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Ein Mann am Flussufer hält mit beiden Unterarmen einen sehr großen Fisch.
Bildinfo: Der talentierte Fischer ist inzwischen in die Königsklasse aufgestiegen: Er hat unlängst seinen ersten Karpfen gefangen. © privat / Foto zur Verfügung gestellt.

„Wenn du einen Fisch fängst, fühlst du dich als großer Jäger.“

Gabriel Toma ist Ende März zum ersten Mal mit einer Angel in der Hand am Ufer der Donau gestanden. Diese neue Leidenschaft bereitet dem Masseur, der im Massage-Fachinstitut im Louis Braille Haus tätig ist, große Freude.

Interview mit Gabriel Toma

Wie war’s denn am Wochenende beim Fischen? Haben Sie etwas gefangen, Herr Toma?

Gabriel Toma: Ach, da hatte ich nicht so viel Glück, da hab ich bloß eine kleine Rotfeder gefangen. Ich weiß nicht, vielleicht hatte ich die falsche Strategie, vielleicht war ich auch zu ungeduldig. Fischen ist eine Geduldssache. Aber vielleicht lag es auch am Köder oder am Angelhaken. Ich bin ja ein Anfänger und lerne immer etwas dazu. Außerdem geht es auch erfahrenen Fischern so, dass sie einmal nichts fangen. Alles in allem bin ich sehr zufrieden. Ich geh so oft ich kann fischen und ich habe schon recht viele Fische gefangen. Ich hab mir vorgenommen, dass ich die ersten hundert Fische zähle, die ich heraushole. Dann höre ich auf zu zählen. Dann konzentriere ich mich auf die Größe der Fische. Ich möchte auch einmal einen Karpfen fangen, der ein paar Kilo schwer ist, oder einen Zander. Aber einen Schritt nach dem anderen. Das ist eine neue Welt, eine aufregende Welt für mich. Es tut mir nur leid, dass ich nicht schon viel früher damit begonnen habe.

Was hat Sie motiviert, Angeln zu gehen?

Gabriel Toma: Ich bin viel zu viel vor dem Fernseher gesessen und habe mir viel zu oft negative Nachrichten angehört. Mein Kopf war voll davon. Mein Vater, der ebenfalls sehbehindert und schon sein Leben lang Fischer ist, hat mir immer wieder geraten: Geh fischen, geh fischen. Aber ich hab nichts gemacht.

Nun ist es ja nicht so, dass man sich eine Ausrüstung besorgt und fischen geht. Man muss etwas über das Fischen wissen und benötigt eine amtliche Fischerkarte sowie eine Lizenz für das jeweilige Gewässer oder Revier. Schwarzfischen gilt als unsportlich und ist außerdem strafbar.

Gabriel Toma: Ich wohne in Amstetten und habe voriges Jahr in Waidhofen den Kurs gemacht, um die Fischerkarte zu bekommen. Ich habe mich angemeldet und ein Buch über Fischkunde und Angelfischerei erhalten. Ich hatte zwei oder drei Wochen Zeit, um mich vorzubereiten. Dann sind wir beim Fischerkurs noch einmal alles durchgegangen und haben die Prüfung gemacht. Wir mussten 20 Fragen aus dem Buch beantworten. Ich hatte allerdings Angst, dass ich die Prüfungsfragen gar nicht werde lesen können. Deshalb hab ich mich schon vorher bei der Behörde erkundigt, hab gesagt, ich bin ein sehbehinderter Mann, der unbedingt fischen will. Es war gar kein Problem, ich hab die Prüfungsfragen in Großdruck bekommen und es hat alles gut funktioniert. Dieses Jahr habe ich mir eine Lizenz gekauft und jetzt muss ich nur noch Praxis sammeln, das ist das Schwierigste.

Wie haben Sie das Fischen erlernt, wie haben Sie sich erste praktische Kenntnisse erworben?

Gabriel Toma: Ich habe einen Freund, er ist Fischer, er ist schon in Pension. Von ihm hab ich auch vom diesem Revier erfahren und wie ich meine Lizenz hatte, hab ich gesagt, ich setz mich zu dir und lern ein bissl von dir. Mein Pensionistenfreund hat mir gezeigt, wie ich die Angelrute ein- und auspacken soll, wie ich sie halten und werfen soll. Das war ein Theater am Anfang, mein erster Wurf war drei Meter. Mein „Lehrer“ war entsetzt, hat gesagt, oh nein, nicht so! Du musst die Angel bis zur Mitte der Donau auswerfen! Aber nach zwei Wochen ist es schon viel besser gegangen und jetzt schaffe ich es, die Angelschnur 30 oder 40 Meter weit zu werfen. Da denke ich wow, da bin ich ganz begeistert und man kriegt immer mehr Selbstvertrauen. Beim Fischen habe ich außerdem einen jüngeren Fischer kennengelernt, der ist ein Vollprofi, und so lerne ich von beiden. Wir sind ein Trio, wir treffen uns oft am Wochenende und fischen zusammen. Wenn ich an einem Montag fischen gehe, an meinem freien Tag, ist immer mein Pensionistenfreund da.


Sie fischen in der Donau, dort können unter anderem Äschen, Brachsen, Barben, Karpfen, Hechte, Zander, Huchen, Forellen, Aale oder Welse gefischt werden. Und Sie müssen eine genaue Fangstatistik führen.

Gabriel Toma: Auf der Rückseite der Lizenz muss der Fischer eine Statistik führen. Aber diese Tabelle ist für mich viel zu klein, das kann ich nicht sehen. Deshalb habe ich jetzt eine Tabelle in Großdruck. Jedes Mal, wenn ich fischen geh, trag ich das Datum, das Revier und den Fang ein. Also ob ich eine Brachse, eine Barbe oder sonst etwas gefangen habe und wieviel ich gefangen habe. Ich darf allerdings nur eine bestimmte Anzahl mitnehmen, wir haben bestimmte Quoten, also zwei Hechte, drei Welse oder zehn Karpfen pro Jahr. Dafür aber fünf Brachsen pro Woche, es gibt viele und sie vermehren sich schnell. Hinzu kommt, dass wir die Fische nur mitnehmen dürfen, wenn sie ein bestimmtes Brittelmaß, eine bestimmte Länge haben. Eine Brachse muss mindestens 20 Zentimeter lang sein, sonst musst du sie zurück ins Wasser werfen. Die ganze Fischerei ist also reglementiert und das ist auch gut so.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie einen Fisch an der Angel haben und an Land bekommen?

Gabriel Toma: Wenn ich einen Fisch fang, dann fühl ich mich – obwohl ich sehbehindert bin – als Jäger. Wow, das hab ich geschafft! Darum geht es. Es ist nicht mein Ziel, möglichst viele Fische zu fangen. Also, ich brauch nicht fünf Brachsen pro Woche, ich nehm vielleicht die zwei größten mit heim und meine Frau hat die Brachse superschön gebraten, es hat sehr gut geschmeckt. Das ist mein Glück, meiner Frau und mir schmeckt Fisch.

Wie kommen Sie zu Ihrem Revier und wann stehen Sie am Wasser? Es heißt ja, wer was fangen will, muss früh aufstehen.

Gabriel Toma: Ich bin meistens um sechs Uhr in der Früh da. Meine Frau führt mich hin und holt mich wieder ab. Es ist sehr praktisch, mein Revier liegt genau am Arbeitsweg meiner Frau. Ich bin den ganzen Tag dort. Ich nehme eine Kühlbox mit einer guten Jause mit und ab und zu gibt es auch ein Bierchen, wir machen es uns gemütlich. Am meisten liebe ich die Zeit in der Früh, wenn die Vögel singen und zwitschern, wenn die Wildgänse schreien und die Luft noch ganz frisch ist. Das ist so ein Gefühl von Freiheit.

Ein Fischer hantiert mit feinen Dingen wie dünnen Schnüren und feinen Haken. Die Schnur muss durch die Rutenringe geführt und es müssen feine Knoten gemacht werden. Wie können Sie mit diesen Dingen hantieren, da Sie ein Sehvermögen von fünf Prozent haben?

Gabriel Toma: Ich habe zuhause ein Lesegerät und außerdem habe ich mir auf meinem großen Bildschirm viele YouTube Videos angeschaut, zum Beispiel wie man einen Fischerknoten macht. Ich hab eine Schnur genommen und zuhause so lange geübt, bis ich den Knoten mit geschlossenen Augen machen konnte. Sicher, meine Freunde sind da und helfen mir gern, sie sagen: komm, ich mach dir das schnell. Aber nein, es geht nicht um schnell, es geht darum, dass ich es selber mache, auch wenn ich dafür 20 Minuten und nicht fünf Minuten brauche. Denn was mach ich, wenn meine Freunde nicht hier sind?!

Fallen Sie unter den anderen Fischern auf?

Gabriel Toma: Ich trag ja immer meinen Button, der zeigt, dass ich sehbehindert bin. Einmal ist ein Fischereiaufseher gekommen, der war schon schockiert, dass ich fische und hat gefragt, wie das geht. Ich hab ihm gesagt, na ja, ich sehe sehr wenig, aber ich höre sehr gut und ich hab ein sehr gutes Gefühl und so fische ich. Er hat gestaunt. Wirklich?! Aha. Und haben Sie schon was gefangen? Hoppala, also Brachsen haben Sie schon gefangen, gratuliere! Super! Ja, es funktioniert.


Welcher Fang hat Sie ganz besonders gefreut? Worauf sind Sie stolz?

Gabriel Toma: Ich kann mich noch gut erinnern. Es war um sechs Uhr in der Früh, ich war allein dort. Ich hab die erste Rute geworfen. Wir fischen immer mit zwei Angelruten, die nebeneinander aufgestellt werden. Dann hab ich mich umgedreht, um die zweite Rute vorzubereiten und meine Sachen herzurichten. Plötzlich macht es ununterbrochen kling, kling, kling. Ich hatte damals noch keinen Bissanzeiger, sondern eine kleine Glocke an der Spitze der Angelrute. Ich dreh mich um, ich seh, dass sich meine Rute immer wieder nach vorne bewegt. Dass da ein Fisch ist! Aber mein erster Gedanke war, oh nein, oh Scheiße! Was mach ich jetzt? Ich bin allein, ich hätt mir fast in die Hose gemacht. Nach ein paar Sekunden hab ich mir gesagt, jetzt machst du einen Schritt nach dem anderen. Mach es so wie du es auf YouTube gesehen hast, so wie du es von den Freunden weißt. Dann hab ich den Fisch an der Angel vor mir gehört. Dann hab ich mir gesagt, jetzt gehst du mit dem Kescher vorsichtig hinunter zu den Steinen am Ufer. Mit einer Hand musst du den Kescher halten, mit der anderen den Fisch hineingeben. Mir hat natürlich die Erfahrung gefehlt. Aber irgendwie habe ich es geschafft und ich war so stolz, so happy. Da hab ich mir gedacht, ich bin ein guter Jäger, ich bin ein talentierter Jäger. Das war eine Brachse mit 50 Zentimeter, ein schönes Stück. Wie dann später mein Pensionistenfreund gekommen ist, konnte er es gar nicht glauben, dass ich diesen Fisch gefangen habe. Das war mein erster Fisch und ich war allein. Das war meine Prüfung. Jetzt bin ich bereit zu kämpfen. Egal wie groß der Fisch ist, die Angelrute bleibt in meiner Hand. Das versprech ich. (Lacht herzlich)

Beim Fischen haben Sie Ihren Platz oben am Damm. Aber wenn ein Fisch anbeißt, müssen sie ans Wasser. Ist es nicht gefährlich, wenn Sie zum Ufer hinuntersteigen und dort über die Steine gehen müssen?

Gabriel Toma: Ja, ich muss sehr aufpassen. Weil ich hab Angst, einen falschen Tritt zu machen und mit dem Fuß zwischen die Steine zu kommen. Da kannst du dir sogar den Fuß brechen. Da hab ich schon ein bissl Angst, aber ich lass mir immer Zeit. Es ist mir lieber, der Fisch entwischt mir, als dass ich mich verletze, weil ich mich beeile. Es gibt aber verschiedene Plätze, manche sind schwieriger, manche leichter und am Anfang such ich mir immer die leichteren, wo nicht so viele Steine sind, wo ich schneller zum Wasser komme. Meistens sind wir auch zu zweit oder zu dritt. Da ist natürlich vieles leichter.

Je nach Fischart werden unterschiedliche Angelschnüre, Haken und Köder verwendet. Fische beißen auch zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten.

Gabriel Toma: Es würde mich reizen, einmal in der Nacht zu fischen, vielleicht bleibe ich mit meinem jüngeren Freund einmal über Nacht dort. Ich denk mir auch, in der Nacht muss sich mein Freund genauso fühlen, wie ich mich am Tag fühle. Er muss sich in der Dunkelheit aufs Hören konzentrieren. Und wenn ein Fisch anbeißt, muss auch er ganz genau aufpassen, wohin er tritt, wenn wir zum Ufer gehen. Das wäre interessant, denn dann sind wir irgendwie gleich. Weil er fragt mich öfter: Wie siehst du? Und meint dann, na ja, so geht es mir in der Nacht. Und bei mir ist es auch am Tag so.


Vielen Dank für das Gespräch.


Die Landesfischereiverbände erteilen Auskunft über Kurse und Lizenzen.
Niederösterreich: https://www.noe-lfv.at/
Wien: https://www.fischerei-verband.at/landesverbaende/wien/
Burgenland: https://www.burgenland.at/themen/fischerei/

 

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