Aktuelles
Ein Jahr Psychosoziales Angebot
Personzentrierte Therapie
Ich stehe im Lift und suche den Knopf mit der tastbaren Vier. Langsam schließt sich die Tür, der Aufzug setzt sich in Bewegung, im 4. Stock steige ich aus.
Ganz am Ende des Ganges betrete ich die ehemalige Hausmeister-Wohnung: hier befindet sich jetzt das Büro des „Psychosozialen Angebots“ des BSV WNB.
Meine Kollegin Katharina Deitmayer ist schon da. Sie sitzt beim PC und checkt E-Mails.
Seit ca. einem Jahr haben wir hier unseren gemeinsamen Arbeitsplatz. Er besteht aus einem Büro und einem Therapie- bzw. Besprechungsraum.
Wie alles begann
Begonnen hat alles im Frühling 2023. Unsere Idee war es, ein Angebot zu schaffen, das sich mit den psychischen und sozialen Auswirkungen einer Sehbehinderung oder Blindheit befasst. Menschen, die mit einer Sehverschlechterung konfrontiert sind, müssen sich oft mit großen Veränderungen auseinandersetzen; vieles muss neu gelernt werden, vieles umorganisiert und angepasst. Manchmal kommt es zunächst zu einer seelischen Krise. Ängste, Sorgen, Verzweiflung, aber auch Wut können auftauchen.
Das bedeutet nicht nur eine Überforderung für die betroffenen Personen, sondern auch für das soziale Umfeld.
Unser Angebot sollte sich also an Menschen richten, die aufgrund ihrer Seheinschränkung Unterstützung auf seelischer Ebene benötigen oder suchen.
Das war unser Ausgangspunkt: Von der Idee zum fertigen Angebot brauchte es viel Überlegen und Herumfeilen, sowie viele Gespräche mit der Geschäftsführung.
Im Juni war es dann so weit, das Projekt konnte starten.
Das Gruppensetting
Meine Kollegin Katharina und ich überlegen, was wir heute alles erledigen müssen.
Die Tische im Besprechungsraum an die Wand schieben und die Sessel im Kreis aufstellen, denn heute am Nachmittag kommt wieder unsere therapeutische Gesprächsgruppe zusammen.
Der Therapieraum – vermutlich das ehemalige Hausmeister-Wohnzimmer – ist ein heller, schöner Raum mit einem kleinen Balkon, einem Tisch für Besprechungen und einem gemütlichen Therapie-Eck.
Die Treffen der therapeutischen Gruppe finden alle zwei Wochen statt.
Hier werden Themen besprochen, die den Teilnehmer:innen auf dem Herzen liegen und von diesen direkt in die Treffen mitgebracht werden. Thematisch gibt es keine Begrenzungen; natürlich spielt die Seheinschränkung oft eine Rolle.
Jeder kann, niemand muss ein Thema mitbringen. Meine Kollegin und ich begleiten den Gruppenprozess gemeinsam. Wichtig ist uns auf einen respektvollen und wertschätzenden Umgang zu achten. Jeder/jede soll Raum bekommen und sich gut aufgehoben fühlen. Dazu ist es wichtig, dass alle Gesprächsinhalte innerhalb der Gruppe bleiben. Dann kann eine Vertrauensbasis entstehen.
Sich selbst in einer Gruppe zu erleben, gehört werden und dann wieder zu hören, wie andere Situationen empfinden oder damit umgehen, kann entlastend und unglaublich heilsam sein. Und das in einer Atmosphäre, in der möglichst nicht beurteilt wird, getragen von gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung.
Das Einzelsetting
Das Therapie-Eck ist eine kleine Nische im hinteren Bereich des Therapieraums. Zwei gemütliche Couchsessel laden zum Platz-Nehmen und Entspannen ein. Auf einem kleinen Tischchen stehen Taschentücher und eine Uhr. Eine Palme sorgt zusätzlich für ein gemütliches Ambiente. Dieses Eck nutzen wir für die einzeltherapeutischen Sitzungen.
Anders als in der Gruppe gilt hier die Aufmerksamkeit von uns als Therapeutinnen voll und ganz dieser einen Klientin bzw. diesem einen Klienten. Gerade, wenn der Leidensdruck und das Redebedürfnis sehr groß sind, ist das meist das passendere Setting.
Die Therapierichtung, nach der wir arbeiten, nennt sich „Personzentrierte Therapie“ und wurde von Carl Rogers, einem US-amerikanischen Psychologen begründet.
Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch Experte für sich selbst ist, die Anlagen zu Entwicklung und Wachstum sind in uns allen prinzipiell vorhanden. Als Therapeutinnen bieten wir Unterstützung an, die eigenen Kompetenzen / die eigenen Ressourcen (wieder) zu entdecken bzw. freizulegen.
Wir sehen uns als Begleiter und Unterstützer – nicht als Expertinnen in diesem Prozess.
Das Herzstück ist die therapeutische Beziehung, d.h. die Beziehung zwischen Therapeut:in und Klient:in, in der wir uns um drei Grundhaltungen bemühen: Empathie, Wertschätzung und Authentizität. Als Therapeutin versuche ich, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Klientin/der Klient gut aufgehoben und angenommen fühlt, in der sie/er vertrauen kann, in der es möglich ist, über auch sehr persönliche Dinge zu sprechen. Es geht darum, nach innen zu schauen, sich auch mit Aspekten zu beschäftigen, die man an sich selbst vielleicht nicht mag.
Letztendlich geht es um das Annehmen von sich selbst, mit all den vielen verschiedenen Anteilen. Unsere Aufgabe als Therapeutinnen ist es, bei diesem Prozess zu begleiten und eine sichere und bewertungsfreie Beziehung anzubieten, in der wir darum bemüht sind, der Klientin authentisch und empathisch zu begegnen.
Bevor ein therapeutischer Prozess gestartet werden kann, laden wir zu einem Erstgespräch ein. Das dient zum gegenseitigen Kennenlernen und auch dazu, zu klären, welches Angebot das Passende sein könnte. Dieses ist unverbindlich und kostenlos.
Sich selbst erfahren
Nach innen schauen, sich selbst besser kennenlernen und verstehen, dem eigenen Erleben Raum zu geben, dazu laden wir nicht nur in unseren Einzel- und Gruppensettings ein, sondern auch in unseren Selbsterfahrungsworkshops und- seminaren. Diese sind einmalig und haben einen Themenschwerpunkt wie z.B. Ich und meine Scham. In diesen Gesprächsrunden widmen wir uns unseren Erfahrungen, spüren in uns hinein und teilen uns (wenn wir es möchten) den anderen mit. Bewegungssequenzen, das Abspielen von Musik oder Vorlesen von Geschichten oder Gedichten können helfen, mit dem eigenen Erleben mehr in Kontakt zu kommen.
Vorträge zu psychosozialen Themen
Als einen weiteren Pfeiler unserer Arbeit sehen wir das Weitergeben von Information. Dazu bieten wir Vorträge und Workshops zu psychosozialen Themen an. „Essen gegen Depression“, „Sexuelle Gesundheit“, „Resilienz“ oder „Eltern sein und werden“, sind Beispiele für Vorträge, die stattgefunden haben.
Jetzt stehen wir am Beginn des zweiten Jahres … Nach der kleinen Sommerpause geht es weiter. Die Planung ist schon voll im Gange und wir freuen uns auf diesen weiteren spannenden gemeinsamen Weg.
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