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Das Smartphone

Das Smartphone – Der Wunderwuzzi unter den Hilfsmitteln?!

Ein Smartphone ist handlich, hat eine glatte Oberfläche, ein reiches Innenleben und Bildschirminhalte, die – in der Regel – mit den Augen erfasst werden. Dass dieser kleine Wunderwuzzi auch sehbehinderten und blinden Menschen große Dienste erweist, zeigt dieser Start einer Themenserie.

Menschen mit Seheinschränkung können zum Beispiel die Lupe nutzen und durch Vergrößerung der Schrift, Kontrastverstärkung, Invertierung und weitere Einstellungen den Bildschirm auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Wer also zum Beispiel die schwarze Schrift auf weißem Grund nicht gut lesen kann, stellt zur weißen Schrift auf schwarzem Grund um. Auch für Menschen mit Bewegungseinschränkungen in den Händen oder einer Hörbehinderung bieten Smartphones spezielle Einstellungsmöglichkeiten.

Zum Start der Themenserie wird dargestellt, dass sehende und blinde Menschen das Smartphone ganz unterschiedlich handhaben. Und vor allem soll Neulingen und Skeptikern Lust gemacht werden, selbst einmal ein Smartphone in die Hand zu nehmen und auszuprobieren, ob es für sie hilfreich und nützlich sein könnte. In den folgenden Beiträgen geht es dann um die praktische Nutzung durch blinde Anwender.

Immer dabei

Ohne Schlüssel, Geldtasche und Smartphone geht heutzutage kaum jemand aus dem Haus. Kinder wie Erwachsene wischen über den Bildschirm, schreiben Nachrichten, twittern, spielen, schauen Videos, machen Fotos oder informieren sich über Sonderangebote, öffentliche Verkehrsmittel oder die aktuelle Weltlage. Und telefonieren natürlich auch. Ein Smartphone, so scheint es, hat man einfach, aber kann es auch jeder benutzen? Ist das Smartphone barrierefrei? Was, wenn überhaupt, können blinde Personen damit anfangen? Sehr viel, wie Eva Papst aus eigener Erfahrung weiß: „Ich verwalte meine Kontakte, Mails und Nachrichten, plane meine Wege, frage die Öffis ab, lese Zeitung oder spiele manchmal auch ein Spiel.“

Bereits seit 1999 beschäftigt sich die inzwischen pensionierte Leiterin der Brailledruckerei am Bundes-Blindeninstitut mit dem Thema Barrierefreiheit im Netz. Konkret mit der Frage, welche Richtlinien eingehalten werden müssen, um barrierefreie Webseiten zu gestalten.  Sich mit dem Smartphone auseinanderzusetzen, war da eigentlich nur der nächste logische Schritt.
 
Vor sechs Jahren wagte Eva Papst den Sprung ins kalte Wasser. „Bis dahin habe ich immer geglaubt, ein Touchscreen ist für mich nicht bedienbar.“ Der Bericht eines blinden Technikfreaks machte der neugierigen und technischen Errungenschaften gegenüber aufgeschlossenen Mediennutzerin Mut. „Wie ich gelesen habe, was der alles mit seinem iPhone macht, hab‘ ich mir gedacht, dass ich das auch ausprobieren will.“

Berühren erforderlich

Wie aber ist es möglich, sich auf dieser kleinen Glasplatte zu orientieren und zu navigieren, wenn man die Symbole und Bildschirminhalte nicht sieht? Diese Aufgabe übernimmt ein Bildschirm-Ausleseprogramm, der Screen Reader. Durch das akustische Feedback mittels Sprachausgabe kann einerseits der Bildschirminhalt erfasst und andererseits das Smartphone durch Gesten gesteuert werden. Dieser Screen Reader ist bereits installiert und muss nur noch aktiviert werden; dann können auch blinde Personen ein Smartphone nutzen.

Wie viele blinde Menschen bevorzugt auch Eva Papst das iPhone, „weil die Leute von Apple am längsten an diesem Thema dran sind und die Entwicklung daher am weitesten fortgeschritten ist“. Das erste iPhone, das mit einem vollwertigen Screen Reader ausgestattet war, kam 2009 auf den Markt. Bis dahin waren Smartphones nicht standardmäßig barrierefrei, der Touchscreen, ein berührungsempfindlicher Bildschirm, stellte eine unüberwindliche Hürde für einen blinden Menschen dar.
 
Die inzwischen standardmäßig vorinstallierte Bildschirmlesefunktion VoiceOver liest vor, was auf dem iPhone passiert. Eva Papst: „Ich berühre das Display und höre, was unter meinem Finger ist. Dann navigiere und interagiere ich genauso mit Gesten wie jeder andere, auch wenn sich die Gesten ein wenig vom Normalbetrieb unterscheiden.“

Das bedeutet, dass die Nutzerin also bestimmte Gesten verwendet wie Berühren, Wischen oder Doppeltipp und die Bildschirmlesefunktion reagiert darauf. Bevor wir Eva Papst über die Schulter schauen, wie sie mit Hilfe dieser Gesten durch die Angebote ihres iPhone steuert, noch ein Wort zum Thema Touchscreen auf Smartphones allgemein.

Das Betriebssystem von Apple heißt iOS, und der Screen Reader VoiceOver ist ein fixer Bestandteil desselben. Aber auch das Betriebssystem Android, das viele Firmen wie Samsung, LG oder Sony verwenden, beinhaltet einen Screen Reader, nämlich Talkback. Auch wenn sich einzelne Gesten und vor allem Menüstrukturen bei Apple- und Android-Geräten unterscheiden, so basiert die Bedienung der Screen Reader dennoch auf einem vergleichbaren Konzept.

Doch „Android ist nicht gleich Android“, erläutert Eva Papst. „Denn die verschiedenen Anbieter bauen ihre eigenen Oberflächen dazu und somit sind die Smartphones von Samsung, Sony & Co in der Bedienung etwas unterschiedlich. Das ist einer der Gründe, warum ich mich für ein iPhone entschieden habe.“

Den Screen Reader aktivieren

Ist VoiceOver oder Talkback einmal aktiviert, kann’s losgehen. Doch davor noch ein Hinweis. Die gewohnte Bedienung mit Gesten ändert sich durch den Screen Reader. „Das ist klar“, sagt Eva Papst. „Denn ohne Screen Reader, ohne Sprachausgabe, wird das, was ich berühre, sofort aktiviert. Mit dem Screen Reader wird die Stelle, die ich berühre, nur gekennzeichnet, sozusagen fokussiert, und von einem schwarzen Rechteck eingerahmt. Sehende Benutzer können auf diese Weise nachvollziehen, was ich gerade mache. Dann entscheide ich durch Wischen oder Tippen, was ich mit dieser markierten Stelle tun möchte.“

Einige Beispiele: Tippt man ganz oben auf den Bildschirm, werden die Uhrzeit oder der Batteriestatus angesagt, je nachdem, welche Stelle genau man berührt. Berührt man die Nachrichten, so wird „Nachrichten“ angesagt und es wird auch angezeigt, ob eine neue Nachricht eingegangen ist. Mit einem Doppeltipp wird die Anwendung geöffnet.

Will man von einem Element zum nächsten wechseln, streicht man nach links (ein Element zurück) oder nach rechts (ein Element vorwärts). Zur Wahrung der Privatsphäre kann der Bildschirm auch abgedunkelt werden, sodass niemand mitlesen kann. Die Sprachausgabe bleibt natürlich weiter aktiv und Aktionen wie E-Mails schreiben, Ordner öffnen, verschieben oder löschen sind weiterhin möglich.

Übung macht den Meister

Wie schwer ist es für einen blinden Menschen, sich den Umgang mit dem Smartphone anzueignen? Eva Papst antwortet mit einer Gegenfrage. „Wie schwer ist es, eine neue Sprache zu erlernen, sich mit einer neuen Waschmaschine oder einem neuen Fernseher vertraut zu machen. Es geht also darum, sich damit zu beschäftigen und zu üben, zu üben und noch einmal zu üben. Es hat ungefähr drei Wochen gedauert, bis ich mich mit den Grundfunktionen einigermaßen ausgekannt habe. In diesen drei Wochen, das gebe ich gerne zu, hätte ich das Gerät manchmal am liebsten an die Wand geschmissen, weil es oft nicht das getan hat, was ich wollte. Aber man kann sich Hilfe holen und inzwischen ist es für mich schon ganz selbstverständlich, dass ich mein iPhone für ganz viele Dinge verwende.“

Was so alles möglich ist und wie es funktioniert, wird Thema dieser Serie sein.

Mag. Ursula Müller Oktober 2017

Anmerkung: Die Serie basiert auf iPhone und VoiceOver, die Aussagen treffen aber grundsätzlich auch für Geräte mit Android zu.

Serienkapitel:

  1. Spracheingabe /-ausgabe bei Smartphones
  2. Diktat mit dem Smartphone
  3. Blind mit der Bildschirmtastatur schreiben
  4. Korrekturen am Smartphone
  5. Werkzeuge Apps
  6. KatApp der Hörbücherei
  7. Hörbücher hinzufügen (importieren)
  8. WienMobil
  9. Mit BlindSquare die Umgebung erforschen
  10. Smarte Helfer für Medikamente, Produkte und Texte
  11. Kommunikation am Smartphone
  12. Apps zur Hilfestellung