Portraits
„Ich lasse mich nicht unterkriegen.“
Klara Messner im Portrait
Ein ereignisreicher Sommer liegt hinter der jungen Niederösterreicherin. Sie ist aus ihrer WG aus- und mit ihrem Freund zusammengezogen. Sie hat bei einer Sportwoche mitgemacht, war mit ein paar Freundinnen auf der Insel Rhodos und mit ihrer Familie in Italien auf Urlaub. Und mit ihrer Bachelorarbeit hat sich die Studentin der Wirtschaftspsychologie auch beschäftigt. Ein ganz normaler Sommer im Leben einer jungen Frau. Aber dass es ein „ganz normaler“ Sommer ist, grenzt an ein Wunder. Denn im Alter von vierzehn Jahren erkrankt Klara an Leukämie und es ist ungewiss, ob sie überleben wird. Eine Stammzellentherapie rettet ihr das Leben, doch dabei treten Komplikationen auf.
Klara Messner wächst mit ihrer älteren Schwester in einem kleinen Ort in Niederösterreich auf und besucht das Gymnasium in Korneuburg. Nach der Matura und einem Jahr in Linz beginnt sie an der Uni Wien Soziologie zu studieren. Doch so ganz kann sie sich nicht für das Studium begeistern, hinzu kommt, dass während der Corona Pandemie alles anders ist. Nach einigen Semestern entscheidet sie sich schließlich für ein Fernstudium in Wirtschaftspsychologie. Inzwischen ist sie mit dem Studium fast fertig, es fehlt nur noch die Bachelorarbeit, die Abschlussarbeit. Es würde sie interessieren, im Personalbereich zu arbeiten. Insbesondere geht es der angehenden Wirtschaftspsychologin darum, was dazu beiträgt, dass Arbeitnehmer:innen an ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind, was also Arbeitsplätze attraktiv macht.
Mit ihrem Fernstudium ist Klara Messner sehr zufrieden. Die Unterlagen sind digital und in den allermeisten Fällen barrierefrei. Wenn Probleme auftreten, lassen sich diese schnell klären. Auch für die wiederkehrende Prüfungssituation ist rasch eine Lösung gefunden. „Bei unseren Prüfungen ist es ja so, dass man während der Prüfung gefilmt, also quasi über die Webcam, über die Internetkamera beaufsichtig wird. Unmittelbar vor der Prüfung muss man zeigen, dass niemand im Zimmer und der Tisch abgeräumt ist. Das alles ist für mich mit einer Assistenzperson natürlich einfacher, meine Mutter hat das für mich erledigt.“ Die schriftlichen Arbeiten, insbesondere die Literatursuche und -auswertung empfindet die Studentin als sehr anstrengend, da sie dabei immer wieder auf Barrieren stößt.
„Es frisst sehr viel Zeit und ist ermüdend, wenn man stundenlang bei der Literatursuche sitzt und wenn nichts weitergeht. Nach dem Bachelor brauche ich einmal eine Pause vom Studieren.“
Beim Fernstudium erhält sie alle Unterlagen digital, Vorlesungen gibt es nicht. Aber es gibt Tutorien, wo Fragen zum Stoff gestellt werden können. Es arbeitet zwar jede Person für sich, aber es bilden sich oft Lerngruppen. Klara freundet sich mit einer Studentin an und die beiden verabreden sich regelmäßig zu online Lerneinheiten. „Wir haben uns ein Coworking organisiert, wir haben eine Stunde gelernt, dann gemeinsam eine Pause gemacht, getratscht und dann wieder weiter gelernt. Das hilft und motiviert sehr, dranzubleiben und weiterzuarbeiten.“
Im Alter von vierzehn Jahren wird, wie bereits erwähnt, bei Klara Leukämie festgestellt. Die Krebsdiagnose ist ein Schock und reißt sie und ihre Familie aus dem gewohnten Alltag. Nichts ist mehr wie es bis dahin war. Während ihre Freundinnen weiter in die Schule gehen und ihr mehr oder weniger unbeschwertes Teenagerleben leben, verbringt Klara ungefähr zwei Jahre im St. Anna Kinderspital in Wien. Die meiste Zeit ist sie in einem Isolierzimmer untergebracht, da sie insbesondere während der Chemotherapie vor Infektionen geschützt werden muss. „Das war natürlich sehr schwierig, für alle in der Familie. Man hat nur das Beste hoffen können, es war alles ungewiss, aber es ist doch noch einigermaßen glimpflich ausgegangen.“ Die Eltern, die Schwester und die Verwandten unterstützen sie in dieser schweren Zeit. Mit den Freundinnen hält sie übers Handy Kontakt, auch das hilft sehr. In dieser existentiellen Situation zeigt sich, welche Freundschaft dieser Herausforderung standhält und welche nicht.
Nach ungefähr einem Jahr erhält Klara eine Stammzellentransplantation. „Dann hat man darauf gewartet, dass sich die Blutzellen bilden und vermehren und in dieser Zeit ist es zu Komplikationen, ist es zu dieser Pilzinfektion gekommen.“ Als Folge davon lässt Klaras Sehvermögen immer mehr nach. Niemand kann sagen, wie es weitergehen wird. Schließlich stellt sich heraus, dass dieser Prozess unumkehrbar ist und nach etwas mehr als einem halben Jahr ist Klara blind. „Das war sehr, sehr schwierig. Das war echt schlimm. Aber meine Mama hat sich sehr schnell erkundigt, welche technischen Hilfsmittel es für mich gibt und sie hat sich mit der Firma Videbis in Verbindung gesetzt. Es hat mir Mut gemacht, als ich erfahren habe, dass es möglich ist, dass ich den Laptop und mein Handy wieder bedienen werde können. Dadurch ging es wieder bergauf.“
Die Eltern wollen ihre Tochter trotz dieser einschneidenden Ereignisse und deren Folgen nicht überbehüten. Sie seien auch in dieser kritischen Phase keine Helikoptereltern gewesen. Sie trauen ihrer Tochter zu, ihren eigenen Weg zu finden. „Sie haben mich alles so machen lassen, wie ich geglaubt habe, dass es gut für mich ist und all die Dinge tun lassen, die ich selber tun kann. Wenn es einmal nicht funktioniert hat, haben sie mit mir nach einer anderen Lösung gesucht.“ Ein Beispiel. Als Klara nach dem Krankenhaus wieder daheim ist, kann sie das Induktionskochfeld mit Touchbedienung nicht mehr benutzen.
„Meine Mama hat dann eine mobile Induktionsplatte gekauft, die zwar auch eine Touchfunktion hat, aber sie hat alles so mit Tixo markiert, dass ich die Platte trotzdem bedienen konnte. Durch solche Kleinigkeiten, die wieder funktioniert haben, wo ich schon geglaubt hatte, es geht nie mehr, habe ich wieder Mut geschöpft.“
Klara Messner ist ein Teenager, als sie an Leukämie erkrankt, viel Zeit im Krankenhaus verbringt und erblindet. Haben diese existentiellen Erfahrungen sie verändert? „Ich kann gar nicht sagen, dass mich diese Erfahrungen so verändert hätten. Aber sie haben mir noch deutlicher gezeigt, dass ich ein sehr starker Mensch bin und dass ich nicht gleich den Kopf in den Sand stecke, sondern schwierige Situationen doch recht schnell bewältigen und wieder nach vorne schauen kann. Was ich über mich sagen kann, ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich versuche, auch aus schwierigen Erfahrungen etwas Positives zu gewinnen.“
Nach ihrem fast zweijährigen Krankenhausaufenthalt kehrt Klara wieder in ihre Klasse zurück, obwohl sie während der fünften und sechsten Klasse nicht zur Schule gehen konnte. Die Freundinnen, die währenddessen Kontakt zu ihr gehalten haben, nehmen sie gleich wieder in ihre Mitte auf. Im Krankenhaus erhält die schwer kranke Schülerin zwar in den Hauptgegenständen Unterricht, aber natürlich nicht in jenem Maße wie ihre Schulkolleg:innen in Korneuburg. Hinzu kommt, dass Klara, die bis zu ihrer Krebserkrankung normalsichtig war, als blinde Schülerin zurückgekehrt ist. Wie ist es möglich, dass die junge Frau dennoch in ihre Klasse zurückkommen konnte?
„In meiner Schule wurde das so organisiert, dass ich in der siebten und achten Klasse in Mathematik und Spanisch Einzelunterricht bekommen habe. Die Lehrer:innen haben mit mir Sachen wiederholt und mich unterstützt, dass ich mitkomme. Das hat sehr gut funktioniert. Da war die Schule top dahinter. Das ist alles andere als selbstverständlich.“
Einmal in der Woche kommt eine Integrationslehrerin in die Schule. Sie zeigt Klara einige grundlegende Dinge am PC, die für blinde Personen wichtig sind, wie zum Beispiel das Programm für die Sprachausgabe. Den Eltern legt sie nahe, Klara ans Bundesblindeninstitut (BBI) nach Wien zu schicken, aber Klaras Mutter möchte, dass ihre Tochter nicht auch noch ihr gewohntes Umfeld verliert.
Während der letzten beiden Jahre im Gymnasium hat Klara eine Persönliche Assistenz, die in ihrer Nähe wohnt. Diese holt sie in der Früh ab, bringt sie in die Schule, unterstützt sie im Unterricht, begleitet sie im Schulhaus und bringt sie wieder nachhause. „Mir war es sehr wichtig, dass ich in meiner Klasse weitermachen kann. Mein erstes Ziel war, mit meiner Klasse die Matura zu machen und erst danach alles weitere. Ich hätte mir nicht vorstellen können, in einer neuen Klasse noch einmal anzufangen, wo sich alle anderen schon lange kennen.“ Das Kunststück gelingt, Klara macht gemeinsam mit ihrer Klasse im Frühsommer 2017 die Matura. Ein Jahr später absolviert sie in Linz eine blindenspezifische Rehabilitation.
„Dort war es ein bissl wie in der Schule. Man hat seinen Stundenplan, man hat verschiedene Trainingseinheiten, sei es was den PC, die Mobilität oder die Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) betrifft, und man lernt die Brailleschrift. Ich war drei Wochen in Linz, dann drei Wochen zuhause, dann wieder drei Wochen dort, so ist es das ganze Jahr gegangen. So habe ich mir die blindenspezifischen Techniken angeeignet.“ Als Klara Messner im Jahr 2020 von zuhause auszieht und nach Wien geht, macht sie noch einmal ein Mobilitätstraining, um fit für die Großstadt und die neue Umgebung zu sein. Denn es ist eine große Herausforderung und mit vielen Ängsten verbunden, wenn man auf einmal ohne etwas zu sehen Kreuzungen überqueren, öffentliche Verkehrsmittel benutzen und sich in einer unvertrauten, unbekannten Gegend orientieren muss. Immer wieder übt Klara, überwindet Ängste, erobert sich Stück für Stück mehr Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit.
Es gibt viele Dinge, die Klara Messner nach ihrer überstandenen Krebserkrankung und Erblindung neu lernen muss und lernen will. So will sie sich auch sportlich betätigen und kommt über ihren Freund zum Blindenfußball und nimmt im Sommer 2024 an der Multisportwoche des ÖBSV in Obertraun im Salzkammergut teil. „Ich war mit meinem Fußballteam dort. Das war für uns eine intensive Trainingswoche. Es war allerdings sehr heiß, die Sonne von oben und der aufgeheizte Kunstrasen von unten, es war ein bissl wie Ober- und Unterhitze im Backrohr. (Lacht) Aber wir waren auch einmal im Hallstätter See schwimmen, das war eine willkommene Abkühlung.“
Die junge Niederösterreicherin trifft sich gerne mit ihren Freund:innen, hört gerne Hörbücher und Kochen macht ihr Freude. Und was ist der jungen Frau wichtig im Leben? Das sind ihre Familie, ihre Freund:innen und ihre Gesundheit.
„Vielleicht ist Vergänglichkeit zu viel gesagt, aber meine Krankengeschichte hat mir gezeigt, dass man das Gute im Leben möglichst genießen soll.“
Und welche Pläne hat die Studentin für die Zukunft? „Es gibt nicht ein bestimmtes Ziel, auf das ich hinarbeite und dass ich unbedingt erreichen muss. Es geht mir nicht darum, eine tolle Managerin zu werden und möglichst viel Geld zu verdienen. Ich bin offen, was die berufliche Laufbahn betrifft. Ich möchte mein Leben genießen und mit den Menschen, die mir wichtig sind, eine gute Zeit haben. Man weiß nie was kommt.“
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Klara Messner ist 25 Jahre alt, studiert Wirtschaftspsychologie und ist seit zehn Jahren blind.
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