Springe zur NavigationSpringe zur SucheSpringe zur PfadangabeSpringe zum InhaltSpringe zum Fußbereich
Jetzt spenden! Illustration des Spendenhundens.
Inhalt

Aktuelles

Sechs Jugendliche, darunter zwei mit weißem Stock, stehen als Gruppe lachend vor einer Fensterfront mit der Aufschrift "Freies Radio"
Bildinfo: Die Verrückte Jugend Aktion trifft aufgeregt bei Radio Orange ein. © BSVWNB/Astrid Glatz

Wir gehen auf Sendung!

Oder: "Sehbeeinträchtigung für Anfänger"

Die Lampe vor dem Studio leuchtet rot auf. Sie signalisiert: Die Aufnahmen laufen, daher sollte niemand das schalldichte Tonstudio betreten. Denn in dem Raum mit den blauen Samtwänden von Radio Orange nehmen einige Jugendliche gerade ihre erste eigene Sendung auf.

„Hallo liebe Leute, hier ist Radio VJA – die Verrückte Jugend Aktion des Blinden- und Sehbehindertenverbandes. Wir präsentieren euch heute unseren ersten Beitrag.“

Roman spricht die Worte deutlich ins Mikrofon. Wenige Wochen später werden diese Worte bereits über den freien Radiosender zu hören sein. Für ihren ersten Beitrag haben sich die Jugendlichen ein ganz besonderes Thema überlegt: Unter dem Titel „Sehbeeinträchtigung für Anfänger“ wollen sie über das Zusammenleben von sehenden und sehbeeinträchtigten Menschen sprechen.

Eine eigene Sendung gestalten

Doch es ist gar nicht so einfach, eine eigene Radiosendung zu produzieren. Daher hat sich die Verrückte Jugend Aktion Unterstützung geholt und eine Kooperation mit GeckoArt gestartet. Hinter der Gruppe GeckoArt stehen die Kunstschaffenden Evelyn Blumenau und Walter Kreuz. In drei gemeinsamen Treffen erklärten sie den Jugendlichen wie Radio funktioniert und erarbeiteten erste Inhalte. Eifrig überlegten und gestalteten die Jugendlichen dann selbstständig das Programm. Am Tag der Aufzeichnung besprechen sie die Inhalte in einer gemeinsamen Redaktionssitzung mit GeckoArt, feilen an Erzählungen und Witzen, und gehen nochmals den Ablauf durch. Schließlich bittet Evelyn Blumenau die Jugendlichen ins Tonstudio, um die ersten Aufnahmen durchzuführen.

Bevor die Jugendgruppe mit Anekdoten und Appellen loslegt, erklärt Oliver den Zuhörenden nach der Begrüßung, was die VJA eigentlich ist: „Das ist eine besondere Gruppe des Blinden- und Sehbehindertenverbandes für sehbehinderte und blinde Menschen zwischen 15 und 30 Jahren. Man unternimmt viel, lernt sich näher kennen und man lernt auch gemeinsam mehr. Wir haben verschiedene Freizeitangebote, zum Beispiel Halloween- und Weihnachtsfeiern, Campingausflüge oder auch gemeinsames Autofahren in einer Fahrschule. Und wir haben auch ein Radioprojekt am Laufen, Rätselrallyes machen wir, Graffiti-Workshops oder Essen im Dunkeln.“ Seit einiger Zeit hat die VJA auch einen eigenen Raum, den die Jugendlichen selbst gestaltet und so ihre Inspirationen und Ideen eingebracht haben.

Erlebnisse beim Einkaufen

Mario erzählt, dass er seit seiner Geburt eine Netzhautablösung hat. Er berichtet von einigen Begegnungen mit sehenden Menschen, die aufgrund seiner Sehbehinderung zustande kommen. Zum Beispiel benötigte er einmal Unterstützung in einem Lebensmittelgeschäft. Er wollte eine Nussnougatcreme kaufen, jedoch das oft beinhaltete Palmöl vermeiden. In Fällen wie diesen hilft normalerweise eine Texterkennungs-Software am Handy: Der Text wird von einem Foto abgelesen. Die Handykamera konnte jedoch die Schrift auf dem runden Glas nicht richtig erfassen. Mario fragte schließlich eine ältere Dame, ob in dem Produkt Palmöl enthalten sei.

„Aber oft erhalte ich keine Hilfe oder Antwort im Geschäft, “ meint der 26-jährige Niederösterreicher, „manchmal wäre ein einfaches Ja oder Nein ganz hilfreich.“

Auch Oliver thematisiert das Einkaufen im Supermarkt: Ab und zu fragt er Personen, ob sie ihm helfen könnten, ein bestimmtes Lebensmittel zu finden. „Dann kommt meistens nur so etwas wie: ‚Da‘, ‚dort‘ oder ‚da um die Ecke‘. Das ist nicht besonders hilfreich, wenn man nichts sieht.“ Oliver ist am rechten Auge komplett blind und hat am linken Auge einen defekten Sehnerv. Für ihn wären genauere Informationen wichtig, um die gewünschten Lebensmittel zu finden, zum Beispiel „im oberen Teil des Regals neben dir“ oder „im nächsten Gang auf der linken Seite, ungefähr in der Mitte des Ganges“. Denn gerade das häufige Umschlichten in Supermärkten ist für sehbehinderte und blinde Menschen nicht immer einfach, erklärt Oliver. Mario ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Aber manchmal entdeckt man so neue Dinge.“

Geschichten und Anekdoten mit Tiefgang

Anschließend lockert Mario die Erzählungen mit einem Witz auf: „Warum kauft ein Blinder Sesamweckerl? Vielleicht wegen der Punkte, die ihn an die Blindenschrift erinnern. So erhofft er sich jeden Tag neue Kurzgeschichten.“ Roman setzt gleich mit einem weiteren Witz nach: „Zwei Blinde sitzen im Kino. Sagt der eine: Ich kann nichts sehen. Sagt der andere: Wollen wir Plätze tauschen?“ Dass Humor ganz wichtig ist, spricht Roman an: „Wenn man nicht über sich selber lachen kann, hat man etwas falsch gemacht.“ Gelacht wird viel während der Tonaufnahmen, denn nicht nur die Witze bringen die Jugendlichen zum Lachen. Es macht ihnen Spaß, eine eigene Radiosendung zu produzieren, hinter die Kulissen der Produktion zu blicken, und die eigenen Themen zu vertreten.

Dass hinter den Anekdoten und Witzen mehr steckt, zeigen die Jugendlichen deutlich. Denn es tauchen in der Radiosendung Alltags-Geschichten auf, die zum Nachdenken anregen. Romans Sehvermögen hat sich trotz zahlreicher Operationen massiv verschlechtert: „Früher konnte ich die Welt visuell wahrnehmen. Jetzt muss ich die Umgebung mit dem Blindenstock erkunden.“ Der Blindenstock ist ein sehr wichtiges Hilfsmittel, denn er informiert wie eine tastende verlängerte Hand über die Beschaffenheit des Bodens und Hindernisse am Weg.  Für Roman jedoch war es nicht immer einfach, damit unterwegs zu sein: Bei einem Festival-Besuch traten Personen unachtsam auf dessen Spitze. Andere schrien, als er damit unbeabsichtigt ihre Beine traf. Dass es noch schlimmer kommen kann, berichtet Mario: Auf dem Weg in seine Arbeit sei ihm ein Autofahrer über den Blindenstock gefahren – und beging Fahrerflucht. Glücklicherweise blieb Mario unversehrt, doch der Blindenstock war massiv beschädigt.

Über Hilfsmittel und Blindenführhunde

So wichtig die Hilfsmittel oder Orientierungssysteme für blinde und sehbehinderte Menschen sind, so wesentlich ist es den Jugendlichen auch, in der Sendung darüber zu berichten. David ist Praktikant beim BSVWNB (Blinden- und Sehbehindertenverband Wien, Niederösterreich und Burgenland) und hat die angeborene Seheinschränkung Akromatopsie. Seine Sehstärke liegt bei lediglich 10 Prozent. Das Leitliniensystem stellt nicht nur für ihn eine wichtige Quelle dar, um sich im Alltag zu orientieren. Aber oft werden genau dort Fahrräder abgestellt, manchmal stehen auch Kaffeehaussessel und -tische, Autos oder Baucontainer auf den Leitlinien.

Im kleinen Tonstudio spricht Mario wieder ins Mikrofon:

„Blindenführhunde sind zuerst einmal nicht blind. Es gibt sie seit 1892, sie tragen ein weißes Führgeschirr, wenn sie arbeiten.“

Wenn ein Blindenführhund im Einsatz ist, sollte man ihn nicht streicheln, füttern oder locken. Es sind ganz schön viele Informationen, die die Jugendlichen für die zukünftigen Zuhörenden der Sendung parat haben.

Die Jugendlichen der Verrückten Jugend Aktion möchten mit Geschichten, Humor und Leichtigkeit auf die Situation von blinden und sehbehinderten Menschen aufmerksam machen. Dass sie mit der Radiosendung Menschen erreichen werden, die ihre Botschaft hören, ist eine tolle Sache. Genauso schön, wie die Eigenständigkeit und der Spaß, den die Jugendlichen bei Radio Orange an den Tag legen. Bis die letzten Worte im kleinen Tonstudio ins Mikrofon gesprochen werden: „Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, wir – die Jugendlichen von der VJA – bedanken uns ganz herzlich fürs Zuhören. Tschüs, pfiat euch und bis zum nächsten Mal!“

Der Sendetermin für den Radiobeitrag (hier zum Nachhören) war der 13. Juni 2019 um 11.30 Uhr auf Radio Orange - Orange 94.0

„Mein Onkel ist ein Mensch, der alles ausprobiert, ein bissl wie ich.“

Mit weißem Stock an der Schulter, einem schwarzen Kapuzenpullover und einem Lächeln im Gesicht: ein junger Mann vor einem Bäumchen mit gelben Blättern, dahinter eine Mauer.
Portraits

Philipp Huber ist Ende zwanzig, studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule Campus Wien und absolvierte sein Praktikum bei der Beruflichen Assistenz…

Musik heilt.

Vor weißem Hintergrund ein Portraitfoto einer lachenden blonden Frau mit pinker Bluse.
Aktuelles

Davon ist die deutsche Sängerin und Songwriterin Ute Ullrich überzeugt.

Eine erdige Angelegenheit

Vier Jugendliche an einem langen Tisch; auf dem Tisch vor ihnen halbfertige Ton-Werkstücke. Die Workshopleiterin beugt sich zwischen zwei Jugendlichen über den Tisch und ertastet einen Tonteller.
Aktuelles

Ein fröhlicher Tonworkshop mit der Verrückten Jugend Aktion.