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Inhalt

2. Der feine Unterschied

Informationen und Zusammenhänge

Moderne Technik vermag vieles. Vor allem ist sie ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug, um reduziertes oder fehlendes Sehvermögen teilweise zu kompensieren. Auch wenn keine noch so gute Technik das Augenlicht ersetzen kann, so erleichtert sie doch in hohem Maße das tägliche Leben.
Diese Serie versucht zu beschreiben, inwieweit künstliche Intelligenz als Hilfe für sehbehinderte und blinde Menschen einen weiteren Fortschritt bedeutet; vor allem aber, wie sie im Alltag genutzt werden kann.

Aber worin genau besteht der Unterschied zwischen einer App, die ein Schild vorlesen kann und einer App, die dies mittels künstlicher Intelligenz tut? Am besten lässt sich dies anhand eines Beispiels erklären.

Texte wie „im Flug“ lesen

Beim Einkaufen im Supermarkt nutze ich gerne die App Seeing AI. Sie kann nicht nur ein Foto eines Textes machen und ihn vorlesen, sondern hat einen sogenannten Live-Modus. Das bedeutet, dass die Sprachausgabe sofort zu lesen beginnt, sobald nur irgendwo Text auftaucht oder sich ändert. Die Kamera "tastet" sozusagen im Vorbeigehen die Regale ab und liest Text vor, wenn solcher vor die Linse kommt. So ist es möglich, an den Regalen im Supermarkt mit gezückter Kamera langsam entlangzugehen und sich vorlesen zu lassen, welche Art von Produkten im Regal stehen. Höre ich etwa den Begriff "Fusilli", weiß ich, dass ich bei den Teigwaren bin. Mit etwas Übung ist das schon eine große Hilfe. Freilich geht das mit einer sehenden Begleitung deutlich einfacher und schneller. Aber immerhin verleiht diese Orientierungsmöglichkeit mehr Selbstständigkeit und ein gewisses Maß an Unabhängigkeit.
Dieser Vorgang hat mit künstlicher Intelligenz nichts zu tun. Es wird einfach vorgelesen, was zu sehen ist - ohne einen Zusammenhang herzustellen, ohne Zusatzinformationen und ohne jegliche Erklärung oder Interpretation.

Es geht intelligenter

Auf unserer Bahnfahrt von Wien nach St. Pölten habe ich ein Foto des Displays auf der Plattform gemacht und folgende Information erhalten:    

Auf dem Bildschirm werden Informationen zu einem Zug angezeigt. Es zeigt die Geschwindigkeit des Zuges, die bei 232 km/h liegt, und die nächsten Haltestellen mit den voraussichtlichen Ankunftszeiten:
- St. Pölten, Ankunft in 10 Minuten um 09:57 Uhr
- Linz Hbf, Ankunft um 10:43 Uhr
- Salzburg Hbf, Ankunft um 11:53 Uhr
Der nächste Halt ist St. Pölten.
Unten auf dem Bildschirm sind zwei Symbole zu sehen: eines mit einem durchgestrichenen Schuh, was darauf hinweist, dass man dort nicht treten darf, und ein grünes SOS-Symbol.

So fühlt sich KI an. Es werden nicht nur die Daten von oben bis unten vorgelesen, sondern ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen hergestellt. Dabei werden auch Grafiken und Symbole erklärt, die keinen Text enthalten.
... und das Beste daran: Man kann sogar gezielte Rückfragen zu den Inhalten stellen, wie wir noch erfahren werden.

Woher kommen all diese Informationen?

Na klar: Aus dem riesigen Informations-Pool des WWW, der auf diversen Servern weltweit verteilt ist. Sicher findet sich dort irgendwo auch ein Abbild einer Anzeigetafel in irgendeinem Zug - und schon wird ein Zusammenhang hergestellt.
Die KI verknüpft also gefundene Inhalte zu einem neuen Kontext. Dabei sind Irrtümer und fehlerhafte Interpretationen keineswegs auszuschließen. Auch damit werden wir noch nähere Bekanntschaft machen.

Genau genommen nutzt jede Anfrage, die wir in einer Suchmaschine stellen, bereits die Verknüpfungsmöglichkeiten künstlicher Intelligenz. Wollen wir hoffen, dass dort keine sensiblen Daten unserer Person zu finden sind. Also immer nachdenken, welche Fotos und Fragen wir in die durchlässigen Maschen des weltweiten Netzes schicken.

Aufklärung hilft

Im Rahmen der "Sichtweisen", dem Magazin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, wurde ein Interview zum Thema "KI: Chancen und Gefahr" veröffentlicht, das tiefer in die Materie einsteigt: Interview Sichtweisen

Eva Papst April 2025