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2. Das kann man lernen ...

Dinge sollten ihren fixen Platz haben.


Wer sich mit geschlossenen Augen oder in völliger Dunkelheit einzufühlen versucht, wie blinde Menschen zurechtkommen, kann sich vermutlich schwer vorstellen, mit dieser Situation klarzukommen. Aber der Schockzustand plötzlicher völliger Dunkelheit ist mit dem realen Alltag blinder Menschen nicht wirklich vergleichbar. So wie man mit einem gebrochenen Arm im Gips erst lernen muss, mit der neuen Situation umzugehen, müssen auch blinde Menschen sich auf ihre Möglichkeiten einstellen. Wer von Kindheit an nicht oder schlecht sieht, wird dies irgendwann nahezu als "normal" empfinden.

Zugegeben, blind zu sein kann ganz schön anstrengend sein. Es schärft aber auch die restlichen Sinne, macht sensibel für weniger Augenfälliges wie Geräusche und Gerüche. Blinde Menschen können durchaus ein erfülltes Leben haben, auch wenn dies in einer Welt, die vorwiegend visuell orientiert ist, mit erheblichem Lernaufwand verbunden ist.

Nicht zu sehen erfordert einerseits ein gewisses Maß an Ordnung zu halten und zwingt andererseits das Gedächtnis zu trainieren, um fehlende visuelle Eindrücke kompensieren zu können.

Wer vergessen hat, wo der Schlüsselbund liegt und sehen kann, wird mit aufmerksamem Blick danach suchen. Mit etwas Glück fällt das Gesuchte "ins Auge". Blinde Menschen müssen sich entweder daran erinnern, wo sie ihre Sachen ablegen oder eben alle in Frage kommenden Stellen systematisch und akribisch mit den Händen abtasten - und dabei noch achtgeben, dass ein vergessenes Glas nicht irrtümlich vom Tisch gefegt wird. Ganz ehrlich: es ist wirklich einfacher, so wichtige Dinge wie Schlüssel nicht gedankenlos irgendwo liegen zu lassen, sondern gleich an dem dafür vorgesehenen Ort abzulegen. Das spart Zeit und Nerven.

Dinge sollten ihren fixen Platz haben. Diese Empfehlung gilt für die blinde Person und gleichermaßen für Personen, die im selben Haushalt leben. Aber das wissen vor allem jene Menschen ohnehin, die sich in ihrem geordneten Chaos auf dem Schreibtisch perfekt zurechtfinden und verzweifeln, wenn jemand versucht hat, Ordnung zu schaffen.


Identifizieren und unterscheiden ist auch im Kleiderschrank wichtig. Da sticht eben kein Blitzblau ins Auge, nach dem man gezielt greifen könnte. Auch hier hilft Ordnung oder zumindest ein System. Wenn das Gedächtnis nicht so gut trainiert ist oder der Kleiderschrank zu voll, kann es schon hilfreich sein, sich auch Notizen zu machen und fühlbare Merkmale wie eine bestimmte Kragenform, ein ausgefallenes Material, einen charakteristischen Schnitt zu notieren - am besten gleich auch die Farben dazu. Hier ein kleiner Schnitt mit der Schere ins Etikett, dort ein winziger Knopf an nicht sichtbarer Stelle angebracht, und schon wird dem Gedächtnis zusätzlich auf die Sprünge geholfen.

Ebenso wie prägnante Notizen kann auch moderne Technik beim Auffinden und Kennzeichnen eine große Hilfe sein. Aber dazu kommen wir später in dieser Reihe.

Am Anfang steht das Wort

Das Erlernen wichtiger Strategien, um auch blind gut durch die Anforderungen des Alltags zu kommen, basiert zu einem großen Teil auf intensiver Kommunikation. Im Sprachgebrauch ist es üblich, Hinweise wie "hier" oder "dort" zu verwenden, also Wörter, die eine zusätzliche Informationsquelle für die anderen Sinne benötigt. Meist sind es visuelle Informationen: Das "hier" wird durch eine ausgestreckte Hand mit einem Wasserglas eindeutig. Ein Kopfnicken in eine bestimmte Richtung verdeutlicht, was mit "dort" gemeint ist.

Wenn die visuelle Wahrnehmung wegfällt oder extrem reduziert ist, bedarf es daher Informationen für einen anderen Sinn, wie Gehör oder Tastsinn.

Das klingt sehr theoretisch, ist aber wichtig zu wissen! Wenn jemand "hier" sagt, und der blinden Person gleichzeitig das Wasserglas in die Hand drückt, ist alles klar wie das Wasser im Glas. "Dort" könnte durch eine Bemerkung wie "links neben Ihnen steht ein Stuhl" ersetzt werden.

Zweifellos ist es nicht immer einfach, Richtungen und Entfernungen eindeutig zu beschreiben. Aber blinde Menschen entwickeln im Laufe der Zeit geradezu "detektivische Befragungsmethoden", um dem/der GesprächspartnerIn die benötigten Informationen zu entlocken.

Für viele Bereiche des Lebens gibt es spezielle Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen, wie im Beitrag über die unterschiedlichen Zeitmesser beschrieben. Viele wichtige Informationen können über Kommunikationstechniken in Erfahrung gebracht werden - und damit ist nicht nur das direkte Gespräch gemeint, sondern auch digitale Quellen wie E-Mail oder Internet. Aber am wichtigsten ist wohl die Bereitschaft, die Situation akzeptieren zu lernen. Wer von Kindheit an mit den Einschränkungen eines Sehverlusts vertraut ist, wird diese Situation irgendwann geradezu als "normal" empfinden. Wer mit einer Diagnose bevorstehender Erblindung oder empfindlicher Reduktion des Sehvermögens konfrontiert ist, hat jedoch einen steinigen und herausfordernden Weg vor sich, ähnlich einem/r SportlerIn, der oder die hart trainiert, um das festgesetzte Ziel zu erreichen.

Link zum Detailkatalog des Hilfsmittelshops für Alltag und Haushalt.

Link zu Helfen - aber wie? Anleitung zum richtigen Umgang mit blinden Menschen.

Eva Papst Juli 2021