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Unterwegs

Interview mit Philipp Huber

Die Blindenschrift, die heuer ihren 200. Geburtstag feiert, schafft nicht nur Zugang zu Wissen und Bildung. Sie erweist blinden und stark sehbehinderten Menschen auch hilfreiche Dienste, wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegen oder Besorgungen machen. Wir haben uns mit Philipp Huber BA, Mitarbeiter bei der Beruflichen Assistenz & Akademie BSV GmbH im Louis Braille Haus in Wien, „auf den Weg gemacht“.

Blindenleitsysteme, die aus taktilen und kontrastreichen Bodenmarkierungen bestehen, tragen dazu bei, dass Menschen, die sehbehindert sind, sich im öffentlichen Raum möglichst selbstständig und sicher bewegen und orientieren können. Ein Leitsystem für blinde Menschen besteht aber nicht nur aus tastbaren Bodenmarkierungen, sondern bietet auch tastbare Lagepläne und Informationen in Brailleschrift. Wo, Herr Huber, treffen Sie auf Aufschriften in Braille, wenn Sie unterwegs sind?

Ich finde die Handlaufbeschriftungen bei Treppen in Bahnhöfen sehr nützlich und hilfreich. Bei vielen Bahnhöfen steht auf den Handläufen der festen Stiegen in Brailleschrift, um welchen Bahnsteig es sich handelt, also Bahnsteig vier, fünf oder sechs, und auf welcher Seite der jeweilige Bahnsteig ist. Das ist mir in Österreich bei relativ vielen Bahnhöfen aufgefallen und es ist vor allem dann sehr nützlich, wenn man den Bahnhof nicht kennt. Ich habe diese Handlaufbeschriftungen auf Reisen auch schon öfters gesehen, vor allem in Deutschland.


Finden Sie ähnliche Informationen auch auf Flughäfen vor?

Auf Flughäfen ist es anders. Da melde ich mich als blinde Person vorab an. Ich werde dann vom Infopoint abgeholt und bis zu meinem Sitzplatz im Flugzeug begleitet. Wenn ich ankomme, werde ich von meinem Platz abgeholt und wieder zum Infopoint gebracht. Im Flugzeug selbst bin ich aber schon auf Brailleschrift gestoßen, und zwar bei Flügen mit der AUA, mit der österreichischen Fluglinie. Und zwar sind die Anweisungen, wie man sich in einem Notfall zu verhalten hat, also wie ich eine Sauerstoffmaske oder eine Schwimmweste anlege, nicht nur in Schwarz-, sondern auch in Brailleschrift abgefasst.

Kommen wir wieder zurück zum Bahnhof. Sie stehen aufgrund der Handlaufbeschriftung am richtigen Bahnsteig. Sie steigen ein und möchten zu Ihrem reservierten Platz gehen. Wie machen Sie das?

In den Zügen der ÖBB finde ich meinen Sitzplatz nur, wenn ich eine sehende Person um Hilfe bitte. In einem ICE der deutschen Bahn ist das anders. Da gelange ich selbstständig zu meinem Platz, denn die Sitzplatznummern sind gangseitig am Kopfteil des Sitzes angeschrieben, und zwar in Braille- und in Reliefschrift.

Beide, Relief- wie Brailleschrift werden mit den Fingern ertastet, aber sie verwenden unterschiedliche Zeichen. Die Brailleschrift ist eine Punktschrift, die Reliefschrift verwendet Schriftzeichen, die auch sehende Menschen nutzen, also die Ziffern 1 bis 0 sowie die Buchstaben des lateinischen Alphabets.

Die ICEs der deutschen Bahn haben aber nicht nur tastbare Sitzplatznummern, sondern auch tastbare Beschriftungen in den WCs, die mir genau sagen, wo der Knopf für die Spülung ist oder wie ich das Wasser zum Händewaschen betätigen kann. Das ist sehr praktisch und ich hoffe, dass die neuen Züge der ÖBB blinden Menschen diese Informationen ebenfalls bieten werden.

Wo treffen Sie, wenn Sie in Wien unterwegs sind, auf Beschriftungen in Braille?

Manchmal gibt es bei Sehenswürdigkeiten ein tastbares Modell mit Brailleschrift, wie zum Beispiel vor dem MuseumsQuartier. Das gibt es auch beim Kunsthaus in Graz. In manchen Museen findet man auch Informationen in Brailleschrift. Da ist vor allem das Wien Museum zu nennen. Der Blinden- und Sehbehindertenverband war miteinbezogen, als das Wien Museum neu gestaltet wurde. Bei vielen Exponaten gibt es eine kurze Erklärung in Brailleschrift. Weitere Informationen erhält man über einen tastbaren QR Code, den man scannt und dann kann man sich den Beitrag zum jeweiligen Exponat anhören. So zum Beispiel über einen Stoßzahn von einem Mammut, der beim Bau der U-Bahn gefunden wurde. Im Wien Museum gibt es auch noch Tastmodelle und es führt ein Leitsystem durch das ganze Museum.

Also man findet beides, Braille- und Reliefschrift. Und grundsätzlich lässt sich sagen, dass es sinnvoll ist, wenn man ausführliche Beschreibungen über einen QR Code erhält, denn diese würden in Blindenschrift viel zu viel Platz einnehmen. Und dass man kurze Informationen wie den Namen eines Exponats oder die Nummer eines Bahnsteigs in Brailleschrift anführt, das lässt sich schnell ertasten und nützt auch jenen Menschen, die nur geringe Kenntnisse in Brailleschrift haben. Noch etwas fällt mir ein. Wenn ich zu meiner Post im zweiten Wiener Gemeindebezirk gehe, und bei der Abholstation ein Paket holen möchte, das nicht zugestellt werden konnte, dann funktioniert das sehr gut, denn dort gibt es auch eine tastbare Beschriftung, eine Information in Reliefschrift. 

In öffentlichen Gebäuden gibt es mitunter Kaffeeautomaten, die mit Brailleschrift versehen sind. Wie aber kann man Speisen und Getränke in einem Lokal auswählen, wenn man blind ist und niemanden bitten will, die Karte vorzulesen?

Ich habe unlängst mit einem Bekannten geredet, der eine Bar in Wien betreibt und eine Getränkekarte in Brailleschrift machen lassen möchte. Ich denke aber, dass es einfacher ist, wenn man die Karte digital zugänglich macht, dass es also auf den Tischen einen tastbaren QR Code gibt. Eine Speise- und Getränkekarte in Brailleschrift müsste man aus Kunststoff herstellen, da sie ja ständig angegriffen wird. Und sobald man das Angebot oder die Preise ändert, müsste man wieder eine neue Karte drucken lassen.

Beschriftungen in Braille finden sich in vielen Aufzügen und verpflichtend auf den Verpackungen von Medikamenten. Außerdem, und das ist besonders wichtig, gibt es taktile Beschriftungen auch im Straßenverkehr. Und zwar bei Ampelanlagen, die blinden und sehbehinderten Menschen akustische und taktile Informationen bieten, damit sie eine Ampelkreuzung sicher überqueren können.

Ja, da gibt es eine tastbare Nummer in Braille, die kann ich angeben, wenn ich bemerke, dass das akustische Signal kaputt ist und ich den Schaden melden möchte. Dann gibt es noch einen tastbaren Plan, der beschreibt, wie diese Kreuzung genau ausschaut. Ich kann ertasten, wo ich bin, in welche Richtung der Übergang ist, wie viele Spuren die Straße hat, ob hier eine Straßenbahn fährt, ob es eine Verkehrsinsel, einen Radweg oder einen Gehweg gibt. So kann ich mir ein Bild von der Straße machen, die ich blind überqueren muss. Dieser tastbare Plan ist auf der Rückseite der akustisch-taktilen Ampelanlage angebracht. Mir fällt noch ein, dass auch bei der E-Card, beim Klimaticket, beim Behindertenpass oder der Öffi Jahreskarte Kurzbezeichnungen in Braille aufgedruckt sind.

Wenn Sie an andere Bereiche im öffentlichen Raum denken, wo wären Beschriftungen in Braille noch hilfreich?

Da denke ich sofort an Ämter und Ausbildungsstätten. Ich habe an der FH Wien Soziale Arbeit studiert. Wir waren damals in einem Ausweichquartier. Ein blinder Kollege und ich hatten damals das Glück, dass für uns nicht nur tastbare Bodenmarkierungen angebracht wurden, sondern dass auch alle Türschilder in Braille beschriftet wurden. Das gab es aber nur dort. Meiner Meinung nach sollte man das in allen Schulen, FHs und Unis machen, denn sonst brauchst du als blinder Mensch immer Hilfe. Viele Bankomaten verfügen über eine Sprachausgabe, aber es wäre praktisch, wenn sie auch Hinweise in Braille hätten. Praktisch wäre dies auch bei den Containern für das Altglas, dann wüsste ich gleich, wo das Weiß- und wo das Buntglas hinkommt. Man könnte auch die Namensschilder bei Wohnhäusern mit Nummern in Brailleschrift ausstatten. Auch Schilder mit den Straßennamen in Brailleschrift wären hilfreich. Man könnte sie an den Straßenecken in gut erreichbarer Höhe anbringen. Das würde vieles erleichtern. Ich verwende ja verschiedene Apps, wenn ich im öffentlichen Raum unterwegs bin, aber solche Apps können mir auch nicht all das bieten, was sehenden Menschen zur Verfügung steht. Also, mir würde noch einiges einfallen, wo eine Info in Brailleschrift hilfreich und nützlich wäre.

Vielen Dank für den „Rundgang“.

Mag. Ursula Müller Frühjahr 2025