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Eine junge Frau sitzt abends in einem dunklen Heimbüro vor der Computertastatur mit angeschlossener Braillezeile, der Monitor wirft Licht in den Raum
Bildinfo: Mag. Susanne Sulzbacher im Homeoffice an der Braillezeile © BSVWNB/Ursula Müller/Archiv

Wenn Einkaufen zum Highlight des Tages wird

Der Coronavirus hat unser Leben von heute auf morgen drastisch verändert. Zahlreiche Verordnungen sollen dazu beitragen, dass sich die Krankheit langsamer ausbereitet, dass nicht zu viele Menschen auf einmal mit dem Virus infiziert werden. Wie aber wirken sich diese Maßnahmen auf das Leben blinder und sehbehinderter Menschen aus? Wie bewältigen sie die gegenwärtige Ausnahmesituation? Wir fragen nach bei Mag. Susanne Sulzbacher, sie ist Juristin und ausgebildete Mediatorin.

Interview mit Susanne Sulzbacher

Frau Mag. Sulzbacher, Sie arbeiten an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (MDW), wo Sie vor allem mit studienrechtlichen Belangen befasst sind. Wie hat sich Ihr Alltag seit dem 16. März, seit dem Ausbruch der gegenwärtigen Krise verändert?

Mein Leben hat sich völlig verändert. Ich kann nicht mehr zur Arbeit gehen. Die Musikuniversität wurde mit 16. März komplett geschlossen. Bei uns wurde auf Rufbereitschaft und auf die Arbeit von zu Hause aus umgestellt. Allerdings ist es so, dass ich nur eingeschränkt Homeoffice machen kann. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die blindenspezifische Software meines Computers, der daheim steht, nicht an die Programme angepasst wurde, die an meinem Arbeitsplatz an der Musikuniversität verwendet werden. Diese Anpassung wurde nicht finanziert, weil ich eine Karenzvertretung mache und mein Arbeitsvertrag Homeoffice gar nicht vorsieht. Gewisse Arbeiten kann ich trotzdem erledigen, ich lese und korrigiere Texte und führe juristische Recherchen durch. Aber die Umstellung ist enorm, ich bin es gewohnt, außer Haus zu gehen, jeden Tag zur Arbeit zu fahren und mit Kollegen zu tun zu haben. Dazu kommt, dass ich allein lebe. Und vor zwei Monaten gab es eine Trennung, ich bin also noch so ein bissl weidwund. Wir haben zwar nicht zusammengelebt, aber es gab einen Menschen an meiner Seite und jetzt bin ich sehr auf mich gestellt.

Sie sind blind und nehmen sowohl für Ihre Berufstätigkeit wie auch für Ihre privaten Belange die Dienste der Wiener Assistenzgenossenschaft (WAG) in Anspruch. Sie werden also von Persönlichen Assistentinnen unterstützt und können so ein selbstbestimmtes Leben führen. Welche Einschränkungen machen Ihnen in der gegenwärtigen Ausnahmesituation am meisten zu schaffen?

Das Schlimmste ist für mich, dass ich mich eigentlich nicht frei bewegen kann.

Ich darf zwar, wie wir alle, meine Wohnung verlassen, um einkaufen zu gehen oder mir die Beine zu vertreten. Das tue ich auch, aber viele Wege sind für mich natürlich sehr schwierig, wenn ich sie allein machen muss. Ich dürfte aber nur mit jemand hinausgehen, mit dem ich im selben Haushalt lebe. Strenggenommen machen sich also meine Persönlichen Assistentinnen oder meine Freunde strafbar, wenn sie mit mir draußen unterwegs sind. Das ist für mich persönlich das Allerschlimmste an der jetzigen Situation.

Welche Maßnahme wäre hier erforderlich? Was würden Sie sich in dieser Ausnahmesituation wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass klargestellt wird, dass Menschen mit Behinderungen, die eine persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, mit ihren Assistentinnen das Haus verlassen dürfen, obwohl diese nicht mit ihnen im selben Haushalt leben.

Ich habe mir alle Informationen auf https://www.oesterreich.gv.at/ angeschaut, die es im Zusammenhang mit dem Coronavirus gibt. Und ich muss feststellen, dass Menschen mit Behinderungen gar nicht vorkommen, dass ich als Person mit Behinderung für die Bundesregierung gar nicht existiere. Ich habe nur gelesen, dass man die Sonderfreistellung zur Kinderbetreuung auch nutzen kann, wenn man Menschen mit Behinderungen betreuen muss. Aber was ist mit all jenen Personen mit Behinderung, die allein leben und zum Beispiel Persönliche Assistenz haben? Das ist nicht geregelt. Es ist zwar schon geregelt, dass man sein Zuhause verlassen darf, um sein Pferd zu betreuen. Aber ich als Person mit Behinderung bin für die Bundesregierung gar nicht existent. Ich wünsche mir da klare Regelungen und Rechtssicherheit.


Es gibt zurzeit viele Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Verordnungen werden fast täglich geändert und angepasst, neue können jederzeit dazukommen. Die meisten Menschen aber haben ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Wie gestalten Sie jetzt Ihren Alltag?

Ich stehe nach wie vor spätestens um sieben Uhr in der Früh auf. Lass mir beim Frühstück aber etwas mehr Zeit und serviere mir öfters etwas Gutes wie ein Brötchen mit Räucherlachs oder frisch gepressten Orangensaft, was es bei mir sonst kaum zum Frühstück gibt. Dann schalte ich die Waschmaschine ein und setze mich an meinen Computer. Ich schaue nach, was meine Chefin mir geschickt hat und erledige die Aufträge. Dann mach‘ ich mir etwas zum Essen oder bestell‘ mir etwas beim Lieferservice, wenn ich Lust auf etwas Besonderes habe, das ich mir nicht selbst machen will. Ich lese auch viel, erledige Arbeiten, die sonst immer liegen bleiben wie den Kleiderschrank ausmisten oder die Patina auf meinen Badezimmerfliesen beseitigen. Einmal am Tag schau ich mir eine Nachrichtensendung an, um auf dem Laufenden zu sein, aber das genügt mir, mehr will ich gar nicht.

Mir ist es auch wichtig, dass ich mich in der Früh anziehe und nicht den ganzen Tag in der Jogginghose verbringe. Manchmal ziehe ich mich sogar besonders schön an und trage eines meiner Lieblingsparfüms auf, weil ich mich dann einfach besser fühle. Ich plaudere kurz mit einem Nachbarn, wenn ich jemand im Stiegenhaus treffe.

Einmal am Tag telefoniere ich mit meinem Vater per FaceTime, denn es ist für ihn wichtig, dass er mich sehen kann.

Meine Eltern wohnen im Waldviertel, ich will sie jetzt nicht besuchen, sie sind zwar rüstig, aber ich möchte sie auf keinen Fall gefährden. Dann habe ich meistens etwas zu besorgen. Ich wusste bislang nicht, dass ein Besuch im Supermarkt zum Highlight des Tages werden kann.

Natürlich muss ich mich auch bewegen. Ich gehe jeden Tag etliche Runden um den Block, da kenne ich mich aus. Ich will mich nicht zu weit von daheim entfernen, wenn ich allein unterwegs bin. Ich will nichts riskieren, denn möglichweise brauche ich Unterstützung und dann ist niemand da. Bis vor kurzem war es selbstverständlich, dass ich mit meiner Persönlichen Assistenz draußen unterwegs sein konnte, so wie ich es wollte. Aber jetzt ist alles anders.

Ihre Karenzvertretung endet am 30. April. Sie müssen sich also eine neue Arbeit suchen. Wie wird es für Sie beruflich weitergehen?

Bis vor kurzem war ich zuversichtlich. Ich habe ja auch eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht und es wäre mein Traum, in einer Personalabteilung zu arbeiten. Aber jetzt ist die Situation sehr schwierig. Es gibt ganz viele Anträge auf Arbeitslosengeld. Ich hätte mich auch schon auf eine Stelle beworben, aber die wurde aufgrund der Coronakrise gestrichen. Ich bin keine 25 mehr, ich habe eine Behinderung und ich muss im Mai wieder ganz von vorne anfangen. Niemand weiß, wie es wirtschaftlich weitergehen wird. Das belastet mich sehr. Ich werde nächstes Jahr 40 und ich habe schon gehofft, dass ich mit 40 irgendwo angekommen sein werde. Aber jetzt hat sich vor kurzem privat alles geändert und beruflich weiß ich auch nicht, wie es weitergehen wird. Ich habe Angst, dass ich unter die Räder kommen könnte. Andererseits sage ich mir, ich bin Juristin, Mediatorin und ich verfüge über ein behindertenspezifisches Know-how, denn ich habe einige Zeit bei der Behindertenanwaltschaft gearbeitet. Diese Kombination gibt es in Österreich selten und darauf baue ich.

Sie leben allein und sollen, wie wir alle, möglichst viel zuhause bleiben. Wie pflegen Sie jetzt Ihre Kontakte?

Die persönlichen Kontakte fehlen mir sehr. Also einem Menschen die Hand zu geben oder meine beste Freundin zu umarmen, das geht mir unglaublich ab. Ich tu‘ mir auch beim Einschlafen schwer. Niemand kann vorbeikommen, meine Hand halten und sagen, das wird schon wieder.

Das unterscheidet diese Krise von all den anderen, die wir vorher hatten. Vor Corona konnte man sich berühren, in den Arm nehmen, auch körperlich trösten. Jetzt aber sollten wir möglichst Abstand voneinander halten.

Dass man so auf sich gestellt ist, dass man so auf sich zurückgeworfen ist, empfinde ich als die größte Herausforderung dieser Krise.

Gleichzeitig erlebe ich auch, wie wichtig es ist, dass ich ein gutes Netzwerk aus Freunden, Arbeitskollegen, Persönlichen Assistentinnen und Nachbarn habe. Eine Frau aus dem Haus hat im Aufzug einen Zettel mit ihrer Telefonnummer aufgehängt und ihre Hilfe angeboten. Ich bekomme auch jeden Tag eine WhatsApp Nachricht von Freunden und werde gefragt, ob ich etwas brauche. Diesen Zusammenhalt zu erleben ist sehr schön.

 

Vielen Dank für diese Einblicke in Ihre momentane Lebenssituation.

Das Interview führte Mag. Ursula Müller

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