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5. Wie nützt KI blinden Menschen?

App: "Be My Eyes"

Bisher waren die gezeigten Beispiele eher allgemeiner Art. Sie zeigen, was die Aufgabe von KI sein kann und wie man sie einsetzen kann.

Was aber leistet KI speziell für blinde und sehbehinderte Menschen? Wie setzt man sie nutzbringend und sorgfältig ein? Bringt KI Vorteile bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und wo liegen eventuelle Gefahren?

Neben den allgemeinen Apps wie ChatGPT & Co gibt es auch speziell für blinde Menschen gestaltete Anwendungen wie "Be My Eyes". Diese App erlaubt es menschliche Helfer:innen anzurufen, um sich bei Aufgaben unterstützen zu lassen. Dabei nutzt der freiwillige Helfer die Smartphone-Kamera des blinden Hilfesuchenden und kann nun erzählen, was die Kamera zeigt. 

Die Entwickler der App haben nun darüber hinaus auch künstliche Intelligenz integriert. Man macht ein Foto, das automatisch gesendet und analysiert wird. Während dieser Analyse ist ein Tonsignal zu hören, denn es kann eine Weile dauern, bis das Ergebnis angezeigt wird. Sodann erfolgt eine Beschreibung des Fotos mit der Möglichkeit, Rückfragen in einem Textfeld zu stellen.

Display auslesen

Hier ein Beispiel: Seit vielen Jahren nutze ich einen Ergometer. Dieser hat ein Display, das ich nicht auslesen kann. Natürlich kann man trotzdem trainieren, aber schön wäre es doch, Werte wie die eingestellte Wattzahl, gefahrene Kilometer oder Kalorienverbrauch lesen zu können - schon um die Motivation zu steigern.
Also fotografiere ich das Display und erhalte eine Beschreibung, die neben der Info, dass es sich um einen Ergometer handelt, auch die Marke und den Hinweis enthält, dass etliche Werte angezeigt werden. Unterhalb dieser Beschreibung gibt es ein Textfeld, in das ich (wortkarg) "Wattzahl?" eingebe. Die eingestellte Wattzahl wird prompt als Antwort ausgegeben. 
Zufallstreffer? Nach der Eingabe von "gefahrene Kilometer?" erhalte ich diese Zahl (ebenso wortkarg) zurück geliefert. 
(Mein Mann hat die Werte mittels Lupe zur Sicherheit überprüft - sie sind korrekt.)

KI ist pfiffig!

Nachdem ich diese Prozedur mehrmals durchgeführt hatte, wurden mir Wattzahl und gefahrene Kilometer bei meinen nächsten Fotos automatisch vorgelesen und nicht erst auf Nachfrage meinerseits. Es ist geradezu unheimlich, wie "menschlich" das System reagiert. Es lernt einfach dazu und erkennt offenbar an dem Foto und meinen bisherigen Rückfragen, was ich wissen möchte. Das ist der beste Beweis dafür, dass Informationen, die wir liefern, irgendwo gespeichert und erneut abgerufen werden.

Experimentieren ist angesagt

Also habe ich versuchsweise die KI von "Be My Eyes" auch zur Prüfung des Displays an Geschirrspüler und Waschmaschine ausprobiert. Und was soll ich sagen: Die Restlaufdauer, das eingestellte Programm, Temperatur und Schleuderzahlen bei der Waschmaschine - alles habe ich offenbar herausgefunden. Natürlich braucht es ein wenig Übung bei der Kameraführung. Aber wenn ein Foto nur Teile der Information liefert, so wird man bei der Rückmeldung darauf aufmerksam gemacht und gebeten, es nochmals zu versuchen.

Die Rückversicherung

Aber: Ergebnisse der KI sollten IMMER hinterfragt und im Zweifelsfall durch Menschen überprüft werden. Für einen solchen Fall gibt es in der App Be My Eyes die Möglichkeit, einen menschlichen Helfer anzurufen. Wie dringend die Überprüfung ist, hängt vom Anwendungsfall ab. Sollte die Restlaufzeit der Waschmaschine nicht korrekt erkannt worden sein, so entsteht kein Schaden; vielleicht muss man eben länger oder kürzer warten. Bei einem Blutdruckmessgerät würde ich persönlich der KI nicht vertrauen wollen. Dafür gibt es Geräte mit Sprachausgabe, die sich nicht irrt, weil sie eben nicht interpretieren, sondern nur angezeigte Daten wiedergeben kann.

Links

Die App Be My Eyes: Um die App nutzen zu können, ist sowohl für sehende Helfer als auch für blinde Hilfesuchende eine Registrierung erforderlich.

Be My Eyes im App Store
Be My Eyes im Play Store

Eva Papst Juli 2025

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