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Der blinde Waschmaschinenverkäufer

Inklusion am Arbeitsplatz - Der blinde Waschmaschinenverkäufer

„Sie interessieren sich für eine Waschmaschine?“, fragt der Verkäufer. Die Kundin bejaht und sieht sich unschlüssig um. Reihen von Waschmaschinen stehen vor ihr, wo soll sie anfangen?

„Dann darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen? Wie viel Geld möchten Sie ausgeben? Haben Sie besondere Vorstellungen?“

„So um die 500 Euro würde ich schon zahlen. Wir sind nur zu zweit, ich brauche die Maschine nicht täglich. Wichtig ist mir die Energieeffizienz. Meine jetzige hat nur ein A, mittlerweile gibt es ja schon AAA. Und ja: die Lautstärke, die sollte so gering wie möglich sein.“

„Gut, dann werden wir ja hoffentlich etwas Passendes finden“, sagt der Verkäufer voller Optimismus, dreht sich um, bittet die Kundin ihm zu folgen und tastet sich ins hintere Drittel der langen Reihe, bleibt stehen. „Die hier könnte ich Ihnen sehr empfehlen, die Maschine hat eine sehr geringe Lautstärke“, beginnt er das Verkaufsgespräch. „Der Motor sitzt unter der Trommel, wir haben also keinen Keilriemen, das bedeutet, dass sie beim Waschen und Schleudern besonders leise ist.“

Weil eine Bekannte der Kundin ebenfalls eine neue Waschmaschine braucht, aber eine mit Trocknerfunktion, bittet sie den Verkäufer, ihr auch da eine geeignete Maschine zu zeigen. Er greift nach seinem Langstock und tastet sich zur Stirnfront des Geschäfts, um die Beratung vor den entsprechenden Geräten weiter zu führen.

Der blinde Waschmaschinenverkäufer

Der Verkäufer Markus Kirschner ist seit seiner Geburt blind. „Aufgewachsen bin ich mit einer Gorenje“, erzählt er. „Die Waschmaschine hat mich fasziniert. Die sich ändernden Geräusche, die Übergänge vom Wasch- zum Spülprogramm und als akustischer Höhepunkt das Schleuderprogramm, ich fand das spannend. Meine Großmutter hat gemerkt, dass diese Geräusche auf mich beruhigend wirkten und hat mich neben die Waschmaschine gesetzt, wenn ich nicht einschlafen konnte. Das hat geholfen.“

Dieses Interesse hat er weiter und weiter verfolgt. In der Schule hätten ihn die Klassenkameraden als Waschmaschinentechniker bezeichnet. Sobald er den Umgang mit dem Computer gelernt hatte, suchte er nach Foren, in denen sich Leute über Waschmaschinen austauschen. „Da und natürlich auf den Seiten der Hersteller habe ich viel gelernt. Über die Funktionen, die technischen Daten, eben alles, was wichtig ist“, sagt Markus Kirschner.

Michael Prager, Geschäftsführer im Media Markt Wien Mitte, hat erkannt, wie perfekt sich der junge Mann mit Waschmaschinen auskennt und sein Talent gefördert. „Alles begann als Markus einen Multimedia-Fachberater aus der Waschmaschinenabteilung in unserem Markt mit seinem Wissen überzeugte – daraufhin wurde ich neugierig und lud den jungen Herren zu einem Gespräch ein. Ich habe sofort gemerkt, wie gut Markus sich auskennt – und nach einer kurzen Probezeit wurde er im Februar 2015 bei uns eingestellt.“

Für Markus Kirschner ist es wichtig, stets zu wissen, ob und welche Änderungen es in der Abteilung gibt: Ob eine Maschine verkauft worden ist, ob Produkte neu aufgestellt wurden oder neu dazugekommen sind.
Markus Kirschner wird von Media Markt auf besondere Schulungen geschickt. Ein Teil davon findet online statt. Dazu benötigt er einen blindengerechten Computer, der ihm vom Sozialministerium zur Verfügung gestellt wird. So kann er selbstständig seine Kurse verfolgen.

Sichtweisen verändern – Gewinn für behinderte und nicht behinderte Mitarbeiter

Noch ist es sehr ungewohnt, Menschen mit Behinderungen in „alltäglichen“ Berufen zu sehen. Bislang waren Menschen mit Sehbehinderungen eher in „versteckten“ Berufen tätig, als Telefonisten, in Call Centern oder in speziellen Einrichtungen, die behinderten Menschen Arbeit verschaffen.

Michael Prager freut sich über das positive Feedback der Kunden. „Oft sehen wir zunächst Erstaunen oder Zurückhaltung, wenn Interessenten auf unseren Kollegen Markus Kirschner treffen. Aber das kompetente Fachwissen und die offene Art von Markus überzeugen sehr schnell. Dies zeigt sich auch in den vielen positiv ausgefüllten Feedback-Zetteln, die beim Ausgang aufliegen.“

Erst sieht man die Behinderung, dann die Fähigkeiten – und die Behinderung gerät in den Hintergrund

„Im Team sind wir stark – auf dieses Motto bauen wir seit unserer Eröffnung im Jahr 2012. Gegenseitige Unterstützung wird bei uns ganz groß geschrieben – das prägt jeden Einzelnen. Scheinbar große Probleme werden klein, wenn man sie aus einer anderen Perspektive betrachtet. Hier lernen wir sehr viel voneinander, vor allem auch von Kollegen mit besonderen Bedürfnissen“, betont Michael Prager.

Brigitt Albrecht / gekürzt von Mag. Martin Tree