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Von Einkaufswägen und Schutzmasken
Da mein Mann während der gesamten Ausgangsbeschränkungen ohnehin arbeiten musste, erledigte er unsere Einkäufe. Vieles ließen wir uns von regionalen Betrieben liefern. Den Rest kaufte er im Supermarkt.
Ich war also seit Mitte März nicht mehr in einem „richtigen“ Geschäft.
An verschiedenster Stelle habe ich über die Unannehmlichkeiten beim Tragen der Masken gelesen, und mittlerweile war ich neugierig geworden. Auch wollte ich ausprobieren, wie ich mit dem so genannten „Social Distancing“ zurechtkommen würde.
Also beschloss ich nach all diesen Wochen auch wieder einmal unter Leute zu gehen; zum „Corona-Shoppen“ im Baumarkt.
Man muss noch wissen, dass mein Mann und ich sehr gerne Baumärkte besuchen. In Nicht-Corona-Zeiten – also in den „guten alten Zeiten“ – frönten wir diesem Hobby manchmal recht ausgiebig. Sogar im Ausland im Urlaub verbringen wir gewöhnlich viel Zeit mit dem Besichtigen von „fremdländischen“ Sortiments in Baumärkten.
Bewaffnet mit unseren Masken – es sind solche, die mit Gummibändern hinter den Ohren festgehalten werden – marschierten wir also zum Eingang. Hier wurden Einkaufswagen verteilt. Meine Befürchtung, dass ich einen eigenen Wagen verpasst bekomme, hat sich zerschlagen.
In manchen Geschäften, so habe ich gehört, müssen auch blinde Personen ein Gefährt nehmen. Wir bekamen einen Wagen für uns beide.
Die Wagenausteilerin dachte offenbar, wir würden einen Großeinkauf machen und gab uns so einen typischen „Baumarkt-Einkaufswagen“. Es sind die, auf die man lange Bretter und Rohre aufladen kann. Ja und es sind die, die sich nur mühsam lenken lassen.
„Unheil nimm deinen Lauf!“, dachte ich mir.
Gut, dass ich keine Brille trage, denn Masken und Brillen tragen ist eine schlecht verträgliche Kombination.
Beim Ausatmen in die Maske beschlägt die Brille innerhalb kürzester Zeit durch die feuchte Luft. Mein Mann allerdings, als Brillenträger, konnte alsbald kaum mehr etwas sehen.
Trotzdem schaffte er es irgendwie, das bockige Wagerl unfallfrei durch die Gänge und mich an den Strömen von Mit-Einkaufenden vorbei zu lotsen; in gebührendem Abstand, versteht sich.
Ich hatte hier nicht das Gefühl, dass mir jemand zu nahekam. Wahrscheinlich boten wir mit unserem etwas unkontrollierbaren Gefährt einen zu unberechenbaren Anblick, sodass man freiwillig einen Bogen um uns machte.
Nach und nach stellten wir fest, dass viele der von uns gesuchten Produkte nicht vorhanden waren. Ausverkauft! Ich muss sagen, da hatten wir schon gechilltere Shopping-Touren.
Auch das Tragen der Maske war für mich doch eine sehr ungewöhnliche Erfahrung.
Obwohl sie nur Mund und Nase bedeckt, hatte ich das Gefühl, dass es meine gesamte Wahrnehmung verändert.
Es ist schwer zu beschreiben, aber offensichtlich ist der Luftzug, der normalerweise über mein Gesicht ziehen kann, eine gewisse Orientierungshilfe. Mit Maske fällt diese weg. Natürlich kann man auch keine Gerüche differenzieren, was gerade in Lebensmittelgeschäften unglaublich hilfreich sein kann.
Auch die Geräusche, wie ich sie sonst kenne, schienen irgendwie anders zu klingen; gedämpfter oder von weiter weg. Möglicherweise werden die Ohren durch den Haltegummi der Maske ein wenig verbogen, was die akustische Wahrnehmung verändert?
Ich musste feststellen, dass ich tatsächlich Schwierigkeiten hatte abzuschätzen, wie nah mir andere Menschen kommen. Oft spürte ich, wenn jemand in meine Nähe kam, aber ich konnte die Entfernung nicht bestimmen.
Es blieb, und das mag man jetzt in die Kategorie Einbildung oder esoterische Spinnerei einordnen, das Gefühl, als bewegten sich die Menschen in Blasen. Sie zogen aneinander vorbei. Es wirkte, als ob jeder für sich bleiben und möglichst schnell an den anderen vorbeikommen wollte. Eben sozial distanziert, ja eigentlich unpersönlich.
So soll es momentan wohl auch sein: einander nicht zu nahekommen.
Mir als blinde Person, die ich doch hin und wieder auf „physische“ Unterstützung angewiesen bin, macht das schon ein paar Sorgen.
Denn wie wird Hilfe in Zukunft ausschauen können, wenn man sich vor Berührungen fürchten muss? Ich hoffe aber, dass dieses körperliche Abstandhalten nicht auch zu einem menschlichen Distancing führt.
Zu einem Einkaufsbummel nach meinem Geschmack, so wie ich ihn von „früher“ kenne, gehört es auch, Gegenstände nach Belieben anzugreifen. Für mich als blinde Einkäuferin ist das schließlich unverzichtbar, um zu „schauen“, was es alles zu kaufen gibt oder um die Frische von Waren zu überprüfen.
Die Lust, viele Produkte anzufassen, verspürte ich diesmal überhaupt nicht.
Meine Hände streckten sich einige Male gewohnheitsmäßig aus, um einen Gegenstand zu berühren. Fast erschrak ich dann und zog sie schnell wieder zurück. „Nur ja keine Bakterien und Viren aufnehmen oder gar hinterlassen“, fiel mir noch ein. Ich glaube, Handschuhe hätten daran auch nicht viel geändert.
Irgendwann, so nach 20 Minuten, begann mir der Sauerstoffmangel zu schaffen zu machen. Da geht es mir als blinder Person nicht anders als sehenden Menschen. Ich verspürte etwas Schwindel und Übelkeit.
Gut, dass wir mit dem Einkauf ohnehin fertig waren.
Das Zahlen an der Kassa übernahm mein Mann, sodass ich mich mit der Plexiglasscheibe, die den Einkäufer vom Kassenpersonal trennt, nicht auseinandersetzen musste.
Aber auch das wird das Einkaufen in Zukunft für mich nicht leichter machen…
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