Aktuelles
Viele KundInnen fragen: „Wann kann ich wieder jede Woche zur Massage kommen?“
Ein Doppel-Interview
Geleitet wird das Massage-Fachinstitut von Matthias Kutzelnigg. Viele Herausforderungen, der Lockdown und die Wiedereröffnung liegen hinter Ihnen, Herr Kutzelnigg. Wie ist die momentane Situation?
Bei uns arbeiten 20 MasseurInnen, fast alle haben eine Sehbehinderung, und erfreulicherweise arbeiten alle nach wie vor. Und zwar alle im Rahmen der Kurzarbeit. Zwei Monate, von Mitte März bis Mitte Mai, hatten wir geschlossen. Dann konnten wir wieder einen regelmäßigen Betrieb aufnehmen, sowohl in Wien als auch in unserer Außenstelle in St. Pölten. Allerdings eingeschränkt. Wir arbeiten jetzt nur mit drei Viertel der Kapazität von vor dem Ausbruch der Pandemie.
Wie schaut der tägliche Betrieb im Massage-Fachinstitut zurzeit aus?
Wir haben neun Massagekabinen, es arbeiten aber maximal sechs MasseurInnen gleichzeitig. Und zwar sechs in der Zeit von 8:15 bis 14:00 Uhr. Und weitere sechs von 14:00 bis 19:30 Uhr. Pro Tag können maximal zwölf MasseurInnen arbeiten. Sie wechseln nach jeder Massage in eine andere Kabine.
Jede Kabine wird, nachdem sie benutzt wurde, desinfiziert und gereinigt. Außerdem tragen die MasseurInnen ein Visier. Das ist zwar sehr anstrengend beim Arbeiten, dient aber der Sicherheit.
Beim Empfang gibt es eine Verglasung, eine Plexiglaswand. Und wir teilen die Termine so ein, dass sich möglichst wenige Leute im Wartebereich begegnen.
Wie reagieren die KundInnen?
Wir haben das große Glück, dass wir viele StammkundInnen haben. Manche von ihnen kommen schon seit 25 Jahren zu uns zum Massieren. Sie vertrauen uns auch in dieser Situation und kommen jetzt wieder zur Massage. Da muss man schon sehr dankbar sein.
Wie war der Betrieb vor dem Lockdown, vor dem 16. März?
Da hatten wir bis zu 600 Massagen pro Woche und die Hälfte davon als fix vergebene Termine. Also Termine von Leuten, die regelmäßig zu uns kommen. Wir haben viele KundInnen, die wöchentlich zum Massieren kommen. Und der Lockdown hat uns genau in der Hauptsaison getroffen. Denn bis Ende Juni ist immer sehr viel los, im Sommer ist es dann etwas ruhiger. Im Herbst geht es üblicherweise wieder voll los. Natürlich hoffen wir, dass wir jetzt wieder ansatzweise dorthin kommen, wo wir vor der Krise waren.
Es ist beeindruckend zu sehen, welchen Stellenwert die Arbeit für unsere MitarbeiterInnen hat, wie wichtig es für sie ist zu arbeiten. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, dass wir in dieser schwierigen Phase alle Arbeitsplätze erhalten können. Es ist für jeden Menschen problematisch, seine Arbeit zu verlieren. Aber eine Person mit Sehbehinderung trifft dieser Verlust noch härter, denn wenn die Jobs knapp werden und die Arbeitslosigkeit hoch ist, haben Menschen mit Behinderung noch geringere Chancen eine Arbeit zu finden, als das schon bis dato der Fall war.
Wenn Sie sich die Ereignisse der letzten sechs Monate vergegenwärtigen, was haben Sie als besonders schwierig und herausfordernd erlebt?
Corona, Covid-19 hat uns ja schon in den Tagen vor dem Lockdown sehr beschäftigt. Insbesondere die Frage, wann müssen wir den Betrieb schließen, um nicht die Gesundheit unserer KundInnen und MitarbeiterInnen zu gefährden? Andererseits ist es ja auch so, dass kein Arbeitgeber einfach auf Verdacht den Betrieb schließen will und kann. Es hängt ja so viel dran. Am 13. März war dann klar, dass wir zumachen müssen. Dann mussten wir alle Termine absagen, wie gesagt, zwischen 500 und 600 pro Woche. Mit Hilfe meiner MitarbeiterInnen haben wir ungefähr 1500 Termine telefonisch abgesagt. Schwierig war auch diese ständige Ungewissheit. Wie lange wird es keine Massagen geben? Welche Regelungen und Beschlüsse gibt es für die Angestellten? Wie bewältigen wir diese Krise, wie kommen wir da durch? Wann können wir wieder aufsperren? Wie es dann so weit war, haben wir zunächst einmal unsere Stammkunden kontaktiert, ihnen Termine angeboten und unsere momentane Situation im Massage-Fachinstitut erklärt. Wir haben oft von einem Tag auf den anderen nicht gewusst, wie es weitergehen wird. Also das Schwierigste war und ist nach wie vor diese Ungewissheit. Es war und ist wirklich eine Ausnahmesituation.
Wie sind Ihre Erwartungen für den Herbst?
Ich würde mir wünschen, dass wir im Herbst oder zumindest so bald wie möglich einen Weg finden, wieder in voller Besetzung arbeiten zu können. Bis dahin hoffe ich, dass die entsprechenden Unterstützungen weiter zur Verfügung stehen. Aber ab einem gewissen Punkt wird es halt für jedes Unternehmen schwierig. Wir können nicht auf unbestimmte Zeit so weitermachen. Wir können unseren Betrieb nur erhalten, wenn wir weitgehend ausgelastet sind, so wie vor der Pandemie. Deshalb ist es mir so wichtig, so bald wie möglich wieder dorthin zu kommen. Aber wie gesagt, die Ungewissheit ist nach wie vor da. Die Kurzarbeit geht noch einige Zeit weiter. Aber was ist dann? Die Rahmenbedingungen sind unsicher und es ist sehr schwierig, etwas zu planen und zu organisieren. Aber da muss man durch. Ich weiß ja auch, dass andere sich diese Art Probleme wünschen würden. Man muss es ein bissl mit Demut sehen.
Wie geht es Ihren MitarbeiterInnen? Wie hat sich die Corona Krise auf Ihr Team ausgewirkt?
Es ist mir wichtig, dass unsere MitarbeiterInnen möglichst nicht anders behandelt werden, weil sie wenig oder gar nichts sehen. Aber wenn man, um sich orientieren zu können, tasten und greifen muss, dann ändert das die Ausgangslage für Menschen mit Sehbehinderungen in Zeiten von Corona schon sehr. Und hinzu kommt, dass es Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt ohnehin sehr schwer haben.
Natalija Jon, Sie sind seit gut zwei Jahren im Massage-Fachinstitut tätig. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als der Betrieb zugesperrt werden musste?
Auch wenn es für mich ganz klar war, dass das die richtige Entscheidung ist, hat mich dieses Ungewisse belastet. Wie wird es weitergehen, wann werden wir wieder arbeiten können? Wird das Geld reichen? Wie dann klar war, dass bis Ostern auf jeden Fall zu sein wird, habe ich mir gesagt, okay, entspann dich. Du kannst nichts daran ändern. Dann konnte ich die Zeit des Lockdowns auch gut für mich nutzen. Ich habe viel geschlafen, viel gelesen, alte Filme gesehen und in meiner Wohnung einen Frühjahrsputz gemacht. Mein Hund Billy hat sich gefreut, denn wir waren jeden Tag draußen unterwegs, länger als sonst.
Nach zwei Monaten, Mitte Mai, wurde der Betrieb dann wieder langsam aufgenommen.
So schön es auch war, eine Weile zuhause zu sein, habe ich mich wirklich sehr auf meine Arbeit und meine KollegInnen gefreut. Es tut gut, wieder einen Rhythmus, eine Regelmäßigkeit und einen Arbeitsalltag zu haben. Ich glaube, jeder Mensch will das Gefühl haben, hier bin ich wichtig und richtig. Und es war so schön, von den KundInnen zu hören: „Wie gut! Jetzt kann ich endlich wieder zur Massage kommen! Schön, dass ihr da seid!“ Also, es ist schon ein feines Gefühl, arbeiten zu dürfen und einen Arbeitsplatz zu haben.
Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit? Was macht Ihnen an Ihrer Tätigkeit Freude?
Ich liebe meinen Beruf, weil ich bei meiner Arbeit erlebe, dass die Menschen mir vertrauen. Sie kommen gern und können abschalten. Ich kann ihre Verspannungen lösen und Schmerzen lindern. Ich kann etwas bewirken.
Und es ist sehr schön, dass ich mit meinen Händen arbeiten kann, dass ich mit meinen Händen spüren und fühlen kann.
Natürlich ist es eine anstrengende Arbeit. Ich gehe mindestens einmal in der Woche zum Hanteltraining.
Man entwickelt auch eine Beziehung zur Stammkundschaft. Als Masseurin erfährst du früher oder später alles. (lacht) Du erlebst alles mit, was sich in einer Familie ereignet, von der Hochzeit über die Scheidung bis zur Beerdigung. Wenn zum Beispiel am Freitag um neun die Frau Soundso kommt und dir erzählt, dass sie danach noch zum Friseur geht, weil am Samstag der Sohn heiratet, dann fragst du nächste Woche nach, wie die Hochzeit war und du lebst mit. Also, ich bin wirklich dankbar und froh, dass wir unsere Arbeit haben und dass unsere KundInnen so gerne zu uns kommen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das könnte Sie auch interessieren
„Ich habe einen starken inneren Willen entwickelt.“
Energie und Stärke strahlt Rebekka Gottwald aus, wenn sie von ihrer Arbeit, von ihren Erfolgen bei sportlichen Wettkämpfen, von ihren Studienplänen,…
„Ich lasse mich nicht unterkriegen.“
Klara Messner ist 25 Jahre alt, studiert Wirtschaftspsychologie und ist seit zehn Jahren blind.
„Es ist mein größter Traum, eine IT Ausbildung zu machen.“
Sagt Anel Waglechner. Der 25jährige Niederösterreicher ist seit seiner Geburt blind und zurzeit in der Caritas Werkstatt in Krems tätig. Dort haben…