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Portraits

Ein lachender Mann mit Brille und rotem Shirt sitzt an einem Klavier, die Hände auf den Tasten.
Bildinfo: Jeden Tag greift der musikalische Burgenländer in die Tasten. © privat / Foto zur Verfügung gestellt.

„Zuerst habe ich geglaubt, die Welt stürzt zusammen.“

Vor gut zwei Jahren verschlechtert sich das Sehvermögen von Markus Illedits dramatisch. Der Trafikant aus dem Burgenland konnte sich auf einmal nicht mehr vorstellen, wie sein Leben jetzt weitergehen sollte.

Markus Illedits im Portrait

Probleme mit den Augen hat Markus Illedits schon lange, doch als er bemerkt, wie sein Sehvermögen drastisch schlechter wird, ist er fassungslos. Er ist nicht in der Lage, darüber zu reden. 

„Wenn ich am Abend vor dem Fernseher gesessen bin, sind mir die Tränen gekommen, weil ich den Fernseher gar nicht mehr gesehen habe. Das war schlimm.“ 

Er versucht, weiterhin alles so zu tun wie bisher, aber die Missgeschicke häufen sich und den Menschen in seiner Umgebung entgeht nicht, dass er weniger sieht. Es dauert noch eine Weile, aber irgendwann gesteht er sich seine Lage selbst ein. Er spürt, dass er Hilfe braucht, dass es ohne Hilfe nicht mehr geht. Seine Mutter erzählt ihm, dass sie in einem Wiener Einkaufszentrum Leute vom Blinden- und Sehbehindertenverband gesehen habe, dass einige mit einem Blindenstock unterwegs gewesen seien und dass sie sich die Telefonnummer habe geben lassen. Sie rät ihrem Sohn, sich an den BSV zu wenden, aber zunächst wehrt er sich, wie er sagt, „mit Händen und Füßen“. Irgendwann überwindet er sich, ruft beim BSVWNB an und macht sich einen Termin aus. 

„Es ist dann jemand zu uns gekommen, hat mich beraten und hat mir, Gott sei Dank, geholfen.“

Markus Illedits hat schon lange Probleme mit dem Sehen. Als Kind hat er oft Kopfschmerzen, aber niemand kann sagen, was die Ursache dafür ist. Im Alter von neun Jahren sieht der Bub Doppelbilder, der Hausarzt ist alarmiert und weist ihn ins Krankenhaus ein. Ein Kopftumor wird diagnostiziert, er wird in Wien im AKH operiert und verbringt fast zwei Monate dort. Im Lauf der Jahre folgen weitere OPs. Der Tumor ist zwar gutartig, aber er wächst, verursacht Schmerzen und drückt auf den Sehnerv. Auch die Kopfoperationen setzen dem Sehnerv zu.

In der Volksschulzeit reicht das Sehvermögen aus, um dem Unterricht folgen zu können. In der Hauptschule nicht mehr, Markus besucht eine Integrationsklasse. Dort sind drei Lehrer:innen in der Klasse, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen können. Anschließend macht der junge Mann eine Lehre als Einzelhandelskaufmann, in der Berufsschule lernt er seine spätere Frau kennen. Nach dem Lehrabschluss geht er auf Jobsuche. Das ist schwierig und ohne Aussicht auf Erfolg. So bewirbt er sich schließlich um eine Trafik und im Jahr 1999 beginnt er in der kleinen Gemeinde Gattendorf im Bezirk Neusiedl am See als Trafikant zu arbeiten.


Wenngleich der burgenländische Trafikant von Kindheit an Probleme mit dem Sehen hatte, ist er zutiefst schockiert, als vor ungefähr zwei Jahren sein Sehvermögen von Tag zu Tag drastisch schlechter wird. Er macht sich Sorgen um seine Zukunft, er hat Angst, alles zu verlieren. „Ich habe geglaubt, wenn ich nichts mehr sehe, kann ich auch nicht mehr arbeiten. Ich hatte Angst, dass ich dann nutzlos bin. Aber so ist es Gott sei Dank nicht. Eigentlich ist es in meinem Leben zu einer Wende um 180 Grad gekommen. Ich muss sogar sagen, wie ich noch besser gesehen habe, habe ich nicht so viele Aufgaben gehabt. Ich bin jetzt viel motivierter. Wenn ich etwas mache, dann ziehe ich es durch.“

Wie findet Markus Illedits aus seiner Schockstarre heraus? Was ermöglicht es ihm, dass er schließlich doch über seine fortschreitende Erblindung spricht? Er entscheidet sich, Hilfe in Anspruch zu nehmen und wendet sich an den BSVWNB. Dort erhält er nicht nur viele nützliche Informationen, sondern auch psychologische Unterstützung. „Das hat mir sehr geholfen, denn ich wusste gar nicht, wie ich mit dieser neuen Situation umgehen soll, was ich machen soll. Ich will gar nicht wissen, wie es mir heute gehen würde, wenn ich nicht mit dieser Dame in Kontakt getreten wäre.“  Auch seine Frau unterstützt ihn nach Kräften. Er rechnet es ihr hoch an, dass sie immer zu ihm gestanden ist. Das sei nicht selbstverständlich, er sei sehr froh und dankbar darüber. Dass er sich auf seine Frau in schwierigen Zeiten verlassen kann, hat Markus Illedits bereits erlebt. 

„Sie ist mir auch bei einigen Kopfoperationen beigestanden. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass es mir danach wieder gut gegangen ist.“

Über den BSVWNB erhält Markus Illedits ein Mobilitätstraining. Woche für Woche kommt eine Trainerin zu ihm. Zuerst übt er, sich in den eigenen vier Wänden wieder sicher zu bewegen. Er lernt, mit dem Weißen Stock zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. So kann er selbstständig von Mörbisch, wo er wohnt, nach Eisenstadt zur Arbeit fahren. „Es ist schon super, dass es Trainer:innen gibt, die einem diese Technik beibringen. Jetzt kann ich wieder alleine mit dem Bus fahren. Das hat mir neuen Lebensmut gegeben.“


Noch ein anderer wichtiger Impuls kommt vom BSVWNB. In einem Gespräch wird Markus Illedits ermutigt, ein Instrument zu erlernen. 

„Ich hab sofort gesagt, das geht nicht. Wie soll ich denn ein Instrument lernen, wenn ich keine Noten lesen kann. Aber die Dame vom Blinden- und Sehbehindertenverband hat gemeint, dass es geht.“ 

Markus Illedits, der als Kind Trompete gespielt hatte, aber wegen des Kopftumors damit aufhören musste, sucht sich einen Klavierlehrer und lernt, Tonleitern und einfache Melodien ohne Noten zu spielen. Inzwischen bringt er sich selbst Lieder bei, er spielt nach Gehör. Jeden Tag sitzt er an seinem E-Piano und übt und spielt mindestens eine Stunde. „Es macht mir große Freude. Ich kann mir meine Kopfhörer anstecken und geh niemandem auf die Nerven. Und hin und wieder spiele ich meiner Frau etwas vor.“(Lacht) So hat der musikalische Burgenländer ein neues Hobby gefunden. Er hört auch gerne Musik, hat sich einen Plattenspieler gekauft und sammelt Schallplatten. Er hört fast alle Musikrichtungen gern, außer Rock. Besonders gern aber mag und spielt er Austro Pop. Markus Illedits kommt aus einer musikalischen Familie. Sein Vater spielte in der Musikkapelle, eine seiner beiden Schwestern lernte Querflöte. Die Mutter kann Blockflöte spielen und gelegentlich haben alle zusammen musiziert.

Letztes Jahr, im März 2024, gründet Markus Illedits in Eisenstadt eine Selbsthilfegruppe. Es sei sehr wertvoll und hilfreich, wenn man sich unter Betroffenen austauschen könne. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat in einem Extrazimmer in einem Café in Eisenstadt, üblicherweise immer am zweiten Dienstag im Monat. Es kommen um die zehn Leute, man tauscht sich aus. Wenn jemand ein Anliegen hat, bemüht sich Markus Illedits Abhilfe zu schaffen, fragt beim BSV in Wien nach und will dazu beitragen, die Probleme zu lösen. Er mache das gern, er freue sich, wenn er etwas Gutes beitragen könne. Letzten Sommer organisiert er für die Gruppe einen Ausflug. Von Mörbisch geht es mit dem Boot nach Illmitz und von dort mit einer Pferdekutsche weiter durch die Weingärten. Zu Mittag wird bei einem Heurigen eingekehrt und am späten Nachmittag geht es wieder mit Kutsche und Boot zurück zum Ausgangspunkt. Allen habe es gut gefallen. Aber nicht nur die Mitglieder der Selbsthilfegruppe zollen ihm Anerkennung. Letzte Weihnachten wurden Markus Illedits, der die erste Selbsthilfegruppe für Menschen mit Sehbehinderung im Burgenland gegründet hat, und zwei Gruppenmitglieder zu Licht ins Dunkel eingeladen. Das Engagement wird gebührend gewürdigt.


Seit acht Jahren betreibt Markus Illedits eine Trafik in Eisenstadt. Seine Frau kümmert sich um die Aufgaben im Büro und eine seiner beiden Schwestern arbeitet im Geschäft mit. Seit einiger Zeit wird der Trafikant bei seiner Arbeit von einer Persönlichen Assistenz unterstützt. So kann er wieder selbstständig arbeiten und muss nicht ständig seine Frau fragen, wenn er ein Produkt nicht findet oder beim Kassieren Hilfe braucht. Zwanzig Stunden pro Woche, vier Stunden pro Tag steht ihm die Assistenz zur Verfügung. Sie begleitet ihn zur Post oder zum Gemeindeamt, wenn er dort etwas zu erledigen hat. Und sie steht im Geschäft an seiner Seite. Wenn er mit dem Bus zur Arbeit fährt, holt sie ihn bei der Busstation ab und begleitet ihn ins Geschäft. Markus Illedits ist sehr froh, dass er mit Hilfe der Persönlichen Assistenz wieder selbstständig in seiner Trafik tätig sein kann.

Diese Selbstständigkeit musste sich der musikbegeisterte Burgenländer bereits zum zweiten Mal erkämpfen. Beim ersten Mal war er neun Jahre alt und konnte seine Beine nach der Kopfoperation nicht mehr bewegen. „Ich habe das alles erst wieder lernen müssen.“ Als die Eltern damals erfahren, dass ihr Sohn einen Kopftumor hat, haben sie auch das Gefühl, dass eine Welt für sie zusammenstürzt. Aber sie tun alles, um ihr Kind zu unterstützen, das viele Wochen im AKH verbringen muss. Sie können sich bei einer Tante von Markus in Wien einquartieren und sind tagsüber bei ihrem Sohn, der damals auf der neurochirurgischen Station für Erwachsene untergebracht ist. 

„Das rechne ich meinen Eltern hoch an, denn als Kind weiß man nicht, was einem bevorsteht und was mit einem passiert. Man fürchtet sich in so einer Situation ja vor so Vielem.“ 

Der Vater, Tischler von Beruf, erhält Pflegeurlaub. Es ist ihm wichtig, seinen Sohn zu unterstützen, auch wenn er fürchtet, wegen des Pflegeurlaubs gekündigt zu werden. Doch das ist zum Glück nicht der Fall. Die jüngere Schwester wird in dieser Zeit meistens von der Großmutter versorgt. Es ist für die ganze Familie eine sehr schwierige und belastende Zeit, die sie aber auch deshalb bewältigen kann, weil sie zusammenhält und von einigen Verwandten unterstützt wird. Diesen Zusammenhalt erlebt Markus Illedits auch mit seiner Frau. „Wir haben 1999 geheiratet und sind bis jetzt glücklich verheiratet.“ (Lacht) Das sei viel wert und er sei sehr froh darüber. Man müsse eben zusammenhalten.

Kontakt:

Die Selbsthilfegruppe kommt immer am zweiten Dienstag im Monat zusammen. Die Treffen finden um 14:00 Uhr im Café Naglreiter in Eisenstadt statt.
Interessierte können sich direkt an Markus Illedits wenden und sich unter der Telefonnummer 0680 440 45 28 bei ihm erkundigen und / oder anmelden.

„Zuerst habe ich geglaubt, die Welt stürzt zusammen.“

Ein lachender Mann mit Brille und rotem Shirt sitzt an einem Klavier, die Hände auf den Tasten.
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