat aber zu stark gebremst und mich dann plötzlich auf sich zurauschen gesehen. Da musste sie wieder voll antauchen. Wir wären fast zusammengekracht. Aber des lernt man, wie schnell man fahren muss, das spielt sich irgendwann voll ein.
Bei jedem Rennen geht es darum, den Kurs fehlerfrei zu fahren und als Schnellste ins Ziel zu kommen. Sie starten in der Gruppe der Athletinnen, die stark sehbehindert sind. Sie sagen, dass Sie alles sehr trüb wahrnehmen. So als würde man durch Schichten von Plastikfolie schauen. Wie gelingt es Ihnen dennoch, auf Tempo zu fahren?
Natürlich muss ein riesengroßes Vertrauen da sein, ohne Vertrauen geht es nicht. Die Lisi und ich sind fast wie Zwillinge. Wir verstehen uns super, wir blödeln gern, wir lachen recht viel gemeinsam. Und wir machen uns auch oft auf eine lieabe Art über andere lustig. Außerdem reden wir ganz offen miteinander. Wir erzählen uns eigentlich alles. Auch das, was die Mama zum Beispiel einmal net wissen soll. (Lacht)
Was ist neben Vertrauen noch wichtig, wenn Sie mit Ihrem Guide, wenn sie mit Ihrer Schwester um Sekunden, Meter und Punkte kämpfen?
Einfach a Gaudi miteinander haben. Ich glaub, mit einer Gaudee und einem großen Vertrauen wird ein gutes Team geschmiedet. Wichtig ist auch, dass man die Sachen ausredet. Die Lisi und ich haben noch nie einen gravierenden Streit gehabt. Ab und zu sagt man schon was. Also wenn ich ein bissl überdreht bin, sagt die Lisi, ich soll eine Ruh geben oder so. Aber so einen richtigen Streit, dass wir uns tagelang aus dem Weg gegangen wären und nix mehr miteinander geredet hätten, das war noch nie.
Wie oft trainieren Sie und Ihre Schwester zusammen?
Sehr viel. Im Herbst und im Winter sind wir jede Woche auf einem Trainingskurs. Das heißt, dass wir von Montag bis Freitag am Vormittag auf der Piste sind und am Nachmittag gibt es dann noch ein kleineres Trainingsprogramm, das dauert so ein bis zwei Stunden. Es geht auf jeden Fall viel Zeit drauf. Gott sei Dank bin ich mit der Schule schon fertig, die letzten Jahre hab ich mich eh recht geplagt.
Wo finden die Trainings statt und wie laufen sie in Zeiten der Covid Pandemie ab?
Die ersten Trainings hatten wir diesen Herbst in der Schweiz. Dann waren wir am Kaunertaler Gletscher. Später auf der Resterhöhe in den Kitzbüheler Alpen. Bald sind wir in Sölden. Wir machen vor jedem Kurs einen Corona Test, damit wir in der Gruppe fahren dürfen. Bei den Liften oder in den Gondeln musst du die Maske tragen. Aber sonst merkt man net viel.
Sie sind bereits seit sechs Jahren im Kader des Österreichischen Skiverbands (ÖSV). Das hat Vorteile, denn Leistungssport ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch mit finanziellen Aufwendungen verbunden.
Dadurch, dass der Parasport beim ÖSV ist, werden wir zweimal im Jahr eingekleidet, einmal für den Sommer, einmal für den Winter. Wir kriegen auch die Rennausrüstung. Wir haben Trainer. Also wir Parasportler sind gleich wie die anderen Sportler im ÖSV. Uns ist das wichtig. Wenn es heißen würde, ihr seid behindert, deshalb dürft ihr nicht das gleiche machen wie wir, das wär net so cool.
Sie und Ihre Schwester nehmen an Weltcup Rennen, an Europameisterschaften (EM) und an Weltmeisterschaften (WM) teil. Sie kommen also viel herum in der Welt.
Ja. Wir sind schon in vielen Ländern Rennen gefahren, in der Schweiz, in Italien, Slowenien oder Spanien. Heuer werde ich hoffentlich bei der WM in Norwegen dabei sein. Ich war auch 2018 bei den Paralympics in Südkorea, aber nur als Zuschauerin. Denn ich war noch zu jung, um teilzunehmen. Das war eine riesengroße Erfahrung. So hab ich auch schon ein bissl olympische Luft schnuppern dürfen, ohne dass es gleich los geht. Das war möglich, weil immer drei Nachwuchssportler mitfahren dürfen. So als Ansporn, um später einmal dabei zu sein. Und die Lisi und ich wurden mitgenommen. Das war eine riesengroße Gaudi, eine tolle Erfahrung.
Vroni, Sie haben die Schule abgeschlossen und sind jetzt in einem ganz besonderen Ausbildungsprogramm. SPAR bietet einigen jungen ÖSV AthletInnen ein Traineeship, ein Praktikum an, wo Leistungssport und Berufserfahrung kombiniert werden können. Dieses Programm ist auf die persönlichen Interessen, Fähigkeiten und den Trainingsplan von jedem einzelnen Mitglied dieser kleinen Gruppe abgestimmt. Und jedes Mitglied hat einen Mentor zur Seite, der während der gesamten Ausbildungszeit beratend und unterstützend zur Seite steht.
Ja, ich hab das große Glück, dass ich eine Ausbildung beim SPAR machen kann. Heuer sind zehn Athleten aufgenommen worden. Wir absolvieren Online-Kurse, das lässt sich gut mit dem Training verbinden. Wir lernen alles über das Unternehmen, haben Warenkunde, aber auch Buchhaltung. Zwei Wochen im Jahr sind wir in der SPAR Hauptzentrale in Salzburg. Dort darf ich im Bereich Marketing Erfahrungen sammeln. Wenn ich dann mit dem Programm fertig bin, habe ich eine Ausbildung, was mir voll taugt. Damit stehen mir Türen offen.
Denn natürlich beschäftigt mich die Frage, was nach dem Skifahren kommt. Denn welchen Beruf kannst du ergreifen, wenn du eine Sehbehinderung hast? Wer nimmt dich? Und so habe ich auf jeden Fall eine Ausbildung.
Sie gelten als ganz großes Skitalent und als Medaillenhoffnung für die Paralympics 2022 in Peking. Was aber sind Ihre Ziele für die allernächste Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich heuer bei der Weltmeisterschaft in Norwegen an den Start gehen darf. Um bei der WM dabei sein zu können, muss ich bei den Weltcup und Europacup Rennen erfolgreich sein. Da stehen meine Chancen eh recht gut. Und natürlich möchte ich von der WM eine Medaille für Österreich heimbringen. Ich möchte auch verletzungsfrei durch die Saison kommen und den Spaß am Skifahren nicht verlieren.
Was machen Sie als Ausgleich zum Leistungssport?
Wir haben Pferde und ich reite voll gern, überhaupt beschäftige ich mich viel mit unseren vier Pferden. Und wenn ich bei jemandem bin, der Kühe hat, dann geh ich in den Stall melken. I tu so gern melken. (Lacht) Also dieses Bauernhof Feeling, das mag ich extrem gern. Und ich würd später gern einen kleinen Hof haben, wo ich mich selbst versorgen kann. Wo ich ein paar Kühe hab und selber Kas machen kann. Ich möchte auch einmal einen Schlachtkurs machen, dann weiß ich, wo mein Fleisch herkommt. Ich bin mit Tieren groß geworden, mit Kühen, Schweinen, Hühnern und Enten. Jetzt haben wir weniger Tiere. Aber wie sagt mein Papa immer so schön, ich muss halt wo zuwi heiraten. (Lacht) Wenn ich einmal eine Familie gründen sollte, möchte ich, dass meine Kinder auch so aufwachsen können wie ich. Was mach ich sonst? Ich treff mich gern mit Freundinnen, wir gehen in die Trampolin Halle und blödeln ein bissl herum. Und ich genieße einfach die Zeit daheim.
Sie sind mit vier Geschwistern am Eichberg bei Gloggnitz aufgewachsen und haben schon ganz früh begonnen Ski zu fahren, im Alter von knapp zwei Jahren. Was fasziniert Sie am Skifahren?
Ich kann loslassen. Schon klar, ich bin an die Lisi gebunden, aber es ist ein kleines Gefühl von Freiheit. Du bist voll konzentriert und es macht einen riesengroßen Spaß, die Piste schnell hinunterzufahren. Am Abend bist du dann so fertig, dass du dich nur noch aufs Bett freust.
Es ist anstrengend, aber ein echt befreiendes Gefühl. Und es ist einfach lustig mit den anderen Athleten, mit der ganzen Gruppe.
Also, was ich schon alles erlebt hab durchs Skifahren und wen ich schon alles kennengelernt hab, das ist ein Wahnsinn! Stars, bekannte Leute. Durchs Skifahren hab ich aber auch meine beste Freundin kennengelernt und dafür bin ich voll dankbar, weil sonst hätt ich sie gar net kennengelernt. Eine andere Freundin auch, es entstehen Freundschaften, die ich so nicht hätte.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die kommende Rennsaison.
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